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Fiebertraum der Südsee

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In den nächsten Tagen jährt sich die mörderische Landung der Amerikaner auf Tarawa zum dreißigstenmal. Die Geschehnisse um dieses Atoll, das vom englischen Dichter R. L. Stevenson als Schatztruhe aller Schönheiten der Südsee bezeichnet worden ist, sind bisher in der europäischen Geschichtsschreibung nur oberflächlich behandelt worden — obwohl sie für den Zweiten Weltkrieg kriegsentscheidend waren.

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In den nächsten Tagen jährt sich die mörderische Landung der Amerikaner auf Tarawa zum dreißigstenmal. Die Geschehnisse um dieses Atoll, das vom englischen Dichter R. L. Stevenson als Schatztruhe aller Schönheiten der Südsee bezeichnet worden ist, sind bisher in der europäischen Geschichtsschreibung nur oberflächlich behandelt worden — obwohl sie für den Zweiten Weltkrieg kriegsentscheidend waren.

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In einer der tropischen Augustnächte des Jahres 1943 steuerte der japanische Zerstörer Amagiri durch den Neu-Georgia-Archipel inmitten der Salomonen, wo die Amerikaner, die soeben das südöstlich davon gelegene Guadalcanal erobert hatten, mit den Soldaten und Matrosen des Tenno um jedes Korallenriff rauften. Die Amagiri hatte japanische Verstärkungen an Land bringen helfen und rammte auf Gegenkurs jenes amerikanische Torpedoboot vor der Gizoinsel, das dem späteren Präsidenten der Vereinigten Staaten, Leutnant zur See John F. Kennedy, anvertraut war. Kennedy und der überlebende Teil seiner Mannschaft hielten im dunklen Wasser einige Zeit aus, kletterten später wieder auf das Wrack ihres Schiffleins und verließen dieses, um nach der Puddinginsel zu schwimmen, die zur Stunde menschenleeres Niemandsland war. Es würde zu weit führen, nun die Odyssee Kennedys und seiner Leute von einem Eiland zum anderen zu beschreiben, immer in Sorge, von japanischen Schiffen oder Landetrupps entdeckt zu werden und den Hunger mit Kokosnüssen stillend. Sie sahen die Kämpfe am Horizont, ohne selbst gesehen zu werden, trafen auf Eingeborene mit Kanus und merkten, daß Suchaktionen anliefen. Schließlich, nach gelungener Täuschung japanischer Aufklärungsflugzeuge, erreichten sie einen australischen Beobachtungsposten. Kennedy.übernahm sofort ein anderes Torpedoboot und war damit im November 1943 beim Angriff auf Choiseul in den nördlichen Salomonen dabei: Er mußte 50 von den Japanern zurückgetriebene Marineinfanteristen aus dem Küstenwasser fischen.

Sicher dürfte Kennedy nur einen kleinen Ausschnitt der entscheidenden Kämpfe des Jahres 1943 im Pazifik erlebt haben. Aber seine Situa-

tion war dennoch für vieles bezeichnend, was sich vor 30 Jahren dort abspielte. Zeitig im Frühjahr hatte das japanische Kaiserreich seine größte Ausdehnung und Machthöhe gewonnen, die Neuordnung Ostasiens und Ozeaniens war nahezu Wirklichkeit geworden. Aber die Vernichtung der Amerikaner, Australier, Chinesen und IndoBriten war noch nicht geglückt und Tokio mußte sich entscheiden, ob der nächste Stoß gegen die amerikanische Westküste, gegen das australische Festland oder in die indischen Ebenen erfolgen sollte. Da begann im Spätfrühling der erste alliierte Gegenschlag, die Frist, in der die USA und England „Raum gegen

Zeitgewinn verkauften“, ging zu Ende. Zunächst drängten alliierte Einheiten die Japaner an der Nordküste Neuguineas zurück. Anfang September landete die 9. australische Division, die sich vorher bei El Ala-mein ausgezeichnet hatte, unweit der Stadt Lae, am nächsten Tag sprangen amerikanische Fallschirmtruppen über dem Markhammtal ab. Salamaua und Finschhaven fielen kurz darauf trotz erbitterter Gegenwehr, bei der späteren Säuberung der Halbinsel Huon überlebten von 12.000 kaiserlichen Soldaten nur 4200. Der Weg nach Australien war für Japan verschlossen.

