Neue Kur für alten Kurort

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Was assoziieren wir mit dem Kurort Bad Ischl, der 2024 ­Europäische Kulturhauptstadt wird? Einen Kaiser, den es so nie gegeben hat; eine Burgschauspielerin, mit der er befreundet war; ­einen Konditor, der durch seinen Stollen berühmt wurde; nostalgische Operetten, die auch frech und frivol sein könnten. Damit soll nun Schluss gemacht werden. Glücklicherweise lassen sich Märchen nicht zerstören, sie können aber durch wiederentdeckte Fakten neu erzählt werden. Eine tiefergehende historische Aufarbeitung gab es noch kaum. Die Historikerin Marie-Theres Arnbom hat mit ihrem Buch über die Geschichte der Villen eine tolle Vorarbeit geleistet. So manches könnte jetzt aufgearbeitet und neu gedacht werden. Die Erinnerung etwa an die zahlreichen, vorwiegend jüdischen Großbürger und Künstler, die das Ortsbild geprägt haben. Es waren durchwegs Städter, die man nicht besonders mochte, die jedoch viel Geld investierten. So ist man heute noch stolz darauf, dass zu den Kurgästen einst Johann Strauß zählte oder dass sich Giacomo Meyerbeer wie ein König auf einem Sessel durch den Ort tragen ließ und dass Arthur Schnitzler ein Pionier des boomenden Fahrradsports war und die Aufführung seiner Stücke im nahen Gmunden besuchte. Vielleicht erinnert man sich auch, dass die Villa Schratt nicht nur von der Schauspielerin „Kathi“, sondern auch von dem beliebten Kabarettisten und Librettisten der Operette „Das Land des Lächelns“ Fritz Löhner-­Beda bewohnt wurde, der mit seiner Familie von den Nazis ermordet wurde? Bad Ischl ist einer der spannendsten Orte unserer Geschichte, die man dort nur allzu gerne verkitscht und sentimental erzählt. Man vergisst dabei, dass Märchen oft so grausam sind wie das wirkliche Leben. Als Kulturhauptstadt hat man nun die einzigartige Chance, einen neuen Blick auf diesen traditionsreichen Ort zu richten.

Der Autor ist freier Journalist

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