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Firnberg-Erlaß eint Studenten

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Am 12. November 1981 wird in Österreichs Hochschulen nicht das 63jährige Bestehen der Republik gefeiert, sondern gestreikt. Ein entsprechender Aufruf der österreichischen Hochschülerschaft (ÖH) hat zu einem praktisch lückenlosen Vorlesungsboykott durch die Studenten geführt. Einen Tag später verhindern demonstrierende Studenten in Innsbruck, daß Wissenschaftsministerin Hertha Firnberg einen Institutsneubau eröffnet.

Während Firnberg die von ihr durchgezogene Hochschulreform gerne als „Jahrhundertgesetz“ bezeichnet, läßt sich nicht ver-

heimlichen, daß viele der unter ihrer Ressortleitung durchgeführten legistischen Maßnahmen vom ersten Augenblick an heftiger Kritik ausgesetzt waren. Trug die streitbare Dame aber ihre Scharmützel bisher vorwiegend mit den Professoren aus, so sind nun auch die Studiosi von ihrer Ressortführung bitter enttäuscht.

Der Protest der Studenten richtet sich vor allem gegen die im Sommer in Kraft getretene Novelle zum Allgemeinen Hochschul- Studien-Gesetz (AHStG, s. Stichwort, Seite 2), noch mehr aber gegen einen diesbezüglichen Firnberg-Erlaß vom September. Dieser besagt, daß alle Studienanfänger nach den neuen Studienvorschriften studieren müssen, auch wenn an den Instituten noch

keine neuen Studienpläne beschlossen worden sind.

Mit anderen Worten: Man kann nicht wie bisher nach der alten Studienordnung beginnen und — nach Vorliegen der neuen Studienpläne — auf die neue übergehen, sondern muß gleichsam erraten, welche Lehrveranstaltungen zu belegen sind, um im Rahmen des noch zu beschließenden neuen Studienplanes zu sein.

Da dieser Erlaß erst einige Tage nach Inskriptionsbeginn verlautbart wurde und Studienberater und Studenten völlig unvorbereitet traf, kam es zu einem Inskriptionschaos.

Was der Quadratur des Kreises nahekommt, nämlich die Einigung aller ÖH-Fraktionen, gelang der Wissenschaftsministerin mit diesem „ministeriellen Willkürakt“ (CV-Präsident Alfred Kriegler) bzw. „Studienterror“ (ÖH-Plakat).

Schützenhilfe hat die ÖH in dieser Frage von ÖVP-Wissen- schaftssprecher Heinrich Neisser erhalten, der einen entsprechenden Antrag im Parlament einge

bracht hat. Zwar hat die ÖVP die AHStG-Novelle im Sommer mitbeschlossen, doch wehrt sich Neisser gegen den Erlaß, der die Novelle so interpretiert, daß ohne Ubergangsregelungen nach den neuen Bestimmungen studiert werden müsse.

Neisser wörtlich (laut Studentenmagazin ,Report“): „Das ist ja kein Einzelfall. Die Firnberg läßt die Gesetze irgendwie zusammenschustern, dann entstehen natürlich Unklarheiten. Und die legt sie dann aus, wie’s ihr paßt. So wird die Autonomie der Uni genauso untergraben wie die Bedeutung des Gesetzgebers.“

Von „Aushöhlung der universitären Autonomie“ spricht auch ÖH-Vorsitzender Josef „Ferdl“ Stockinger. Seine wichtigsten Forderungen:

• Der Erlaß sei rechtswidrig und müsse zurückgenommen werden (ÖH-Klagen bei Verwaltungsgerichtshof und Volksanwaltschaft) laufen bereits).

• Das Verbot des gleichzeitigen Studiums an mehreren Hochschulen schränke die Lernfreiheit ein

und sei wieder aufzuheben (dazu läuft eine ÖH-Klage beim Verfassungsgerichtshof).

• Die Ausländerregelung sollte für Studenten aus Entwicklungsländern nicht so restriktiv ge- handhabt werden.

• Die Begutachtung von Dissertationen durch ausländische Wissenschafter sollte wieder möglich sein. Sonst drohe Provinzialismus.

„Es geht uns nicht darum, leichter zu studieren, aber sinnvoller und effektiver“, resümiert Stok- kinger, der noch einen ganzen Katalog von Wünschen, vor allem aber die Klage „Die Parteien interessieren sich zu wenig für Wissenschaft, die Hochschulen sind mies ausgestattet, haben zu wenig Personal, Raum etc.“ ständig auf den Lippen führt. Er hält darum grundsätzliche Überlegungen für angebracht: „Ein Herumdoktern ist zu wenig.“

Daß sich die anderen universitären Gruppen (Rektoren, Assistenten) in dieser Frage spontan mit den Studenten solidarisiert haben, hat Stockinger „positiv überrascht“.

Hertha Firnberg, die sich einerseits gesprächsbereit gibt, andererseits aber zu keiner Konzession bereit scheint, gelingt es offenbar immer weniger, die universitären Gruppen gegeneinander auszuspielen.

ÖH-Boß Stockinger zum Streik: „Wir haben zumindest unsere Anliegen in die Öffentlichkeit gebracht. Sollte es jetzt keine Ergebnisse geben, werden wir nicht lockerlassen.“

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