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Digital In Arbeit

Fernsehen: Chance und kein N ervengas

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Vor der publizistischen Kommission der europäischen Bischofskonferenzen hielt der ORF-Generalintendant ein Referat, das viel erörtert wurde. Wir zitieren gekürzt daraus.

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Vor der publizistischen Kommission der europäischen Bischofskonferenzen hielt der ORF-Generalintendant ein Referat, das viel erörtert wurde. Wir zitieren gekürzt daraus.

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Mit Sicherheit wird für die Printmedien auch in den achtziger Jahren gelten, was schon in den Sechzigern und Siebzigern gegolten hat: daß die Unkenrufe jeglicher Grundlage entbehren, wonach im Femsehzeitalter weniger gelesen werden würde. Das Fernsehen als Nervengas der Medienlandschaft, das alle Konkurrenten liquidiert, ist nie Realität, sondern immer nur Zwangsvorstel-

lung von linken Zivilisationsmüden und rechten Kulturpessimisten gewesen.

Ganz im Gegenteil: Nie zuvor wurde mehr gelesen als im Femsehzeitalter, nie zuvor gab es vergleichbare Zeitungs- und Bücherauflagen, keine Rede vom „Untergang der Lesekultur“ und vom „Ende des Buchzeitalters“.

Die Printmedien werden die zwei großen Entwicklungslinien der letzten Jahrzehnte noch konsequenter verfolgen: einerseits breiteste Massenblätter, die oft viel mehr der Unterhaltung als der Information dienen, andererseits Spezialisierung auf Zielgruppen.

Unter den neuen Medien wird man für die Bedürfnisse der kirchlichen Verkündigungsstra-

tegien in erster Linie wohl die Kabelsysteme nennen müssen. Massenhafte Verbreitung sehe ich aber weder für kirchliche Spezialkanäle noch für die — allerdings nur in Soziologenseminaren—viel zitierten open channels; nirgendwo sind letztere zu einem Erfolg geworden, das Entzücken darüber beschränkt sich auf die Selbstdarsteller.

• Bei Bildplatte und Videokassette sind die enorme Kapitalintensität und der Unterhaltungscharakter dieser Branche besonders zu beachten. Kassette und Bildplatte werden aber im Medienverbund eine wichtige Rolle spielen.

• Videotext ist zwar kein neues Medium, aber ein hervorragender Service; zudem billig, weil er bekanntlich auf der Austastlücke des normalen Fern sehprogram- mes transportiert wird.

• Bildschirmtext dagegen — jener Dienst, der im Verein von Datenbanken, Telefon- und Fernsehgerät zustande kommt — ist nicht unter die Massenmedien einzureihen, kann aber möglicherweise im Rahmen kirchlicher Strategien Spezialaufgaben leisten.

• Der Direktsatellit bietet der Kirche erstmals Möglichkeiten, die sie bisher nur beim Radio über die Kurzwelle hat, auch im Fern sehen zu verwirklichen. Ich kann mir schwer vorstellen, daß Radio Vatikan in der Informationsgesellschaft des angehenden dritten Jahrtausends auf Satelliten- Femsehen verzichtet…

Der richtige Gebrauch der Massenmedien ist ein Teil unserer Selbstverantwortung; würde sie stärker wahrgenommen, wären auch die Massenmedien besser. Das Kind vor dem Fernsehschirm ist erst in zweiter Linie ein mediales Problem, in erster Linie wird hier über die Tauglichkeit des Elternhauses befunden.

Mein Ausflug in die Berufsmoral drängt sich auf, weil wir Medienleute ein Instrumentarium an die Hand bekommen, das unsere Verantwortung ins schier Unerträgliche steigert.

Wenn heute soviel von der Verantwortung des Journalisten die Rede ist, dann sicherlich, weil man sie so oft vergißt. Unerklärlich ist es freilich nicht, daß gerade dieser Berufsstand mit seiner Zeit aus dem Leim gegangen ist. Vor zwei Jahrzehnten noch undenkbar, ist es Journalistenmode geworden, der Objektivität, der Sachlichkeit überhaupt, jede Lebensberechtigung abzusprechen.

Wenngleich die Objektivität richtigerweise als eine nie ganz erfüllbare Forderung galt, hat sich anständiger Journalismus generationenlang bemüht, sie als beruflichen Haltungsversuch positiv einzunehmen.

Es herrscht Informationsnotstand, wenn man gar nicht mehr erfährt, was die jeweils Verantwortlichen gesagt oder getan haben, sondern wenn man nur noch erfährt, was der Redakteur darüber denkt. Der Kampf gegen die Objektivität ist Ideologie: Abbau alles Glaubhaften.

Die Verkündigung der christlichen Botschaft über Massenmedien wird in Zukunft noch schwieriger sein. Der massenmediale Lärm wird apokalyptische

Ausmaße annehmen, die eigene Stimme wird immer schwerer zu hören sein, die Versuchungen medialer Eitelkeit und Anbiederung werden immer drängender werden, die Verwechslung von Verkündigung mit Reklame bzw. umgekehrt wird sich immer öfter einstellen.

Meine Ratschläge:

Schon die bestehende, vielmehr aber noch die kommende Medienlandschaft bedarf der Fachleute, von denen übrigens „Communio et Progressio“ ausdrücklich spricht; man muß sich genau auskennen.

Die Auftraggeber sind jetzt Bischofskonferenzen und ähnliche Institutionen, die Fachleute werden von den Laien gestellt, die sich ihrerseits wieder geeigneter Kleriker bedienen. Das ist nicht nur angesichts meiner zugegebenen Vorliebe für die sogenannte Amtskirche, sondern aus mehreren anderen Gründen problematisch.

Einmal wedelt hier der Schwanz mit dem Hund. Und zum anderen kann sich keine große Institution den Luxus erlauben, lebenswichtige Fragen statt vom eigenen Spitzenmanagement von der Kundschaft entscheiden zu lassen…

Bei aller Wertschätzung für den deutschsprachigen Kirchenfunk befaßt er sich nach meinem Dafürhalten in zu großem Ausmaß mit simpler Lebenshilfe. Aber eben nicht mit einer Lebenshilfe, die über das Irdische hinausprojiziert, sondern die man von den einschlägigen Referaten politischer Parteien, der Volksfürsorge, der Mütterberatung usw. fast wortgleich beziehen kann.

Ich halte es für eine Uber lebensfrage, autonome, gottbezogene Positionen einzunehmen, die freilich vom Vermittler sehr rare Eigenschaften verlangen: Er muß mehr glauben und mehr wissen als sein Publikum.

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