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Festtag und Königsmord

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Blumen liegen in meiner blauen Stube - Briefe, die mir Glück verheißen sollen.

Auf der Straße schreitet wohl auch ein bescheidener Handwerker auf mich zu oder ein Schulkind im gestärkten Kittel.

Denn es ist Sonntag.

Unser Mesner läutet langsam und feierlich die Vesperglocke.

Und die Bauern löschen das Licht aus.

Wir zünden es an und feiern die blaue Sommernacht.

Die Meinen drücken mir stille die Hand, und heilige Wünsche segnen meine Seele.

Dann steht Eduard Bartosch vor uns.

Er hat mir keine Rosen gebracht.

Er hat kein Lächeln auf seinen Lippen. Tiefernst und bleich.

So ist sie in den Frieden unseres Dorfes hereingebrochen — die Kunde vom Königsmord.

Wir sind erschüttert, wir suchen nach Worten und finden keine.

Einsam und armselig raucht die Freude aus dem goldenen Hals der grünen Flasche. Aus der Ferne starren sie fremde Blicke an. Und die weißen Hände meines Freundes streicheln sie wehmütig.

„Die Leute meinen, es ist unser Verlobungstag. Ist Ihnen das unangenehm?“

„Lassen wir ihnen die Freude, daß sie mehr wissen wie wir.“

Ich sage es in freundlicher Ruhe, aber die Röte steigt mir auf wie ein ungewolltes Bekenntnis. Warum ist mir so bang?

Ist es um die vielen Worte, die für und wider die Toten gesagt werden?

Bald liegt kein Laut in den Lüften, bald irrt es wie dumpfes Grollen umher, wie gebändigte Stimmen, die aus der Tiefe fahren.

So arbeitet unser Hirn mit dem Unfaßbaren, das da kommen wird.

Und von Weile zu Weile denkt es noch an den Festtag meines hoch-

herrlichen Patrons. Wie ein zersprungenes Glöcklein klingt ein Glas.

Mein Freund redet ruhig und müde, als wüßte er von seinen Worten nichts.

„Es ist heute ein Tag, allwo wir uns in Treue versammelt haben und mit wahrhaftem und anhänglichem Gemüte wünschen, es möge Ihnen, liebe Paula, zu allen Zeiten - “ .

Die Glastür kreischt in ihren Angeln.

Neue Stimmen gehen wie ein Hammerschlag, und der rote Flammenschrei der Weltgeschichte hat den Wunsch meines Freundes zerschlagen. Und irgendwo zwischen Himmel und

Erde, zwischen Sehnsucht und Erhörung fällt mein Festtag in Asche.

Die Türe kreischt in ihren Angeln, und der gütige Pater Wolfgang kommt gerade recht, die Asche mit geweihten Händen zu bestatten.

Die Zukunft liegt an der Schwelle wie ein grausiges Rätsel.

Was ist mein Schicksal, wenn selbst der Purpur in Fetzen zerreißt …

Was geht es mich an?

Nichts, denn es war das Leben der Könige.

Alles, denn es war das Sterben der Menschen, die in schwersten Qualen arm und glanzlos verbluten.

Was frage ich?

Was verlange ich?

Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, daß einer nicht mehr liebt.

Oder leidet er?

So bitterlich stumm.

Und nichts kann uns helfen. Auch nicht, daß seine weißen Finger über die Tasten irren.

Hat er denn vergessen?

Ein zuckender Ton und ein ewiger Stern. Mit den Stunden rinnen sie in die Weite.

Wie bitterlich hart, daß keiner sie halten kann! Was es nur ist, das ich zurückrufen möchte, als sei es verloren?

Fühlt es auch er?

Aus dem bisher unveröffentlichten autobiographischen Werk „Selige Jugendzeit“, das demnächst im Verlag Styria, Graz, erscheint.

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