Unter den 151 Staaten, denen Amnesty International im 632 Seiten dicken Jahresbericht 1994 Menschenrechtsverletzungen vorwirft, kommt auf zwei Seiten auch Österreich vor. Das ist einerseits bedauerlich, andererseits gut. Bedauerlich, weil nachgewiesen wird, daß es auch in einem demokratischen Bechtsstaat zu menschenunwürdigen Behördenübergriffen und Fehlhaltungen kommen kann. Gut, weil mit dem Aufzeigen solcher Vorkommnisse der staatlich ausgeübten Gewalt auf die Finger geklopft wird. Damit können Mißstände beseitigt und Pflichtvergessene zur Verantwortung gezogen werden.
Franz Löschnak wehrt sich zu Becht gegen den Eindruck, daß deshalb Osterreich mit jenen Ländern auf eine Stufe gestellt werden könne, in denen Menschenrechte stündlich und minütlich mit Füßen getreten werden. Wo Hinrichtungen, Folter, Mißhandlung und Vergewaltigung auf der Tagesordnung stehen, wo Menschen verschwinden oder aus politischen Gründen und ohne ordentliche Verfahren eingekerkert werden. Weder qualitativ noch quantitativ ist das alles mit den Vorfällen hierzulande über einen Leisten zu schlagen.
Wer Menschenrechte verletzt, verletzt die Menschenwürde. Und das gehört den politischen Mächthabern, die sie mit Füßen treten, permanent und hartnäckig vorgehalten. Nicht die Schinder und Massakrierer, sondern die Geschundenen und Massakrierten haben Anspruch auf Bücksichtnahme.
Anders als in Österreich wurde dem chinesischen Ministerpräsidenten Li Peng in Deutschland die Konfrontation mit dem Protest freier Bürger nicht erspart. Es geht also auch nachweislich anders. Li Peng war darüber zwar ungeheuer verärgert, aber darunter hat wiederum das Geschäft nicht gelitten.
Nichts anderes wäre in Österreich passiert. Das „große" Geschäft mit China, für das ja voran einmal die Bürger dieser Bepublik mit einem günstigen Kredit geradestehen, hätte Li Peng auch dann nicht zurückgewiesen, wenn ihm diese aufrechten Bürger ihre Transparente vor Augen gehalten hätten. Mit Sicherheit hätte das nicht seine Sicherheit bedroht. Nur seine Selbstsicherheit.