Anfang Juli 1943 erschien eine starke amerikanische Flotte unter Admiral Halsey in den Gewässern des Neu-Georgi-Archipels. Wochenlang tobten in diesem Teil der Salomonen die schweren Luftkämpfe der Trägerflugzeuge, die von mehreren Seegefechten ergänzt wurden. Im Spätherbst galten die meisten japanischen Stellungen auf den Inseln für vernichtet oder aktionsunfähig, die Beherrschung der Luft- und Wasserwege wurde von den Alliierten wahrgenommen. Amerikanische Transporter brachten während der letzten Dezembertage die Bataillone Mac Arthurs nach Kap Glaucester an der Westspitze Neubritanniens und ein paar Wochen darauf zu den Inseln der Admiralitätsgruppe. In zermürbender, aber steter Kleinarbeit schoben sich die Alliierten auf diese Weise gegen die Philippinen vor.

Das japanische Oberkommando erkannte bestürzt das Zerbröckeln seines äußersten Verteidigungsringes, der von tieferen Einbrüchen mit der Gefahr des Abschneidens rückwärtiger Verbindungslinien gefolgt war. Gutwillig wurde nicht eine Handbreit Inselbodens hergegeben, auch der Verzicht auf weitere Angriffshandlungen gegen die amerikanische Seite des Pazifischen Ozeans

nur mit größter Verbitterung geleistet. Aber alles Zögern half nichts, denn die fürchterliche Entscheidung, die einen Kräfteverschleiß ungeahnten Ausmaßes einleitete, war mittlerweile bereits bei den Gilbert-Inseln gefallen. Im Oktober 1943, gerade als der junge Kennedy im Hafen von Rendova sein neues Boot übernahm, schickte der Oberbefehlshaber im pazifischen Seeraum, Admiral Nimitz, dem Admiral Spruance die Ernennung zum Kommandeur der US-Südseeflotte. Das Gros aller amerikanischen Geschwader war zum Vorstoß durch die am Äquator liegenden Inselgruppen bis hinauf zu dem großen japanischen Flottenstützpunkt Truk inmitten der Karo-

linen bereitgestellt. Während Halsey in den Salomonen die Insel Bougain-ville anlief, warf sich Spruance im November 1943 auf Tarawa in den Gilbert-Inseln.

Der indische Plan

Tarawa sollte nach japanischen Vorstellungen zum Fanal der Abwehr des alliierten Gegenangriffes auf die Eroberungen des Jahres 1942 werden. Gleichzeitig aber war damit eine gewisse Rückendeckung für die japanische Absicht verbunden, der Straße nach Indien erneut zu folgen und zu versuchen, das Gebäude der englischen Herrschaft auf diesem Subkontinent zum Einsturz zu bringen. Wir wissen heute, daß sich diese Operation, mit der Tokio den schwächsten seiner Feinde zu treffen hoffte, bis ins Frühjahr 1944 hinzog und damit bereits in die britische Burmaoffensive hineingeriet. Für eine kriegsentscheidende Angelegenheit im Sinne der Achsenpartnerschaft mit Deutschland und Italien wäre es aber auf jeden Fall zu spät gewesen. Hitlers Wehrmacht war bekanntlich schon etliche Monate früher vor Stalingrad und El Alamein geschlagen worden, ein Händereichen im Kaukasus oder am Suezkanal kam nicht mehr in Frage. Immerhin erhöhten die Japaner im November 1943 ihre Frontstreitkräfte an der Küste des Golfes von Bengalen von fünf auf acht Divisionen, mit denen sie zunächst den lang ersehnten ostindischen Aufstand zu entfachen hofften. Aber im Dezember griff General Stillweil mit zwei in Indien ausgebildeten chinesischen Diviso-nen vom Himalaja her den Norden Burmas an, um Platz für den Bau einer neuen Versorgungsstraße nach dem Reich der Mitte zu schaffen. Mit der notwendigen Ruhe für die Angriffsvorbereitungen der Japaner gegen ■ Indien-war- -es- vorbei.------

