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Festreden vertreiben keine Krise

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Der Geburtstag der Verfassung und der Geburtstag einer souveränen, freien Republik Österreich sind vorbeigegangen. Man hat uns festlich an- und zugeredet. Nur andeutungsweise klangen Kritik und Sorge an. Andeutungen sind zuwenig. Sorge ist am Platz.

Nach 35 Jahren einer streckenweise stürmischen Aufwärtsentwicklung steckt Österreich in einer Identitätsund Vertrauenskrise.

Stichworte wie Korruption, Vergeudung öffentlicher Mittel, Bereicherungsskandal erreichen nur die Oberfläche. Dahinter verbergen sich wachsende Gleichgültigkeit gegenüber Staat, Parteien, Regierung und Parlament, Ekel vor der Politik und eine Abnahme der Bereitschaft, Institutionen und Personen unseres Herrschaftsapparates mit Einsatz von Leib und Leben zu verteidigen.

Wir haben dieser Tage auch das Jubiläum „25 Jahre Bundesheer" gefeiert, aber die bisher schon minimalen Ausgaben für Landesverteidigung werden 1981 nur um 3,3 Prozent steigen, nach Abzug der Inflationsrate also effektiv sinken.

Diskussionen über hingebrummte Halbsätze des Bundeskanzlers verdrängen jegliches Empfinden für historische und globale Perspektiven. Österreich ist - nicht zuletzt durch Medienschuld -finsterste Weltprovinz geworden, wo über die falschen Probleme mit falschen Argumenten und falschem Zungenschlag geredet wird.

Das ist keine Übertreibung. Die Wahrheit ist trüber als die Aussage eines Kurzkommentars.

In einer CV-Diskussion zum Thema „Quo vadis Austria?" ließen der einstige ÖVP-Obmann und Vizekanzler Withalm sowie der ehemalige ÖGB-Präsident und Innenminister Olah diese Sorge anklingen. Olah sagte sogar: „Das politische Klima paßt sich langsam an jenes der Ersten Republik an." Auch Kardinal König bangt um das Ansehen von Politik, Politikern und Demokratie.

Diese Sorge einmal offen, umfassend, argumentativ vor aller Öffentlichkeit auszusprechen, ist der erste Schritt zur Besserung. Die FURCHE wird in den nächsten Wochen ihren bescheidenen Beitrag zu einer solchen Debatte der nationalen Selbstbesinnung zu leisten sich bemühen.

Pessimismus und Resignation sind keine guten Ratgeber. Geschichte ist noch immer, trotz aller Umwelt- und Sachzwänge, Menschenwerk.

Nun wäre es notwendig, wenn es endlich zu der schon 1972 vom damaligen Außenminister Kirchschläger in Straßburg geforderten europaweiten Bestandsaufnahme der demokratischen Parteien käme: Was eint uns alle, ehe die Differenzen kommen? Was ist uns noch verteidigungswert?

Dann wäre ein Katalog der drängenden Probleme aufzustellen, die es mittels längerfristiger Konzepte zu lösen gilt. Und dann müßten die Parteien sich einigen, wie man langfristige Lösungen über mehrere Gesetzgebungsperioden hinweg durchzieht, ohne jedes vernünftige Konzept im nächsten Wahlkampf wieder zu verraten.

Daß solche Kursänderungen als Ergebnis gemeiner Überlegung, gemeinsamer Anstrengung und nicht nur als unüberprüfbares und unkorrigierbares Diktat von oben möglich sind, ist die Chance der Demokratie.

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