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Die Biografie von Hans Davidsohn, der sich als Dichter Jakob van Hoddis nannte, ist eine der traurigsten Biografien überhaupt. Mit Anfang zwanzig machte sich eine schwere Psychose bei ihm bemerkbar. Als seine Familie vor den Nationalsozialisten flüchten musste, war er nicht mehr ansprechbar und wurde von seiner Mutter und seinen Schwestern in Deutschland zurückgelassen. Er wurde deportiert und wahrscheinlich in Sobibor ermordet. Niemand weiß wo. Genaues Todesdatum unbekannt.

Aus den wenigen Gedichten, die er unter anderem für den Sturm und die Aktion schrieb, ist eines berühmt geworden, ja, es gilt als programmatisches Gedicht des Expressionismus und führt als solches auch die berühmte Anthologie expressionistischer Lyrik „Menschheitsdämmerung“ von Kurt Pinthus an. Zurecht. Denn dieses Gedicht, mit dem Titel „Weltende“, vereint die Untergangsstimmung seiner Zeit mit ihrem punkigen Formsinn und einem Humor, der sich zwischen rosa und schwarz nicht einordnen lässt. In diesen Monaten können wir mit „Weltende“ wieder viel anfangen und mit der Zeile „Die meisten Menschen haben einen Schnupfen“ vielleicht noch mehr als die zeitgenössischen Leser.

Gäbe es noch Subkulturen, müssten Expressionismus und sein popkultureller Wiedergänger Punk heute und jetzt auferstehen. Beide Strömungen waren in der Stimmung ihrer Zeit verankert. Und beide waren bald nach ihrem Entstehen den Stilkopierern und dem Kommerz überlassen. In den 1980er-Jahren wurde in der Carnaby Street in London der folgende Zweizeiler auf T-Shirts, Suppentellern, Bettwäsche und vielem mehr verkauft: Gott ist tot. (Nietzsche) – Nietzsche ist tot. (Gott). Ich warte auf die österreichische Kopie (vielleicht auf FFP-Masken?): Die Pandemie ist vorbei. (Kurz) – Kurz ist vorbei. (Die Pandemie).

Der Autor ist Schriftsteller

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