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Zusätzlicher liberaler Antriebsmotor

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Daß niemand von der ÖVP am Wahlsonntag etwas zu lachen hatte, kann man nicht sagen. Einer durfte still in sich hineinlächeln: Erhard Busek. Die Präsidenten der Wirtschaftskammern durften sich dazu gratulieren, daß sie im Windschatten der Nationalratswahl die gesetzliche Mitgliedschaft gerettet hatten. Der Best ist dies: ausgebaute SP-Mehrheit, heillos zerschlagenes Vertrauensporzellan, Kellersturz der hochgespannten VP-Funk-tionärserwartungen. Einer zog noch in der Wahlnacht Konsequenzen: Steirer-Hut ab vor Josef Krainer! Einer bleibt: Wolfgang Schüssel. Vorläufig. Aber wie man die Partei kennt...

Die ÖVP mußte ihm das Vertrauen aussprechen. Sie hat ja keinen Ersatz. Auch ist ihm die Wahlkampftaktik nicht anzulasten. Er konnte nicht anders: Ohne Festlegung gegen die FPÖ liefen ihm Haider-Gegner davon, mit Festlegung wären ihm Sozifresser davongelaufen. Das war sein unlösbares Problem. Aber das hätte er ebenso voraussehen müssen wie die „Angstparole" mit den Pensionen. Die allein war es aber wohl auch nicht. Der Wählerzorn über den als mutwillig empfundenen Absprung wurde unterschätzt. Und der nunmehrige Wählerauftrag ist klar: weiter Große Koalition mit sozial temperiertem Sparkurs.

Vranitzky fuhr einen unverdient hohen Sieg ein. Seine Beschönigung der Budgetprobleme war schlimm. In Sachfragen hatten sicher Schüssel und Ditz mehr recht. Ein gestärkter Kanzler muß jetzt Großmut zeigen, aber auch deutlichen Beformwillen, der ein Mitmachen der ÖVP nicht zur Demütigung macht.

Daß Haiders Siegeslauf gestoppt werden konnte, ist die wirklich gute Nachricht vom Wahltag. Sie sollte Besinnung in der FPÖ, aber auch bei den übrigen Parteien auslösen. Die Zukunft muß ohne Hysterie gemeistert werden. Dazu gehört eine Koalition mit mehr, nicht weniger Spielraum im Parlament. Irgendetwas Neues muß der alte neue Kanzler nun aus dem Hut zaubern. Es könnte eine Verkleinerung des Kabinetts, da und dort ein Bessorttausch oder ein neues Gesicht und, warum nicht, ein zusätzlicher liberaler Antriebsmotor in der Koalition sein.

Und die Zeitungen? Sie haben mit der phantasielosen Kultfrage nach Koalitionsformen viele Debatten sterilisiert. Und wäre es nach ihnen gegangen, wäre Schüssel K. 0.-Sieger geworden und der Gottseibeiuns Haider läge zermalmt am Boden. Grenzen der Medienmacht wurden wieder einmal manifest: die gute Nachricht!

So haben viele Menschen in diesen Tagen darüber nachzusinnen, daß auch Ochs und Esel im Stall von Bethlehem ihre Bolle hatten.

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