Durch den Entschluß, gegenüber den USA in der Defensive zu bleiben, hatten die Japaner bereits eine ähnliche Verzweiflungsstrategie angenommen, wie dies die Deutsehen in Europa praktizierten. Auch die Groteske, daß sie diese Haltung auf der äußersten Scheitelhöhe ihrer Macht einnehmen mußten, paßt zu den Vorgängen dm Abendland. Was blieb, war die Hoffnung auf alliierte

Differenzen und auf eine spektakuläre Niederlage der Angreifer, sei es in offener Seeschlacht vor der Küste Nippons oder bei einer der unendlich zahlreichen amphibischen Operationen, denen sich die Amerikaner von Insel zu Insel unterziehen mußten. Tatsächlich bestanden 1943 Meinungsverschiedenheiten zwischen London und Washington, während die größten Seeschlachten im Pazifik noch bis 1944 Zeit hatten. Der Disput ging zunächst um die Art der Kriegsführung in Burma und China, wobei das verblassende Prestige der Engländer gegenüber dem meteorhaften Aufstieg der USA zu Mißverständnissen Anlaß gab. Selbstverständlich wünschten die Briten Bur-

ma zurückzuerobern, wollten dies aber von Süden her über Rangun bewerkstelligen, während die Amerikaner den Norden zu gewinnen trachteten, um damit Nationalchina zu erreichen und es zu versorgen. Churchill hätte sich überhaupt mit dem Binden starker japanischer Kräfte in Zentralburma begnügt, wenn er dafür über Singapur nach Niederländisch-Indien durchgebrochen wäre. Ihm schwebte hiebei eine enorme Beteiligung der, britischindischen Macht an der Niederringung Japans und ein dementspre-chender Genuß an den Früchten des Sieges vor. Die Amerikaner waren solchen Überlegungen nicht zugänglich, da sie den Pazifik bereits als ihre Domäne betrachteten und höchstens die Australier im Süden mitnaschen lassen wollten. Das Anwachsen ihrer Stärke zur See, der Churchill nur jene britischen Ein-

heiten gegenüberstellen konnte, die im Mittelmeer durch die Ausschaltung der französischen und italienischen Flotten freigeworden waren, gab ihnen recht.

Am 1. Dezember 1941, also vor dem japanischen Schlag auf Pearl Harbor, war die US-Marine den Japanern an Schlachtschiffen wohl urn ein gutes Drittel überlegen. Japan besaß je-doch mehr Flugzeugträger, gleich viele schwere Kreuzer und fast ebenso viele leichte Kreuzer. Am 1. Jänner 1944, das heißt knapp nach Ereignissen, mit denen wir uns beschäftigten, hatten die Amerikaner bereits mehr als doppelt so viele Schlachtschiffe im Dienst wie die Japaner. Die Überlegenheit an Flugzeugträgern aller Gattungen war an die USA in einem Verhältnis übergegangen, das etwa 10 zu 1 entsprach. Amerika konnte jetzt auch mehr schwere Kreuzer als Japan einsetzen und an leichten Kreuzern besaßen die USA schon doppelt soviel wie die Flotte des Tenno. Kein Wunder also, daß Admiral Nimitz auf britische Hilfe verzichten konnte, zumal die amerikanischen U-Boote bei ihren Angriffen auf die langen japanischen Versorgungswege erfolgreich waren. Auch diese Waffe der USA war bei Kriegsbeginn so klein gewesen, daß selbst überalterte Typen auf Feindfahrt gingen, doch sorgte das amerikanische Flotten-bauprogramm für Ersatz und Vermehrung.

Die amerikanischen Militärs gaben daher den Briten ein ums andere Mal zu verstehen, sie sollten sich gefälligst um den Indischen Ozean kümmern und der Hilfe für China nicht im Wege stehen, weil dort gewaltige US-Bomberverbände stationiert werden könnten, die Japan von hinten her angreifen würden. Tokio half ungewollt den Amerikanern, als es eine Armada von sieben Schlachtschiffen sowie zahlreichen Kreuzern und Zerstörern nach Singapur beorderte. Dies geschah zwar primär, um den amerikanischen Luftangriffen auszuweichen und dem indonesischen öl nahe zu sein, aber Churchill zeigte sich von der feindlichen Ubermacht am Rande des Golfes von Bengalen sehr beeindruckt und ließ fortan die Beschränkung Britanniens auf den hinterindischen Kriegsschauplatz und seine Gewässer zu.

