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Elfriede Jelineks ikonisierte Satire

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Hier ist die typograpliisctte Inszenierung ebenso wichtig wie der Wortlaut, dessen Lautstärke nicht ausreicht, um vergeistigte Umnachtung denunzierend zu erhellen.

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Hier ist die typograpliisctte Inszenierung ebenso wichtig wie der Wortlaut, dessen Lautstärke nicht ausreicht, um vergeistigte Umnachtung denunzierend zu erhellen.

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Weiße und schwarze Seiten (oder Seitenteile), Normal-, Kursiv- und Fettdruck, gerade und schiefe Zeilen quer über die Seite, und in eine Tasche des Buchdeckels geschoben die CD-Aufnahme, von Barbara Nüsse gesprochen: er ist' von Elfriede Jeunek, die bildhafte Aufmachung von Klaus Detjen.

Eine bitter-emsthaft höhnende Collage aus Zitaten „unter anderem von Hölderlin, Hegel, Heidegger, Fichte, Kleist und aus den Briefen der RAF von 1973 bis 1977", wie das Impressum verrät. Die Nachbemerkung des Gestalters erinnert an den Ahnherrn der Gattung, Stephane Mailarme, und sein Spätwerk „Un coup de dės jamais n'abolira le hasard" (Ein Würfelwurf wird den Zufall niemals auslöschen): 1897 im „Cos-mopolis" und - posthum - 1914 typographisch radikaler in Buchform erschienen. Viele Ubersetzer haben es in der deutschen Ausgabe weggelassen; trotzdem hat es Schule gemacht (Apollinaire, Futuristen, Dadaisten, Arno Holz und so weiter bis Helmut Heis-senbüttel), aber die satirische Collage von Jelinek erweist sich als eigenständige Bravourleistung.

Ihr Werk läßt sich schwerlich beschreiben, weil es nicht nur als Text gelesen werden will, sondern die sich darin fatal äußernde Innerhchkeit des Deutschtums sichtbar ins Bild setzen und zuletzt mit einer Sprechaufzeichnung gravierend zur Sprache bringen will: Lesebuch als Bilderbuch (ohne Illustrationen) mit Hörspielbegleitung. Weiß auf Schwarz die ersten und die letzten Seiten: „Wir aber! / Deutsche! / Deutsche! / Wir sind wir!" Und am Ende: „Wir schauen / mit offenen / Augen und / suchen immer / nur uns."

Jene Weltkriegstragödie „Die letzten Tage der Menschheit" von Karl Kraus war ein Zitatenschatz aktueller Zeitungs- und Pohtiker-phrasen. Wir sind nicht bei Trost: „Wir sind bei uns." Trostlos, nicht mehr, nicht weniger.

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