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Firmung — ein neues Pfingsten?

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Auch Theologen sind sich nicht ganz einig über die Bedeutung der Firmung. Wird dieses ursprünglich mit der Taufe verbundene Sakrament zum Sakrament der Mündigkeit?

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Auch Theologen sind sich nicht ganz einig über die Bedeutung der Firmung. Wird dieses ursprünglich mit der Taufe verbundene Sakrament zum Sakrament der Mündigkeit?

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„Die Gemeinden in meinem Traum sind Gemeinden, die ein Profil haben, Initiative ergreifen, einen Weg durch Zeit und Geschichte in eigener Verantwortung suchen und finden, auch dann noch, wenn das kirchliche Amt keine Rezepte liefern kann, die man nur buchstabengetreu ausführen müßte. Ich träume von Gemeinden mit einer gesellschaftspolitischen und gesellschaftskritischen Aktivität... Dieser Traum wird besonders lebendig, wenn ich jungen Menschen die Firmung spende, die doch die Kraft des lebendigen Zeugnisses für Christus geben soll und die Aufforderung bedeutet, Verantwortung für die Menschen zu übernehmen.“

So schreibt Kardinal Franz König. Muß diese Zukunftsvision ein Traum bleiben? Wir wollen zunächst den Gründen nachgehen, warum das Sakrament der Firmung in der Kirche bisher kaum in der Weise wirksam wurde, wie es hier gesehen wird.

Der wichtigste Grund dürfte darin liegen, daß die Kirche selbst noch nicht aus solchen Gemeinden besteht. Die Basisgemeinden in Lateinamerika, Afrika und Asien entsprechen wohl bereits mehr diesen Zielvorstellungert des Kardinals; aber bei uns gibt es erst Ansätze in dieser Richtung. Deshalb fehlt jenen, die die Firmung empfangen sollen beziehungsweise wollen, das entsprechende Leitbild. Die Kirche ist das Grundsakrament für alle einzelnen Sakramente. Daher hängt deren Glaubwürdigkeit und Fruchtbarkeit davon ab, ob in den Gemeinden das bereits gelebt wird, was die Sakramente vermitteln sollen. Das gilt selbstverständlich auch von allen anderen Sakramenten.

Der zweite Grund hängt mit dem Genannten zusammen: Es wurde zuwenig auf die Voraussetzungen geachtet. Die Sakramente ersetzen nicht den Glauben und die Entscheidung des Empfängers, sondern sollen sie wek-ken und bekräftigen. Sie sind ein dialogisches Geschehen. Daher dürfen sie nicht gespendet werden, wo die entsprechende Antwort nicht möglich ist. Keinem Bischof würde es einfallen, die Priesterweihe Unmündigen zu spenden, um den Priestermangel zu beheben.

Diese Voraussetzungen sind natürlich bei den einzelnen Sakramenten verschieden, je nach ihrer Bedeutung. Aber selbst bei der Taufe eines unmündigen Kindes muß die Kirche darauf achten, daß die Umgebung gläubig ist und daß das Kind seine eigene Entscheidung zumindest einmal nachholen kann (wozu wohl die Einführung einer Erwachsenentauf erneuerung nötig wäre).

Weü aber die entsprechenden Gemeinden fehlen, wird auch die Notwendigkeit dieser Voraussetzungen nicht deutlich genug gesehen; und es gibt auch nicht genügend mündige Christen, welche bei der Vorbereitung auf die Sakramente darauf achten. Es ist auffallend, daß in den oben erwähnten Basisgemeinden ein mehrjähriges Katechumenat bei Taufe und Firmung mit strengen Kriterien der Zulassung zu diesen Sakramenten eine Selbstverständlichkeit geworden ist. Wenn die Sakramente unter ungenügenden Voraussetzungen gespen-

det werden, kann es andererseits auch wieder nicht zu der Gemeinde kommen, von der oben die Rede ist. Es besteht also ein circulus vitiosus (Teufelskreis) zwischen den beiden bisher genannten Ursachen.

Diese Wechselwirkung führte im Laufe der Kirchengeschichte auch zu dem sogenannten „magischen“ Mißverständnis der Sakramente: Diese wurden so verstanden, als ob sie auf geheimnisvolle Weise die Liebe Gottes (Gnade) bewirken würden. Tatsächlich jedoch liegt ihr Sinn nicht darin, Gott zu verändern, sondern den Menschen. Diesem sollen die Sakramente die Liebe Gottes authentisch erfahrbar machen, damit er sie in Freiheit annehmen kann. Sie sind in Wirklichkeit „verdichtete“ Zeichen des Wirken Gottes in seiner Kirche beziehungsweise Gemeinde.

Als solche Höhepunkte in der sakramentalen Wirksamkeit der Kirche brauchen sie daher einen entsprechenden Erfahrungshintergrund, damit sie glaubwürdig und fruchtbar werden. Ein Vergleich: Eine Adoption in eine Familie, in der es keine Liebe gibt, kann zwar durchaus gültig sein, ist aber nicht nur unerlaubt, sondern sogar schädlich.

Ein dritter Grund dafür, daß die Firmung zumindest bei uns noch so wenig Früchte bringt, betrifft

„Die Überreichung des Gesellenbriefes ist nicht die des Meisterbriefes.“

dieses Sakrament speziell: Es ist auch unter den Fachtheologen keine volle Einmütigkeit über die Frage vorhanden, worin die spezifische Bedeutung der Firmung besteht. Das hängt auch damit zusammen, daß dieses Sakrament bis zum dritten Jahrhundert undifferenziert mit der Taufe verbunden war, für die Salbung im Rahmen derselben gehalten werden konnte. So vertreten auch heute noch einige Theologen die Ansicht, daß die Firmung im Anschluß an die Taufe (als deren Be-siegelung), jedenfalls aber vor dem ersten Empfang der Eucharistie gespendet werden sollte.

