Medien und Journalismus: Zu wenig Selbstreinigung

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Der Autor Peter Plaikner über zu wenig Selbstreflexion in den österreichischen Medien.

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Der Autor Peter Plaikner über zu wenig Selbstreflexion in den österreichischen Medien.

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Ist es die Finanzierung des ORF? Die Politisierung seiner Organe? Die Digitalisierung des Rundfunks? Die Subventionierung seiner Mitbewerber? Die Medienbranche hätte auch ohne Pandemie, nahem Krieg und Teuerung multiple Probleme. Die Darstellung dieser Herausforderungen wirkt meistens so, als wären sie vor allem Fragen von Geschäftsmodell, Management, Technologie und Förderung. Das gilt sogar für den APA/OGM-Vertrauensindex, in dem „Medien, Verlage“ stabil auf dem vorletzten Platz liegen; 2021 nur vor den Versicherungen, heuer bloß vor der Regierung.

Diese Alarmstufe Rot wird lapidar gemeldet – vorzugsweise mit dem besorgten Hinweis, wie weit die Politik abgestürzt ist. Es wirkt, als würde jener Journalismus sich nicht betroffen fühlen, der das öffentliche Bild von „Medien, Verlagen“ entscheidend prägt. Er unterwirft sich dem technologisch-ökonomischen Tempodiktat, das ihn entkernt. In einer Phase, die unbedingt Muße zur Selbstreflexion erfordert, fehlt so die Zeit dafür. Bespiegelung mit Politik ist kein Ersatz.

Diese Fixierung aufeinander bremst nicht den Sog in die Tiefe. Ohne die geistige Gemeinschaftswährung Vertrauen sind herkömmliche Zeitungen und Sender dem Untergang geweiht. Wem es misslingt, den Unterschied von Redaktionen zu Social Media klarzumachen, der wird nicht mehr gebraucht. Journalismus muss sein Wesen vermitteln und unverwechselbar sein. Die jüngsten Fehlleistungen in der Suizidberichterstattung über eine Ärztin und einen Politiker sind allerdings kontraproduktiv unverwechselbar. Sie verstärken alle Vorurteile zu Medien und Journalismus. Es mögen nur Einzelne gegen die Regeln verstoßen haben. Doch wenn Branche und Metier sich nicht klar distanzieren, gehören sie dazu. Finanzierung? Politisierung? Subventionierung? Digitalisierung? Nein. Selbstreinigung ist die größte Herausforderung von Medien und Journalismus.

Der Autor ist Medienberater und Politikanalyst.

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