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Fest 81

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Auf einmal war die Idee da, die Gremien haben sie mit gebührendem Ernst behandelt, und der Diözesanrat hat es beschlossen: 1981 soll es ein Fest der steirischen Katholiken geben, einen Katholikentag neuer Art. Die Begeisterung für Katholikentage ist manches Mal eher gedämpft. Und gelernte Seelsorger überschlagen innerlich, was da wohl wieder an Arbeit und Sitzungen auf sie zukäme. Andere meinen, daß es zum Feste-Feiern noch eine gute Weüe habe. Denn die Dinge stünden nicht allseits zum besten. Die einen sehen Resignation, die anderen Glaubensabfall, die dritten steckengebliebene Reformen.und den vierten ist sowieso alles egal. Soll ein Fest gefeiert werden, so wie eine Firma Jubiläum feiert, obwohl ein paar Eingeweihte wissen, daß die roten Zahlen dominieren?

Nun, die Steirer waren immer schon ein eigenes Volk. Das behaupten zumindest die Steirer. Und diese Visitenkarte wird liebevoll aufbewahrt, hergezeigt und nachgedruckt. Sie möchten diesen Ruhm nicht gern einem anderen Bundesland gönnen. Und die Kirchenleute in diesem Land waren auch schon immer ein wenig eigen. Mit gemäßigtem Wohlwollen oder Kopfschütteln betrachtet In Wirklichkeit ist das gar nicht so wüd, obwohl die Steirer das wüde Volk hinter den Bergen genannt werden. Aber sie halten das aus. Jedenfalls teilen die Katholiken dieses Landes redlich die Sorgen, Verlegenheiten und Munterkeiten, die sich durch die ganze Kirche hindurchziehen. Vielleicht reden sie nur ein bißchen lauter davon. Und so registrieren sie sehr wohl, daß viele Leute glänzend ohne Kirche auskommen und daß die Austrittsziffern einem angst und bang machen können.

Und dennoch soll ein Fest gefeiert werden.

In der ersten schriftlichen Begründung für diesen Gedanken hieß es, daß

die Zeit „reif wäre. Das kann man schwer abschätzen. Aber ein Bauer schaut auch nicht auf den Kalender, wann er ernten müßte, sondern er sieht's, wenn er vor seinem Felde steht und die Körner durch die Finger gleiten läßt.

Und es dürfte tatsächlich einiges reif geworden sein. Zum Beispiel: Die Kirche wird wieder gemocht. Die fleißig betriebene Demontage der Kirche mit grimmig vorgebrachten Sprüchen über „Amtskirche“, mit falsch verstandener Demokratisierung, mit dem Unmöglich-Machen des Priesters klappert zwar mitunter noch laut, aber jeder spürt, daß diese Mühle nichts mehr Rechtes produziert, schon gar nicht nahrhaftes Mehl. Daß es besser geworden ist - dazu kann man einiges tun: und es ist sicher auch getan worden. Aber letzten Endes entziehen sich diese Ströme menschlicher Steuerung. Und dort dürfte auch ein zweiter Grund hegen: In der Kirche wird die Tugend der Dankbarkeit wieder entdeckt. Wenn es nämlich mit Händen greifbar ist - und das geschieht sehr oft -, daß wir viel tun können, daß aber das Leben des Geistes seine eigene Keimkraft hat. Man kann wieder von Gnade reden.

Und schließlich „getrauen sich die Katholiken wieder, von einer handfesten Zukunft zu sprechen. Nicht von einer Zukunft, die allein nach Gesetzen des Menschen gebaut ist. Von diesem Paradies auf Erden sind wir doch ziemlich geheut, seitdem das Knattern der Maschinenpistolen in Rom und anderswo die letzte Weisheit der unbarmherzigen Weltverbesserer war. Die Katholiken getrauen sich wieder, von Zukunft zu reden, in der sie eine dichte, vitale, geduldige und vor allem äußerst erkennbare Kirche erhoffen.

Ein Symptom: Wie zu Zeiten eines Kaiser Josef II. belächelt, aber ebenso unaustilgbar, gibt es seit neuestem Wallfahrten mit ungeahnter Vitalität und Festlichkeit. Ach, dieses unaus-schöpfbare, unplanbare und doch so herzlich warme Geheimnis der Kirche! Es verdient wirklich ein Fest!

Der Plane sind wenige, und es sollen gar nicht viel mehr werden. Sie sollen sich nicht auf die Phantasie der Pfarren, Gemeinschaften und Gruppen drauflegen und sie ersticken. So ist bloß die Rede davon, daß aller Orten in einer lebendigen Analyse entdeckt werden soll, wie die Menschen leben. Nicht mit dissertationsreifen Untersuchungen. Sondern dem konkreten Menschen ins Auge blickend. Die Wunde sehend. Die kleine Hoffnung erspürend.

Und dafür müssen sich die Katholiken, die Pfarren, die Gruppen fragen, ob sie eine tragfähige Antwort sind. Diese gültige Antwort ist dann vorhanden, wenn man die Berufung liebt. Die Berufung, die in der Taufe und in der Firmung für jeden gegeben ist. Und für die es wiederum die Berufung zum Priester und zum Ordensstand geben muß. So wie die Kirche das verstand und versteht. Obwohl es nicht in die Welt hineinpaßt. So wenig wie Jesus nach Nazaret und Paulus nach Athen. Wir wissen wohl, daß die Sache mit der Berufung schwer greifbar und nicht fertigzudenken ist. Aber gerade das macht sie so schön.

Und die Antwort wird dann tragfähig sein, wenn die Gemeinschaften deutlicher davon geprägt sind, daß dort der Geist Gottes ist, wo schon zwei oder drei im Namen des Herrn zusammenkommen. Wenn die Messe nicht wieder Routine wird. Wenn die Leute miteinander beten, Bibel lesen, in liebender Sorge über das Leben nachdenken. Wenn man einfach die ganze Kirche will.

Und die Antwort wird dann tragfähig sein, wenn die Christen wieder entdecken, daß sie nicht zu einem Leben bestimmt sind, das gleichförmig ist mit der Welt Daß sie mitunter gegen Sturm und Wellen rudern müssen. Daß die stillschweigende Abschaffung des 6. Gebotes keine Befreiung gebracht hat. Daß die Buße notwendig ist, wenn man Zukunft haben will. Daß wir viele Schutzhüllen der Gesetze verloren haben und um so mehr die Moral der Nachfolge Christi zu leben haben. Daß wir einfach dazu bestellt sind, uns zu plagen, anders zu leben.

Um eine dreijährige Erneuerung der Diözese geht es. Ob sie den langen Atem haben wird? Ob sie genügend Phantasie haben wird? Ob sie die notwendige Ehrlichkeit haben wird? Ich weiß es nicht, aber ich vertraue darauf, daß der Heilige Geist sich auch mit unserer Bequemlichkeit und Schlauheit nicht auslöschen läßt.

Dann könnte doch ein Fest gefeiert werden. Ein Fest, auf das wir uns drei Jahre lang rüsten. Ein Fest gegen niemand. Ein Fest des Aufätmens. Ein Fest der Kirche. Eine festliche Kirche. Ein kirchliches Fest. Ein Fest auf Zukunft. Ein Fest für dieses Land.

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