Angriff auf Tarawa

Die Gilbert-Inseln liegen, kleinen, palmgekrönten Südseesternen gleich, am Äquator. Ihre friedliche Poesie wurde im Herbst 1943 dadurch beeinträchtigt, daß die Japaner auf der Betio-Insel im Tarawa-Atoll eine Flugbasis mit starken Verteidigungs-

anlagen erbaut, auf dem benachbarten Malzin einen Wasserflugzeughafen eingerichtet und auf Nauru Phosphatwerke in Gang gesetzt hatten. Das Tarawa-Atoll mit seiner die Lagune umschließenden Inselkette kann der örtlichkeit nach in keiner Weise mit dem Monte Cassino Süditaliens verglichen werden. Und doch war am 20. November 1943 beiden eines gemeinsam: Am Cassino-Berg wollten die Deutschen dem Vordringen der amerikanischen Expeditionsarmee ein für allemal Halt gebieten, in Tarawa beabsichtigten die- Japaner, mit den pazifischen Streitkräften der USA das gleiche zu tun. Tarawa lag genau an der Ostgrenze jenes japanischen Ausdehnungsbereiches, der weiter v südlich bei den Salomonen und auf Neuguinea bereits etwas eingedrückt war. Nicht weit im Westen von Tarawa begann der alte Herrschaftsbereich der Japaner, den sie als Völkerbundmandat verwalteten und der die Marshallinseln sowie die Karolinen umfaßte. Dort befand sich die japanische Inselfestung Truk, von deren Verteidigungskraft und Nachschubkapazität man sich Wunderdinge erzählte.

Bis zur Schlacht um die Gilbert-Inseln, wo Tarawa die Hauptrolle spielte, kam dem alliierten Vormarsch noch keine ernsthafte Bedrohung japanischer Lebensadern zu. Im Gegenteil, je weiter sich die Amerikaner vorwagten, desto mehr entblößten sie ihre eigenen Flanken, die von den Gilbert-Inseln her zur Luft und zur See bedroht waren. Auch verließen sich die alliierten Streitkräfte bisher hauptsächlich auf Bomber und Jäger, die von Inselflugplätzen aus operierten.

Bei Tarawa war alles anders. Hier sollte zum ersten Mal ein Landungsunternehmen größten Stils in bisher unbekannter Präzision vor sich gehen, bei dem der Luftschirm nur von den Flugzeugträgern gestellt wurde. Zweihundert Schiffe mit 35.000 Mann Landungstruppen, 6000 Fahrzeugen und 117.000 Tonnen an Einsatzmaterial schaukelten durch die azurblaue Südsee, die neu aufgestellte 5. Flotte des Admirals Spruance gab ihnen mit 19 Flugzeugträgern, fünf neuen und sieben alten Schlachtschiffen und vielen Kreuzern das Geleit. Spruance hatte seine Flagge auf der „Indianapolis“ gesetzt, die Konteradmirale Turner und Hill, die den eigentlichen Angriff einleiteten, standen auf den Brücken der „Pennsylvania“ und der „Maryland“. Gleich am Anfang irrten sich alle drei. Sie erwarteten nämlich die größten Schwierigkeiten bei der Landung auf der Malzininsel, die gleichzeitig mit den anderen Unternehmungen vor sich gehen sollte, und nicht bei Tarawa. Hier war die zweite Marine-Division, die sich schon auf Guadalcanal bewährt hatte, für den ersten Stoß bestimmt.

Im verblassenden Mondlicht der srsten Stunden des 20. November 1943 kam das Tarawa-Atoll in Sicht, wo kürzlich der kommandierende Konteradmiral K. Shibasaki verkündet hatte, daß die Amerikaner nicht rnit einer Million Mann, in hundert Jahren durchkämen. Die japanischen Küstengeschütze brüllten auf und fingen im Donner der Beschießung von drei Schlachtschiffen, vier Kreuzern und einer größeren Anzahl von Zerstörern unter. Währenddessen machten sich die amerikanischen Minenräumboote vor Betio an die Arbeit. Alles muß schnell gehen, lenn niemand weiß, bis wann die Japaner ihre Flieger und U-Boote leranholen können. Die ersten Angriffswellen klettern über die Koral-enbarriere, Spezialfahrzeuge rollen lach, aber die japanische Artillerie and die MG-Nester der Verteidiger im Strand schießen ununterbrochen veiter, zwingen die Marineinfanterie zu Boden und richten entsetzliche Verluste an.

