Funktionierende Reflexe

Werbung
Werbung
Werbung

Wenn etwas den ORF zusammenhält, dann die Kommunikationsabteilung, ohne deren Segen sich kaum ein Verantwortlicher nach außen wendet. Allenfalls die Twitter-Großmacht des Hauses entzieht sich dieser Kontrolle. Deshalb wird unklar bleiben, wie abgesprochen Ingrid Thurnher ihr jüngstes Interview für den Standard gab. Denn die Radiodirektorin und frühere ORF III-Chefredakteurin hatte schon als Moderatorin von „ZIB 2“ und „Im Zentrum“ die drittgrößte Journalisten-Gefolgschaft nach Armin Wolf und Florian Klenk vom Falter – wenngleich sie weniger agiert als die beiden Alpha-Twitterati. Jedenfalls gingen vom differenzierten Gespräch im Standard vor allem Schlagzeile und Untertitel ins Mark: „FM4-Zukunft als junges Ö3?“ (Thurnher im Text: „Vielleicht wird es das. Das weiß man nicht.“) und „Mehr Wort, weniger Musik auf Ö1“. Die Reaktion der allfällig Betroffenen folgte reflexartig und pointiert: In einem offenen Brief fordern Vertreter von Kunst und Kultur, der ORF müsse „nach öffentlich-rechtlichen und kulturellen statt nach rein marktwirtschaftlichen Kriterien“ handeln. FM4 dürfe kein „Ö3 für die Jungen“ und Ö1 kein „CNN Radio für Arme“ werden. Prompt fühlte sich Generaldirektor Roland Weißmann zu einer wenigstens allgemeinen Bestandsgarantie bemüßigt: „Ö1 und FM4 werden auch weiterhin die breite Plattform für österreichische Kunst und Kultur sein.“ Wenigstens alle Reflexe funktionieren noch. Es ist unerheblich, ob Thurnhers Aussagen unkalkuliert offen oder ein wohlberechneter Testballon waren. Denn der Protest der Kulturschaffenden hat ins Schwarze getroffen: Öffentlich-rechtliche Kriterien sind keine rein marktwirtschaftlichen. Der ORF selbst hat die Diskussion darüber in Schwung gebracht, wie er sich mit 650 Millionen Euro Gebührenfinanzierung unterscheiden muss.

Der Autor ist Medienberater und Politikanalyst.

Zu Ö1 siehe auch Ursula Baatz in „Diesseits von Gut und Böse“.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung