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Fest der Freude

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An jedem ersten Freitag im März laden Frauen weltweit — in rund 180 Ländern — zum gemeinsamen Gebet ein, zu einem Gebet, das sie über die Landesund Kirchengrenzen hinaus verbindet:

Die Frau aus Jamaika und die Frau aus Finnland, die Frau aus Südafrika und die Frau aus Indien, die katholische, evangelische, orthodoxe Frau treffen sich unter dem Kreuz, wenn es im Gebetstext heißt: „Nur unter dem Zeichen Christi konnten Juden und Heiden, Sklaven und Freie, Männer und Frauen in einer solchen Gemeinde versammelt werden.” Können Sie sich vorstellen, liebe/r Leser/in, daß in einer so zerrissenen Welt wie der unseren ökumenische christliche Gemeinden von Datumsgrenze zu Datumsgrenze die gleichen Inhalte - nur sprachlich angepaßt - vor Gott bringen? Können Sie sich vorstellen, daß Frauen predigen und Männer zuhören...?

Das Besondere dieser heute größten von Laien getragenen Gebetsbewegung an der Basis ist, daß sie ganz am Anfang der christlichen Urgemeinde ansetzt: Beten und Handeln; den Menschen in seiner von Gott gegebenen Ganzheit als Seele und Leib sehen. Vielleicht gehört es zum frauenspezifischen Ausdruck der Frömmigkeit, Leidende an der Hand zu nehmen...

So hat angesichts der großen Not der Einwanderer und der Opfer des Bürgerkriegs die resolute Presbyterianerin in New York, Mary Ellen James (die wir heute rückblickend als die Initiatorin des Weltgebetstags bezeichnen), 1887 zum gemeinsamen Gebet und zum Handeln für die Bedürftigen aufgerufen. Das Grundmuster ist bis heute das gleiche geblieben: Betende Gemeinden setzen sich durch ihr Opfer ein für Menschen in Not; und das geht kreuz und quer über den Erdball: österreichische Gruppen stellen heuer Frauen in Thailand, Indien, Jamaika in den Mittelpunkt ihrer — tätigen - Fürbitte. Thailändische Frauen opfern auch für Notleidende in Europa. Es geht um Menschen, um die „von der Landstraße”, „von den Hecken und Zäunen”, um im Bild des großen Gastmahls aus dem Lukasevangelium (dem heurigen zentralen Text) zu bleiben - und die gibt es überall. Diese möchte die weltweite betende Gemeinde hereinholen an die Festtafel des Herrn.

Unzählige Bilder tanzender, singender, hör- und schau-seliger Menschen drängen sich beim Gedanken an „Fest” auf. Leben im wärmenden Vertrauen auf Gott ist Fest! Aber stimmen die Bilder? - Hinter dem lockeren Tanzen und Singen verbirgt sich die große Mühe des Lernens. Hinter der Vision von der jubilierenden Festgemeinde verbergen sich die vielen kleinen Schritte — und Rückschritte -, die notwendig waren und sind, um glaubensmäßig einheitliche Gruppen zu öffnen und in Bewegung zu bringen, damit Grenzen zwischen christlichen Glaubensvorstellungen überwunden werden.

Nur. wer sich auf den Weg zur Gemeinsamkeit eingelassen hat, weiß, wieviel Geduld, gegenseitiges Ertragen und Hoffen auf die schöpferische Kraft Gottes aufgebracht werden müssen, wie oft gewachsene Traditionen sich als Barrieren erweisen, wie schwierig es ist, das selbsterfahrene Wort Gottes in die Lebenswirklichkeit der anderen zu übertragen. Viele Frauen in Österreich und in allen Teilen der Welt sind auf diesem Weg... Das gemeinsame Ziel ist, „daß der Weltgebetstag immer mehr ein Fest der Freude für alle werden könnte, ein Vorgeschmack der neuen Gemeinschaft in (fhristus, die alle Unterschiede überwindet”.

Der zitierte Satz fiel bei der Vollversammlung 1986 der Welt-gebetstagsbewegung in Stony Point unweit von New York. Frauen aus vielen Ländern kamen dort zusammen, um gemeinsam die Schritte für die nächsten Jahre zu planen:

• Wer schreibt die Gebetsordnungen? — Üblicherweise werden die Texte über die von der Vollversammlung ausgewählten Themen von Frauen eines Landes oder einer Kulturgemeinschaft verfaßt.

• Wer trägt die letzte Verantwortung als Präsidentin für die nächsten vier Jahre?

• Welche Frauen bringen die Anliegen der großen Kulturräume ins Plenum und geben die Impulse von dort nach Hause weiter? Sie machen es erst möglich, daß der ständige Informationsfluß zwischen den Frauen an der Basis hin- und hergeht.

Nirgends aber ist die Vielfalt der Frauen so eindrücklich zu erkennen, als wenn die Vertreterinnen der Länder und Regionen in ihren schmetterlingsbunten Landestrachten zum Gottesdienst zusammenströmen und vielsprachig in Dank und Lobpreis einstimmen. Deutlicher als sonstwo können diese Abgesandten die Vision vom großen Fest mit dem Herrn erleben — aber ihre Aufgabe ist es auch, das Erlebte an die Zuhausegebliebenen zu vermitteln.

Von den vielen Stimmen von Frauen, die ihre Vision zum Weltgebetstag ausgesprochen haben, sei eine an den Schluß gestellt: „Ich, sehe den Weltgebetstag als einen riesigen Baum, der immer weiterwächst—bis alle Welt Christus als ihren Heiland erkannt hat.”

Die Autorin ist Vorstandsmitglied im Ökumenischen Nationalkomitee für den Weltgebetstag der Frauen in Osterreich.

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