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Klestil als Eheberater

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Als Ruhepol inmitten journalistischer Aufgeregtheit wegen in Rom eintrudelnder Meldungen über den Fortgang der Koalitionsverhandlungen in Wien präsentierte sich Bundespräsident Thomas Klestil. Der besonders aktive höchste Repräsentant Österreichs ließ die nach Wortspenden gierenden Medienleute hinein- blicken in sein Unermüdliches Wirken für unser Land. Man gewann den Eindruck, daß Klestil - obwohl in Rom - doch ständig auch in Wien mitmischt. Ein Figaro auf dem Präsidentenstuhl.

Dabei müßte man ihm eigentlich dankbar sein, daß er sich das alltägliche Politgeschäft so zu Herzen nimmt. Er ist damit nicht nur der Staatsnotar oder der moralische Mahner, der über den Dingen schwebt. Klestil scheut sich nicht, Forderungen beim Namen zu nennen. So erklärt er unmißverständlich die Budgetkonsolidierung zum guten Ziel, weil „wir in den letzten Jahrzehnten mehr ausgegeben haben, als wir zur Verfügung hatten“. Gleichzeitig will er aber die scharfen Kanten gegenüber Gewerkschaftsforderungen und Familienanliegen abgeschliffen haben.

Greift Klestil jetzt auch in I Regierungsprogramme ein? V-f Muß er es etwa tun, weil parlamentarische Mehrheiten immer schwieriger zustande zu bringen ~ und Politiker sowieso angeschlagen sind? Wächst dem Staatsoberhaupt durch die allgemeine Parteienverdrossenheit — und sie wird sich nach diesem Koalitionsabkommen und dem Schauspiel, das zu ihm geführt hat, nicht verbessern — jetzt die Rolle zu, die zu spielen er sich ohnehin immer gewünscht hat?

Zweifellos sieht sich Klestil als Stabilitätsfaktor in der schwankenden Parteienlandschaft, als einer, der Ziele nicht nur weitumgreifend oder visionär formuliert, sondern sie auch pragmatisch anpeilt: Klestil als Eheberater der Koalitionspartner.

Will sich das konkrete Staatsoberhaupt tatsächlich als Mediator der Regierung einbringen, wäre er gut beraten, das Ohr dort zu belassen, wo er herkommt: beim Wahlvolk. Stabilität schafft Klestil nicht durch Regierungsambitionen. Er könnte aber durchaus zum Anwalt jener werden, auf deren Rücken Budgetsanierungsprogramme aufgeladen werden.

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