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Fische an der Angel?

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Mit der „Gala der Stars" möchte der ORF am US-Fernsehmarkt Fuß fassen. Steigende Produktionskosten zwingen zur Suche nach neuen Wegen internationaler Kooperation.

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Mit der „Gala der Stars" möchte der ORF am US-Fernsehmarkt Fuß fassen. Steigende Produktionskosten zwingen zur Suche nach neuen Wegen internationaler Kooperation.

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Wiener Staatsoper, Schloß Schönbrunn, Wiener Sängerknaben, ein typischer Wiener Heuriger und das Hundertwasser-Haus sind Fixpunkte für Kulturtouristen ganz besonderer Art, die Wien in der nächsten Woche von der besten Seite kennenlernen sollen. Der Anlaß dazu: Die „Gala der Stars 1986", die der ORF am Mittwoch, den 22. Jänner, um 19 Uhr 30 live via FS 2 und ö 1 aus der Wiener Staatsoper ausstrahlt.

Mit „Arien und Szenen aus Opern und Operetten" und einer Starbesetzung, die alles andere als alltäglich ist, will der ORF dabei nicht nur Österreichs Musikfans begeistern, sondern sich

gleichzeitig das Tor in die US-amerikanische Kultur- und Medienszene öffnen.

Agnes Baltsa, Mirella Freni, Edita Gruberova oder etwa Alf re-do Kraus, Leo Nucci oder Hermann Prey werden gemeinsam mit den Wiener Philharmonikern unter dem Dirigenten James Le-vine nicht nur der US-Delegation, angeführt vom Kulturmäzen William M. Ellinghaus, Stellvertretender Vizepräsident der New Yorker Börse, sondern in der Folge den Sehern des öffentlichrechtlichen amerikanischen Fernsehnetzes „Public Broadca-sting Service" europäische Kultur ans Herz legen.

Koproduzent bei diesem Hochkulturspektakel ist die nichtkommerzielle amerikanische TV-Station WNET/Channel 13-New York, mit der der ORF heuer und schon letztes Jahr das Neujahrskonzert in Amerika vermarkten konnte.

Daß sich Channel 13, der die Ga-' la der Stars seit 1980 in New York veranstaltet, vom ORF nach Wien einladen ließ, hat allerdings seinen Preis. Der ORF hat die Hälfte der Gagen der Künstler und der Philharmoniker zu tragen, weiters ein Drittel der Kosten für die Solisten. Den Rest zahlt die Wiener Staatsoper. Channel 13 berappt somit nur den Aufenthalt der US-Künstler und den Ausflug der US-Kulturtouristen. Dieser aber ist eine gute Investition für die Fernsehstation, die als nichtkommerzielle Anstalt auf die offene Geldbörse ihrer Sponsoren angewiesen ist.

Der ORF und die Wiener Staatsoper greifen einer US-Fernsehstation finanziell unter die Arme, hieß es nach der Bekanntgabe des Finanzierungsmodus der „Gala der Stars" dann auch sofort Man solle die Umwegrentabilität nicht vergessen, wurde der Vorwurf zu entkräften versucht.

Einerseits werde das Österreichbild in den Vereinigten Staaten sicherlich nicht leiden, wenn amerikanische Meinungsbildner positive Eindrücke von Wien mit nach Hause nähmen. Außerdem sei es eine einmalige Chance, die „kulturelle Großmacht" Österreich in Amerika via Fernsehen vorzustellen. Immerhin strahlt WNET/Channel 13, eine der größten Fernsehstationen des öffentlich-rechtlichen amerikanischen Fernsehnetzes, die Wiener Gala im März zweimal als Konserve zur besten Sendezeit amerikaweit aus.

Wieviele Zuseher damit zu erreichen sind, das bleibt allerdings die große Unbekannte. Genauere Daten kann der Programmdirektor von Channel 13, Peter Wein-

berg, auch nicht geben. Nur soviel: Das öffentlich-rechtliche Fernsehnetz „Public Broadca-sting Service" wurde während einer Woche im März 1985 zur Hauptsendezeit in 28,8 Millionen Haushalten oder von fast 54 Millionen Menschen eingeschaltet.

Daß dieses große Zuseherpotential für Kultursendungen die ORF-Verantwortlichen reizt und zu Vorleistungen bereit macht, wird verständlich, wenn man die hohen Kosten von Kulturproduktionen mit den wenigen Interessenten innerhalb Österreichs in Beziehung setzt. Um das Verhältnis zwischen Kosten und Zuse-hern zu verbessern, bleibt kein anderer Ausweg, als sich im Ausland nach Partnern umzusehen.