Eine größere Zahl jedoch, vor allem jene, die auf die Praxis ausgerichtet sind, ist mit Karl Rahner überzeugt, daß die Kirche in der Entfaltung der Sakramente einen größeren Freiheitsraum hat: „Die Einsetzung eines Sakraments kann (was natürlich nicht heißt: muß immer) auch einfach dadurch erfolgen, daß Christus die Kirche gestiftet hat mit ihrem Charakter als Ursakrament“ (Kirche und Sakramente, Freiburg 1960, S. 38).

Schon in der Heiligen Schrift wird unterschieden zwischen dem Zum-Glauben-Kommen der Jünger zu Ostern und ihrer Sendung zu Pfingsten, zwischen der Taufe als Teilnahme an Tod und Auferstehung Christi und der Gabe des Geistes, der auf die Getauften herabkommt (Apostelgeschichte 13; 8,14-17). Weü Wasser- und Geisttaufe anfangs Erwachsenen gespendet wurden, konnten sie auch eng miteinander verbunden sein. Dennoch handelt es sich um zwei verschiedene Schritte in der Entfaltung gläubigen Lebens und Wirkens. Die volle Aufnahme in eine Gemeinschaft bedeutet noch nicht die Übertragung der Verantwortung für andere (leitende Aufgaben) und Aussendung zum

Wirken über die Gemeinschaft hinaus.

In einem Vergleich: Die Uber-reichung des Gesellenbriefes ist nicht die Ubergabe des Meisterbriefes. Wenn die Kirche durch die Kindertaufe schon Unmündige ohne persönüche Entscheidung in ihre Gemeinschaft aufnimmt (was, wie oben schon gesagt, ein nachgeholtes Katechumenat erfordern würde), dann kann sie nicht mehr die Firmung so eng mit der Taufe verbinden. Denn diese hat als Bevollmächtigung zu tragender Verantwortung in der Kraft des Geistes in Kirche und Welt andere Voraussetzungen als die Taufe. Nochmals ein Vergleich: Ein Kind kann zwar adoptiert werden, aber es kann nicht selbst eine Familie gründen.

Daraus folgt nun genau nicht, daß der Sinn der Firmung nur die Erwachsenentauferneuerung wäre. Sie setzt diese voraus. Freilich wäre es schon ein großer Schritt, wenn sie wenigstens als solche gesehen und unter entsprechenden Bedingungen gespendet würde. Aber Firmung ist noch mehr. Sie hätte sonst als eigenes Sakrament bei der Taufe eines Erwachsenen keinen Sinn. Sie sollte daher erst

dann gespendet werden, wenn sich ein erwachsener Christ nach Taufe bzw. Tauferneuerung in der Gemeinde bewährt hat und geeignet erscheint, Verantwortung für andere und für das Wirken der Gemeinde nach außen zu übernehmen (zum Beispiel Patenamt, Gruppenleitung).

Aus dieser Sicht der Firmung folgt nun die Notwendigkeit eines höheren Firmalters, wie es immer stärker gefordert wird. Hier dürfen quantitative Überlegungen keine Rolle spielen. Die Seelsorger kommen in Gewissenskonflikte, wenn sie auf Grund der Be-

stimmungen Kinder zur Firmung zulassen müssen, ohne daß diese in Wirklichkeit sich selbst schon dafür entscheiden und die Aufgabe erfüllen können oder wollen, die ihnen damit übertragen wird.

Das Alter allein genügt jedoch nicht. Eine weitere Konsequenz wäre die Einführung eines gründlegenden (womöglich mehrjährigen) Firmkatechumenats in entsprechenden Gemeinden, die sich allerdings erst langsam und mühsam bilden werden, wozu wieder ein erneuertes Verständnis der Firmung wesentlich beitragen kann.

Der Pastoraltheologe Rolf Zer-f aß schreibt über diese Vorbereitung auf die Firmung:„Der Heilige Geist kommt nicht erst mit dem Bischof, sondern schon in dieser Firmrunde, in der wir miteinander über das Leben nachdenken; diese Stunde des Gesprächs ist nicht nur Vorbereitung, sondern schon die Sache selbst: Gemeinschaft des Glaubens, Erfahrung der Brüderlichkeit, wie sie der Geist stiftet. Wenn er sich jetzt nicht als schöpferisch und wirksam erweist, hat auch das Firmsakrament seinen Sinn verloren: es würde zu einem heiligen Zeichen für das, was es im Alltag nicht gibt. Wenn es darum den Geist gibt, der daran ist, das Angesicht der Erde zu erneuern, dann ist jetzt die Stunde des Geistes, die Stunde der Offenbarung seiner Herrlichkeit“

Wenn Firmung so gesehen und vorbereitet, wenn sie unter den entsprechenden Voraussetzungen gespendet wird, dann kann dieses Sakrament dazu beitragen, daß in der Kirche ein neues Pfingsten wird.

Der Autor ist Pfarrer in Wien (Machstraße) und Verfasser des Buches „Firmung. Hinführung in der Pfarrgemeinde“ (Herold, Wien 1984).

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