Zu Mittag, die Äquatorsonne irennt unbarmherzig herunter, stek-cen die Amerikaner noch immer im inmittelbaren Landebereich. Ihre Reserven warten und sterben im eichten Wasser, die Korallenbänke lindern die amphibischen Panzer-:ampfwagen am Vordringen. Betio ntpuppt sich als ein Spinnenrietz 'on 200 kleinen Festungen mit eben-;o vielen Kanonen. Die amerikani-chen Kommandeure sind der Verweisung nahe und treiben ihre etzten Männer durch die schwache Brandung, die von Blut und öl ge-ärbt ist. Endlich kommt die Tropen-

nacht wieder. Aber im Dunkel schleichen sich japanische Einzelkämpfer zwischen den amerikanischen Schützenlöchern am Strand durch und nehmen die übermüdeten Marineinfanteristen unter Feuer.

Am nächsten Morgen unternehmen die Amerikaner größte Anstrengungen, um genügend Kriegsmaterial auszuschiffen. Es gelingt, die Divisionsartillerie auf einer Nachbarinsel in Stellung zu bringen und gegen Betio einzusetzen. Auch zwei Zerstörer wagen sich an die Korallen-barriere und schießen aus allen Rohren. Wieder vergeht ein Tag, an dem mit Sturzkampfbombern, Flammenwerfern, Sprengsätzen und Handgrananten um jeden Bunker gerungen wird. Nach 24 Stunden gibt Radio Tarawa bekannt, daß die schweren Waffen der kaiserlichen Garnison zerstört seien und sich alles in einem letzten Gegenangriff aufopfern möge. Im Dämmer der dritten Nacht stürzen sich die Japaner schreiend auf die amerikanischen Stellungen und verbluten im Abwehrfeuer oder unter den Bajonetten der Marineinfanterie.

Aber ganz Amerika ist über die eigenen Verluste in dieser Schlacht um eine winzige Insel entsetzt, die innerhalb von drei Tagen über 1300 Tote gekostet hat. Man ahnt, daß ein martesVöHer - *ff4fr^betetfsteht, der von“ Tarawa über Saipan und den Leyte-Golf bis zu den Leddensstationen von Iwo Jima und Okinawa führen wird. Die übrige Inselkette rund um die Lagune fällt jetzt leich-

ter in amerikanische Hand, auch die abseitsgelegenen Gilbert-Inseln können sich nicht mehr lange halten. Die amerikanischen Stäbe ziehen aus den bitteren Erfahrungen von Betio jene Schlüsse, die den Deutschen sechs Monate später in der Norman-die sehr unangenehm werden. Man erkennt in den Planungsbüros, daß viel mehr amphibische Fahrzeuge notwendig sind, daß ein Froschmännerkorps aufgestellt werden muß, daß große, vorfabrizierte Molos mitgebracht werden sollten und anderes mehr.

Das Inselhüpfen

Noch im Sommer 1943 waren, wie gesagt, kleinere Flottenverbände der Alliierten und der Japaner wiederholt aufeinandergetroffen und die Träger hatten ihre Flugzeuge gegeneinander aufsteigen lassen. Manchmal kamen weit über 100 Flieger nicht mehr auf die Decks zurück, wobei die Japaner die höheren Verluste hinnehmen mußten. Das „Inselhüpfen“ der US-Streikräfte ging weiter, das, wie Admiral Nimitz erklärte, nicht mehr von Eiland zu Eiland, sondern von Flottenbasis zu Flottenbasis fortgesetzt werden sollte. Ende Oktober bekämpften sich in den Palmenwäldern von Bougainville Amerikaner und Japaner voll großer Erbitterung, während Admiral Mervill mit seinem Geschwader eine japanische Kreuzer!!Ott? vor der Küste schlug. Aber Bougainville und andere Stützpunkte des Banners der aufgehenden Sonne hielten hartnäckig stand und die Alliierten verfielen daher auf die Idee, ihnen alle Verbin-

dungswege abzuschneiden und sie somit auszuhungern. Auch Rabaul, der starken Festung Neu-Britan-niens, war dieses Schicksal zugedacht. In schweren Luftangriffen hämmerten die US-Bomber mittlerweile auf die Marshall-Inseln ein, wo Kwajalein, Roi und Namur das Ziel der nächsten amphibischen Operation darstellten.

