Verkannte Umfragen

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Peter Plaikner über den Einfluss von Meinungsumfragen auf Wahlergebnisse und politische Bildungsaufgaben der Medien.

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Peter Plaikner über den Einfluss von Meinungsumfragen auf Wahlergebnisse und politische Bildungsaufgaben der Medien.

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Laschet macht den Schröder und stellt als Zweiter den Kanzleranspruch. Doch Scholz hat die SPD knapp vor der Union in den Deutschen Bundestag gebracht. Wie seit Wochen vorhergesagt. Denn im September suggerierten 32 Meinungsumfragen in allen wichtigen Tagesmedien dieses Ergebnis. Dass es so gekommen ist, enthebt Auftraggeber und -nehmer aber nicht der Diskussion um ihr Tun. Nein, sie haben nicht behauptet, dass es Prognosen waren, sondern Momentaufnahmen.

Nein, sie haben nie Schwankungsbreiten unterschlagen, die auch das umgekehrte Ergebnis zuließen. Nein, sie haben selten vergessen, auf die zuletzt noch 30 Prozent Unentschlossenen zu verweisen. Doch sie haben gewusst, dass der Großteil der Empfänger diese Botschaften als Vorhersage auffasst. Doch sie haben in Kauf genommen, dass diese Nachrichten auch das Abstimmverhalten beeinflussen.

Doch sie haben sich zum Mitspieler einer Wahl gemacht, deren qualifizierteste Vermittler sie sind. Diese Rolle und Wechselwirkung mit dem Ergebnis weisen Meinungsforscher wie Medienmacher von sich. Parteien protestieren nicht, weil sie selbst versuchen, Stimmungen per Publikation von Umfragen zu verändern. Das Publikum wehrt sich nicht, weil es Wettläufe liebt. Es profitieren also alle.

Der wirklich eigenen Meinungsbildung ist das überbordende Interesse am Denken der Mehrheit allerdings nicht zuträglich. Wie die totale Personalisierung geht es auf Kosten der Sachlichkeit. Doch beide Entwicklungen wirken so unumkehrbar wie die vollkommene Vereinnahmung der Politik durch die Medien. Um damit der Demokratiequalität nicht nachhaltig zu schaden, benötigte es viel mehr Transparenz und Aufklärung. Das ist eine politische Bildungsaufgabe der Medien und sollte ein Teil des demoskopischen und journalistischen Ehrenkodex sein.

Der Autor ist Medienberater und Politikanalyst.

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