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Fiskalischer Hinterhalt

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Steuerhinterziehung ist unmoralisch. Der Staat braucht jeden Groschen. Den holt er sich’ - aber nicht immer mit Methoden, die für den Steuerzahler auch einleuchtend sind.

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Steuerhinterziehung ist unmoralisch. Der Staat braucht jeden Groschen. Den holt er sich’ - aber nicht immer mit Methoden, die für den Steuerzahler auch einleuchtend sind.

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Die für Irrtümer zugunsten der Staatskasse permanent weit aufgeschlossenen Finanzbehörden entwickelten bekanntlich schon vor langem eine eigene Logik: Was dem Staate nützt, ist richtig.

Mit der Moral hingegen ist das so eine eigene Sache. Nicht, daß der Finanzverwaltung, den Zollbehörden und sonstigen staatlichen Stellen bei bisweilen haar-

spalterischer Argumentation das Gefühl für Anständigkeit verloren gegangen wäre, aber unter dem Mantel beamteter Pflichterfüllung gibt es häufig Tätigkeiten, die für jeden normalsterblichen Bürger rechtliche Folgen haben müßten.

Dazu ein Beispiel: Ein Unternehmer ersucht beim Finanzamt um Zahlungserleichterung, zumal er als Heizöl-Lieferant an den Bund höhere (seit langem fällige) Forderungen hat, als der Fiskus zur Zeit an ihn. Der Steuerpflichtige ist nicht so vermessen, die Grundsätze des bürgerlichen Rechtes anwenden und kompensieren zu wollen. Nein, er bittet in Anbetracht der besonderen Umstände bloß um Zahlungserleichterung.

Darauf die wohl anmaßende Antwort der Finanzbehörde: „Soweit sich das Zahlungserleichterungsansuchen auf Forderungsaußenstände gegenüber öffentliche Auftraggeber stützt, ist hierzu grundsätzlich auszuführen, daß es nicht angeht, Forderungsaußenstände — auch wenn diese gegenüber einer Gebietskörperschaft bestehen — zum berechtigten Anlaß zu nehmen, den Abgabenzahlungsverpflichtungen unter Hinweis auf diese Zahlungssäumigkeit nicht zeitgerecht nachzukommen. Ist es doch Aufgabe jedes Unternehmers, selbst dafür Sorge zu tragen, daß von seiten der Leistungsempfänger der Erfüllung der Forderungen fristgerecht nachgekommen wird.“

Und weiter: „Es besteht jedoch keine Veranlassung für den Abgabenhoheitsträger, finanzielle Belastungen, die einem Unternehmer durch die Säumigkeit seiner Auftraggeber erwachsen, im Umwege über eine Abgabenstundung zu übernehmen, welcher Gedanke letztlich dem Zahlungserleichterungsbegehren zweifellos zugrunde liegt. Abgesehen davon, daß ein gewisses Maß an Zahlungssäumigkeit seitens der Auftraggeber im Bereich des kalkulierbaren Unternehmerrisikosgelegen ist…“

Wer hier den höhnenden Unterton nicht hören sollte, müßte sich

gefallen lassen, als reiner Tor qualifiziert zu werden.

Noch ein Beispiel:

Ein Ehepartner ist im Betrieb des andern angestellt. Viele Jahre hindurch bezieht er einen um 0 Prozent höheren Lohn, als die Kollektivvertragliche Untergrenze vorschreibt.

Anläßlich einer Betriebsprüfung anerkennt die Finanzbehörde jedoch nur den Mindestbetrag laut Kollektivvertrag, denn die darüber hinausgehenden Zahlungen seien schieres eheliches Vergnügen.

Fazit: Beträchtliche Nachzahlungen des Steuerpflichtigen, weil schließlich beim fraglichen Lohn um 50 Prozent zu hohe Betriebsausgaben die Steuerlast minderten. Sonst noch was? Sonst nichts.

Nicht aber gibt es einen gleichzeitigen Rückersatz der zu viel geleisteten Steuern an den Angestellten und schon gar nicht etwa eine gleichzeitige Verständigung der Sozialversicherung zur Rück

gabe der zu reichlich empfangenen Beiträge.

Mit anderen Worten: Der Steuerpflichtige hat 250.000 Schilling nachträglich an weiteren Steuern zu zahlen, weil er für den besprochenen Lohn nur um 50 Prozent geringere Beträge als Betriebsausgaben verzeichnen hätte dürfen — über den damit in Zusammenhang stehenden Mehrempfang der Staatskasse von rund 120.000 Schilling wird nicht geredet. ‘

Dabei müßte aber, ohne daß es eines Antrages bedürfte, im selben Vorgang mit der Nachzahlungsverpflichtung des Betriebsinhabers die Rückzahlung zu viel eingenommener Beträge vom Staat an den Bürger zumindest in die Wege geleitet werden.

Ein solcher automatischer (und nach den Regeln der Redlichkeit selbstverständlicher) Vorgang ist bis heute nicht bekannt geworden. Die Praxis unterliegt vielmehr der doppelbödigen Moral

jener vor langer Zeit aus dem Tempel verjagten Geldwechsler.

Oder ein drittes Beispiel:

Ein Liegenschaftseigentümer erhält bei Enteignung (etwa wegen eines Straßenbaues) vom Staat den im Gesetz vorgesehenen Ersatz, den derselbe Staat hernach als Veräußerungsgewinn nicht unerheblich wieder besteuert.

Ein anderer Vorgang ist nicht bekannt geworden. Etwa der, daß der Staat^ seine eigene Norm respektierte und einen reinen Ersatz auch abzugsfrei gewährt hätte. Bestrebungen in dieser Richtung sollten aber im Gange sein.

Nun ist aber dem Wesen der Finanzbürokratie eigentümlich, sich jeder Veränderung, besonders der zugunsten des steuerpflichtigen Mitmenschen, mit langatmiger Gleichgültigkeit zu widersetzen — es sei denn, die Veränderung beträfe eine Hypertrophierung der Finanzbürokratie selbst.

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