Ob die weiteren Projekte, mit denen man mit Channel 13 ins Geschäft kommen will, tatsächlich realisiert werden, ist nicht abzuschätzen - außer Ideen und Hoffnung gibt es noch nichts Handfestes. Jedenfalls aber schaffte es der ORF, mit einem Schmäh spezieller Art die Kosten in Grenzen zu halten. Bei den Mitwirkenden der Gala appellierte man mit dem Hinweis auf die Spendenaktion „Licht ins Dunkel" ans gute Herz,

obwohl die Gala rein gar keinen zu spendenden Reingewinn erwarten läßt.

Auch wenn nicht alle Mitwirkenden an die gute Tat glaubten, angeblich ließen sich doch alle zu einem Bruchteil ihrer sonstigen Gagen verpflichten. Allerdings bekam der ORF auch nicht viele Rechte eingeräumt. Lediglich in Österreich und den USA darf ausgestrahlt werden. Nicht einmal über das Satellitenprogramm 3sat darf die Gala exportiert werden.

Doch schon über diese magere Ausbeute ist man beim ORF zufrieden, denn die urheberrechtlichen Fragen sind eine der härtesten Nüsse, die bei internationalen Kooperationen gelöst werden müssen. Und je mehr Stars, desto schwieriger und teurer wird das Unterfangen.

Mit Channel 13 ins „Geschäft" gekommen zu sein, wird im ORF

jedenfalls schon als Erfolg auf dem Weg gebucht, neue Partner und Kooperationsformen zu finden. Denn es wird immer schwieriger, die finanziellen Mittel für qualitativ hochwertige Produkte alleine aufzubringen bzw. die Kosten für einen so kleinen Markt wie Österreich, aber auch wie ihn die deutschsprachigen Länder darstellen, zu rechtfertigen.

So sucht der ORF derzeit Partner für eine großangelegte Johann-Strauß-Verfilmung. Beim „Aushängeschild" für den ORF Ende der 80er Jahre ist zwar das ZDF bereits als Partner eingestiegen, dennoch sucht man für das Prestigeobjekt noch weitere Finanziers. Immerhin sind dreizehn Folgen zu 52 Minuten geplant, die bei entsprechender Aufmachung den finanziellen Rahmen üblicher Koproduktionen sprengen würden. Außerdem: Wenn es billiger geht...

Ganz anders sind Ausgangspunkt und Schwierigkeiten bei einem anderen Projekt, mit dem man der Dominanz amerikanischer Serienprodukte „mit attraktiven gegenwartsbezogenen Fernsehserien europäischen Inhalts und europäischer Machart" — so zumindest der ORF in seiner Presseinformation — begegnen will.

Die Europäische Produktionsgemeinschaft, in der neben dem ORF noch die Schweiz, Italien, Frankreich, England und Deutschland mit je einer Fernsehanstalt vertreten sind, hat jährlich etwa 500 Millionen Schilling aus einem gemeinsam finanzierten Topf zur Verfügung, um ihre Produktionen durchzuziehen. So zumindest steht es bisher auf dem Papier.

Was produziert werden soll, steht noch nicht fest, wird aber vielleicht im Frühjahr beschlossen werden. Bisher hat man sich in mehreren Programmausschußsitzungen der „6er Gemeinschaft" nur mühsam darauf einigen können, daß aus den eingereichten Projekten sechs in die engere Wahl gekommen sind. Jetzt läßt man einmal Probedrehbücher anfertigen und hofft, daß die einzelnen nationalen Fernsehanstalten ihre eigenen Drehbücher nicht unbedingt für die besten halten.

Auch der ORF läßt die erforderlichen Drehbücher schreiben und hat sich mit einem originellen TV-Spiel in die Auseinandersetzung um das 500-Mühonen-Schilling-Spiel begeben. „Der vierte Mann" erweckt nicht von ungefähr Assoziationen zu dem Erfolgsfilm aus dem Nachkriegs-Wien „Der dritte Mann".

Nur: Was dem „dritten" Mann die Kanalisation Wiens war, sind dem „vierten" Mann die Dächer und Dachböden Wiens. Sollte sich wider Erwarten die kleine Fernsehanstalt ORF mit ihrem Projekt durchsetzen, dann wird man sich noch wundern, welche Dachgeschoßvielfalt Wien zu bieten hat.

Für die ORF-Thematik spricht jedenfalls eines: Eine Agentenstory, eine Variation des Themas „Ungewöhnliches Wien" entspricht in den Augen der Welt längst den Vorstellungen von Wien, gehört gewissermaßen zum Image der Stadt.

Und das kann man wie die Sängerknaben, die Oper oder Johann Strauß verkaufen.

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