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Fememorde an Katholiken?

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Die Kirchenverfolgung in der CSSR hat sich in den letzten Wochen und Monaten dramatisch verschärft und steuert einem neuen Höhepunkt zu. Es gibt Hinweise, daß spezielle Kommandos der Geheimpolizei — vielleicht sogar auf eigene Faust und ohne Dek- kung durch das Prager Innenministerium — Fememorde an katholischen Aktivisten verüben.

Der letzte Fall, der unter den Katholiken in der CSSR sich langsam herumgesprochen hat und Angst und Entsetzen verbreitete, ereignete sich vor rund vier

Wochen. Auf dem Boden der 138 Meter tiefen Macocha-Schlucht unweit von Brünn wurde die Leiche des 22jährigen Pavel Svejda gefunden.

Svejda war ein bekanntes Mi- glied der „Katakombenkirche“, also jener katholischen Christen, die zur Ausübung ihrer religiösen Tätigkeit sich auf Berghütten oder in zuvor geheim verabredeten Wohnungen treffen. Dort wird gebetet, eine Abendmahlsfeier gehalten, Bibel oder theologische Literatur gelesen.

Das Merkwürdige am Tod Svej- das: er lebte in geordneten Familienverhältnissen, sollte in zwei Wochen heiraten und galt als lebenslustiger Mensch. Ein Selbstmord ist daher mit hoher Wahrscheinlichkeit auszuschließen. Zwei Tage vor seinem Tod kehrte er übrigens von einer Reise aus dem westlichen Ausland zurück, die ihn unter anderem auch nach Rom und in den Vatikan geführt hatte.

Unter Brünner Katholiken geht hartnäckig das Gerücht herum, Svejda sei von einem Kommando der Geheimpolizei in die Schlucht gestoßen worden.

Weiter zurück liegt der rätselhafte Tod des 49jährigen Diplomingenieurs Premysl Coufal, der airi 26. Februar dieses Jahres in seiner Wohnung in Bratislava, Zubekova 21, tot aufgefunden wurde.

Coufal war Spezialist für Bauphysik und ein anerkannter Wissenschaftler. Allerdings war er auch im geheimen ein Jesuit. Durch einen Polizeispitzel wurde dies bekannt, worauf er überwacht, seine Wohnung in seiner Abwesenheit schließlich mehrmals durchsucht und er schließlich von der Polizei zur Mitarbeit gezwungen wurde.

Amtlich wurde sein Tod als Selbstmord bezeichnet. Ärzte in Bratislava (deren Namen die FURCHE aus Sicherheitsgründen aber nicht nennen’ kann) halten dies für nicht erwiesen. Bei der Öffnung des Sarges, kurz vor dem Begräbnis, wurden am Leichnam ein eingerissenes Ohr, hinter dem Ohr eine Wunde und Rißquetschwunden auf der Stirn und über der Nasenwurzel gesehen. Diese Verletzungen sind bei einem

Selbstmord praktisch auszuschließen.

Auf einen Fememord deutet auch hin, daß Coufal mehrmals seinen Freunden angedeutet hatte, wenn ihm etwas „passiere“, dann sei daran die Polizei schuld.

Obwohl die Wohnung nach dem angeblichen „Selbstmord“ Cou- fals versiegelt wurde, beobachteten Nachbarn in der Nacht nach der Tat Licht in der Wohnung Coufals und sich bewegende Schatten. Nur die Polizei, so meinen die Katholiken, könnte ungestraft eine versiegelte Wohnungstür aufbrechen.

Diese beiden Fememorde — so sie es sind - würden sich nahtlos in das Bild der immer schärferen Kirchenverfolgung in der CSSR einpassen. Dafür einige Beispiele aus letzter Zeit, die die FURCHE exklusiv für Österreich aus der CSSR zugespielt bekam:

• Am Dienstag, dem 27. Oktober, rückten 45 Polizisten und weibliche Hilfskräfte in acht Wagen, begleitet von scharfen Hunden, vor dem Kloster Kadan (Nordwestböhmen) an und stürmten es — wie weiland zu Beginn des 15. Jahrhunderts die Hussiten.

Im Kloster ist derzeit ein Caritasheim untergebracht, das Or-

densschwestem (Durchschnittsalter 70 Jahre) beherbergt. Bis in die späten Abendstunden durchstöberten die Polizisten den Klosterkomplex - von der Krypta bis zum Kirchturm. Am nächsten Tag kamen sie noch einmal.

Ausbeute der großangelegten Aktion: 18 Breviere, 80 Meßbücher, einige Heiligen-Viten. Beschlagnahmt wurden ferner 14 Schreibmaschinen und Vervielfältigungsapparate, wiewohl sie amtlich registriert und somit ordnungsgemäßer Besitz des Klosters waren.

Die Polizei erklärte die Aktion damit, daß die Ordensschwestern widerrechtlich sechs flüchtige Polen beherbergt und einen „Geheimsender“ versteckt gehalten hätten.

• Ebenfalls Ende Oktober wurde auch in einem Kloster unweit von Zdar nad Sazavou (Ostböhmen) eine Polizei-Razzia mit Hunden durchgeführt. Den 110 dort lebenden pensionierten Priestern und den sie betreuenden Ordensschwestern wurden Meßbücher und einige in Rom herausgegebene Schriften — sowie einige Flaschen Schnaps abgenommen.

• In Dutzenden Pfarren in Nordböhmen und in Mähren wurden von der Polizei im Oktober und in der ersten Novemberhälfte Hausdurchsuchungen durchgeführt. Zweck dieser Aktion und der Razzien in den Klöstern dürfte es sein, noch etwa bestehende „Geheimdruckereien“ für religiöses Schrifttum zu entdecken und auszuheben.

Personen, die eine solche Geheimdruckerei betrieben hatten, wurden Ende September zu mehrjährigen Kerkerstrafen verurteilt.

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