Gegen Jahresende konnte Washington hoffen, zwei japanische Armeen auf Bougainville, Neu-Irland und Neu-Britannien isoliert und weitgehend kampfunfähig gemacht zu haben. Eine dritte japanische Armee von etwa 60.000 Mann hielt sich mühevoll an einem Teil der Nordküste Neu-Guineas unweit der Mo-lukken und sollte demnächst von MacArthur angegriffen und vernichtet werden. Als unbedingte Voraussetzung für alle weiteren Operationen galt jedoch die absolute Luft-und Seeherrschaft, die von den Amerikanern während der zweiten Hälfte des Jahres 1943 in der Südsee und in einigen Abschnitten des Zentralpazifik erreicht worden war. Der Preis schien teuer zu sein, denn seit Kriegsbeginn waren 58 größere Kriegsschiffe im pazifischen Raum verlorengegangen. Aber Japan hatte bereits erheblich mehr eingebüßt. Bis Ende 1943 erhöhte sich dort die amerikanische Stärke von 383 auf 613 Kampfeinheiten, der Flugzeugstand von 1744 auf 18.269. Das Personal hiefür schwoll von einer halben Million Offizieren und Soldaten auf mehr als 3 Millionen Mann. Den Amerikanern wurde es dadurch möglich, ihre Pazifikflotte zu teilen und voneinander unabhängig vorgehen zu lassen. Während Admiral Halsey vor Bougainville lag, eroberte Admiral Spruance die Gilbert-Inseln und leitete ohne Ruhepause den Vorstoß auf die Marshall-Gruppe ein. Das Charakteristikum dieser Unternehmungen mußte die Elastizität des in der Unendlichkeit des Stillen Ozeans vorgetragenen Angriffs sein.

In einer Zeit, in der sich in Europa jede Anstrengung auf den Ärmelkanal und die tyrrhenische Küste Italiens zu konzentrieren schien, durchpflügten die Flugzeugträger Spruances enorme Distanzen und bombardierten • tief innerhalb * des japanischen Befestigungsbogehs kaiserliche Anlagen aller Art. Sicher war damit die Kraft des Feindes nicht gebrochen, aber sein legendärer Ruf der Unbesiegbarkeit

schwand schnell dahin. Die USA standen an der Schwelle des Jahres 1944, in dem sie Rom und Frankreich erobern und gleichzeitig die Philippinen und alle großen japanischen Außenposten in ihren Besitz bringen sollten. Diese Straße des Ruhmes mußte noch mit viel Blut gewaschen werden.

Die still gewordenen Engländer kämpften mittlerweile in Burma weiter, wo die Chinesen bei Ledo am Fuße des Himalajariesen unter ame- , rikanischer Leitung die neue Versorgungsstraße bauten. Seit dem Frühjahr 1943 operierte Generalmajor C. Wingate weit vor der eigentlichen Frontlinie im Dschungel mit britischen Luftlandetruppen. Er unterbrach die japanischen Verbindungen, entkam den Truppen des Tenno in verlustreichen, lange,H4aldmärschen, •kämpfte Außenposten nieder und schlug sich mit den Resten seiner Mannschaft wieder nach Indien durch, bevor der herbstliche Monsunregen kam. Bei der alliierten Konferenz zu Quebec im Sommer 1943 war man über Wingates Leistung besonders erfreut, paßte sie doch in die allgemeine Romantik des Partisanenkampfes, wie er in Jugoslawien und Rußland in Mode gekommen war, gut hinein. Die Amerikaner wollten auch hier nicht zurückstehen und organisierten alsbald die ersten Kommandotruppen der US-Luftwaffe. Im Dezember 1943 wurden diese mit Lastenseglern und leichten Transportmaschinen ausgestatteten Einheiten geheim nach Indien verlegt, wo sie durch entsprechende Kampf- und Aufklärungsflugzeuge Ergänzung fanden. Bald fügten sie sich in Wingates Kriegsführung ein, organisierten das Flugfeld „Broadway“ im Dschungel, hunderte Kilometer hinter den japanischen Stellungen und nahmen so jene Tradition auf, der die Amerikaner in Indochina bis heute treu geblieben sind.

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