Fußball-WM in Katar: Auf Sand gebaut

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Wirtschaftliche Interessen waren mehr wert als Menschenleben - und sind es bis heute.

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Wirtschaftliche Interessen waren mehr wert als Menschenleben - und sind es bis heute.

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In den Nachrichten lese ich heute das schöne Wort Siebentligist; gemeint ist ein Verein, der im Fußball in der siebten Liga spielt. Ich gebe es bei Google ein und erhalte die Antwort: „Meinten Sie Scientologist?“ Google scheint diesem Wort zu misstrauen. Und Fußball scheint mir irgendwie um ein paar Ligen abgerutscht zu sein - und auch um ein paar Monate. Die diesjährige WM findet im November und Dezember in Katar statt. Es wird ein adventiges Event und es wird ohne meine Wahrnehmung auskommen müssen. Katar ist eine absolute Monarchie, ein Land, das islamistische Terrororganisationen unterstützt, und wie es dort um die Rechte von Frauen steht, brauche ich wohl nicht hinzuzufügen.

Nun bewahrheitet sich das Ansinnen, das FIFA-Präsident Havelange bereits im Jahr 1978 angesichts der Ausrichtung der Fußball-WM unter der Militärdiktatur in Argentinien äußerte: Die FIFA werde in Zukunft nur mehr mit Diktaturen arbeiten, da dort alles besser funktioniere. Der damalige deutsche Nationalspieler Berti Vogts sagte der Presse: „Argentinien ist ein Land, in dem Ordnung herrscht. Ich habe keinen einzigen politischen Gefangenen gesehen.“ Dass unter der Diktatur Videlas eine Deutsche zu Tode gefoltert wurde - sie hieß übrigens Elisabeth Käsemann und war wahrscheinlich nicht das einzige deutsche Todesopfer der Militärs -, hat er übersehen oder übersehen wollen. Wirtschaftliche Interessen waren mehr wert als Menschenleben und sind es bis heute. Unsere Moral ist wie Katar auf Sand gebaut. So war es ja wohl auch all die Jahre, als der Jedermann auf dem Domplatz, also die von der Gazprom finanzierte Aufführung eines viertklassigen Stücks von einem drittklassigen Dramatiker, als Krone der Kultur in unserem Land galt. In Zeiten wie diesen sehen wir klarer. Aber handeln wir auch entsprechend?

Der Autor ist Schriftsteller.

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