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Festbeginn mit Mozart

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Mit einigem Stolz blickt das Tiroler Landestheater auf den 125jährigen Bestand seiner trotz des großen Umbaues von 1961 bis 1967 noch imverändert erhaltenen Grundmauern und der klassizistischen Fassade von Segusini: Ein Geburtstag, den Hausherr Intendant Wlasak in seiner ausgeprägten Begabung für „Public Relations” zum Anlaß einer „Theaterfestwoche” nahm.

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Mit einigem Stolz blickt das Tiroler Landestheater auf den 125jährigen Bestand seiner trotz des großen Umbaues von 1961 bis 1967 noch imverändert erhaltenen Grundmauern und der klassizistischen Fassade von Segusini: Ein Geburtstag, den Hausherr Intendant Wlasak in seiner ausgeprägten Begabung für „Public Relations” zum Anlaß einer „Theaterfestwoche” nahm.

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Diese offerierte nicht weniger als 18 (!) verschiedene Werke in beiden Häusern, darunter ein Burgtheatergastspiel mit Hofmannsthals „Der Abenteurer und die Sängerin”, Premieren von Mozarts „Entführung aus dem Serail” und Shakespeares „König Richard II.” (als Beginn des über fünf Jahre geplanten Königsdramenzyklus), ferner einen repräsentativen Querschnitt durchs Repertoire, der im Großen Haus noch den vom Innsbrucker Musikdirektor Karl Randolf dirigierten „Rosenkavalier” und „Die Zauberflöte” (Dirigent Walter Hindelang) „My Fair Lady” und „Vogelhändler” sowie „Faust I” und „Paust II” (wiederum an einem Spieltag) anbot, während im Kleinen Haus Autoren aus etlichen Jahrhunderten, von Shakespeare und Goldoni über Nestroy und Schnitzler bis Anouilh und O’Neill einander ablösten und dazu noch

Benjamin Brittens „Wir machen eine Oper” von überschäumendem Tatendrang kündete.

Die Eröffnung des Festes vollzog sich im Zeichen Mozarts: „Die Entführung aus dem Serail” markierte nicht nur den Beginn der Gratulations- cour, sondern auch die 4. Etappe des Mozart-Zyklus, mit dem sich Intendant Wlasak eine auf Jahre hinaus anspruchsvolle Aufgabe gestellt hat. Mitten in die Vorbereitungsarbeit war im März der plötzliche Tod des Innsbrucker Opemchefs Prof. Siegfried Nessler als ein Schatten gefallen, den der aus Graz geholte Edgar Seipenbusch ‘am Dirigentenpult jedoch weitgehend vergessen machte; seine musikalische Leitung gefiel durch Frische und Präzision, durch klangliche Effizienz im Orchester und guten Kontakt zu den Sängern. Fast könnte man von einem Grazer Team sprechen, denn mit Andrė

Diehl kam auch der Regisseur von dort — ohne jedoch die Voraussetzungen eines wirklichen „Teamworks” zu erfüllen. Seine Inszenierung wartete zwar mit hübschen Einzelideen auf, hatte jedoch keine ersichtliche Linie, keinen einheitlichen Grundzug. Dabei hätte es ihm die bezaubernde Szenerie Susanne Thalers so leicht gemacht, die in ihrer absolut durchgehaltenen Konzeption ebensoviel Geschmack wie Originalität verriet: In gekonnter Farbharmonie präsentierten sich Bühnenbilder und Kostüme, erstere ä la Fayence mit durch das Rokoko inspirierten Formen. Das alles atmete Anmut, Verspieltheit.

Ganz in diesen naiven Singspielton, der dabei absolut mozartisch war, paßte das reizende Buffopaar, das mit Anneliese Hückl und Hans Sojer in Gesang und Spiel den Vogel abschoß, durch Musikalität und Spritzigkeit, Soubrettencharme und tenoralen Schmelz erfreute. Gewinnende Komödiantik verlieh auch Nandor Tomorys dem Osmin, während das „hohe Paar” Konstanze-Belmonte in der Besetzung durch Ena Lew- gowd a. G. und Thomas Page nicht eben festwochenwürdig anmutete. Totales Antitalent im Darstellerischen, in dem sich beide zu überbieten schienen, ebenso totale Insuf- fizizenz in der Artikulation wurden weder durch den dramatischen, hartvoluminösen Sopran und dessen unpräzise Koloraturen noch auch durch den immerhin kultivierten Tenor ausreichend kompensiert. Bleibt neben der Choreinstudierung durch

Ladislaus Földes noch Helmut Wlasak als edler Verkünder humaner Botschaft zu loben, der es sich trotz großer Rollen (Mephisto, Higgins, Richard II.), Regieaufgaben (Rosenkavalier, Zauberflöte, Vogelhändler) und dem Mammutkomplex administrativer Arbeit nicht nehmen ließ, als Selim Bassa an seinem geliebten Mozart selbst mitzuwirken. Mitgewirkt hat auch das Publikum, besuchswillig, elegant, begeisterungsfähig und überdies drauf und dran, sich demnächst mit dem einmillionsten zahlenden Besucher seit der Wiedereröffnung des Großen Haus einzu st edlen.

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