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Flaute im Fremdenverkehr?

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Genaue Zahlen liegen zwar noch nicht vor, aber eines mußte Handelsminister Sfaribaehcr offen zugeben: Österreichs Fremdenverkehr hat diesen Sommer schlechter abgeschnitten 1 als in den Jahren zuvor. Die Trendberechnungen des Statistischen Zentralamtes sprechen von einer Abnahme der Nächtigungen im Juli um drei Prozent. Der Rückgang der Ausländerübemachtungen um mnde fünf Prozent konnte auch durch ein Anwachsen der Inländernächtigungen um acht Prozent kaum gemildert werden.

Die einzelnen Bundesländer zeigten recht verschiedene, vorläufig nur durch Hochrechnungen einzelner Gemeinden ermittelte Resultate. Demnach haben Wien, Niederösterreich und das Burgenland am besten abgeschnitten, Tirol und Kärnten am schlechtesten - dort gingen die Nächtigungen um etwa sieben Prozent zurück.

Noch schlechtere Ergebnisse in anderen Urlaubsländem sind für Stari- bacher kein Trost. Deshalb werden nun sofort in Lech die Ursachen dieser sommerlichen Fremdenverkehrsre- zession (im Winter ist ja Österreichs Bilanz weiterhin steigend) erörtert. Dient doch der Fremdenverkehr mit seinen Einnahmen dazu, große Teile des Handelsbüanzpassivums abzudecken. Juli und August aber - letzterer dürfte der Witterung wegen eher eine weitere Verschlechterung bringen - sind mit rund 45 Prozent der Übernachtungen immer die wichtigsten Urlaubsmonate gewesen.

Noch vor einem Monat konnte Sta- ribacher strahlend eine durchaus positive Bilanz für Mai und Juni präsentieren. Das erste Halbjahr 1977 schloß dadurch mit eitler respektablen Zunahme der Nächtigungen um 6,4 Prozent, sowie der Deviseneinnahmen um 9,5 Prozent ab. Für die Hauptsaison zeichnete sich freilich schon damals, natürlich mit zum Teil erheblichen regionalen Unterschieden, eine eher ungünstige Entwicklung ab.

Am meisten im Gerede war Kärnten, seit es Bundeskanzler Kreisky - allerdings auf die Baukosten, nicht, wie oft mißverstanden wurde, auf die Hotelpreise bezogen - als „viel zu teuer“ bezeichnet hatte. Darüber hinaus häuften sich in bundesdeutschen Medien wenig schmeichelhafte Berichte über Kärnten. Man vermutete dahinter die einflußreichen deutschen Reiseagenturen, die bekanntlich an Österreich- Urlaubern fast nichts verdienen. So fühlten sich Kärntens Tourismus-Verantwortliche vor; Freund und Feind verraten, urgierten eine Einladung an deutsche Journalisten zu einer Pressefahrt durch Kärnten und wurden erneut bitter enttäuscht. Es kam nur einer, die übrigen Teilnehmer dieser Fahrt zu Kärntens touristischen Hauptattraktionen waren österreichische oder in Wien ansässige Auslandsjournalisten.

Es wäre zweifellos viel zu billig, die heurige Entwicklung des österreichischen Fremdenverkehrs nur auf boshafte Berichterstattung und Hochspielen der Kreisky-Äußerung zurückführen zu wollen. Denn die bisherige Bilanz von 1977 fügt sich fast nahtlos an den Trend der letzten Jahre, in denen - außer 1975 - ständig weniger Ausländer „ihre Seelen in Österreich baumeln“ ließen. Dafür muß es ganz einfach andere Ursachen geben, die auch nicht im Bereich des Wetters oder womöglich sogar des Kärntner Minderheitenproblems gesucht werden dürfen.

Zweifellos spielt die Preisentwicklung eine bedeutende Rolle. Der

Durchschnittsurlauber, ob Österreicher oder Ausländer, rechnet wieder. Preise, Komfort, Landschaft, Freizeitangebote werden abgewogen - und Österreich offenbar zu leicht befunden. Das hat gar nichts mit Wucherpreisen oder Profitgier der Fremdenverkehrswirtschaft zu tun. Es ist eine logische Folge der Wirtschaftspolitik der letzten Jahre. „Europalöhne“ wurden angestrebt, „Europapreise“ müssen dafür bezahlt werden.

Allein die Hartwährungspolitik der Regierung belastet den Fremdenverkehr und die gesamte Exportwirtschaft schwer. Für Bürger vieler Länder wird Österreich als Urlaubsland dadurch unerschwinglich, für Deutsche, Schweizer und Inländer kommt ein Urlaub in südlichen Gefilden bei annähernd gleichem Komfort um vieles billiger als ein Österreichaufenthalt Wie rasch und empfindlich die Österreicher reagieren können, zeigte die Lira-Abwertung. Sofort verdrängte Italien Jugoslawien als Urlaubsland Nummer 1.

Kletterte der Verbraucherpreisindex von 1970 bis 1976 um insgesamt 52,6 Prozent, so schnellte der darin enthaltene Posten „Hotel- und Pensionsaufenthalte“ im gleichen Zeit-

raum gar um 85,6 Prozent hinauf. Den größten Sprung gab es dabei durch die Einführung der Mehrwertsteuer 1973, auf den wohl die erste größere Rezession im heimischen Fremdenverkehr 1974 als Spätfolge zurückzuführen war. Möglicherweise ist der heurige Rückgang eine Spätfolge der 1976 erfolgten Erhöhung der Mehrwertsteuer.

Tatsächlich sind es ja gerade die mit Abgaben von international beispielloser Höhe versehenen Getränke, deren Preise die Ausländer ungern mit hinunterschlucken. Ist zum Beispiel in Österreich das Bier mit insgesamt 32,6 Prozent Steuern belastet, sind es in der Bundesrepublik Deutschland 13,1 Prozent, in Italien nur 12,5 Prozent und in der Schweiz sogar nür 4,6 Prozent.

Die Fremdenverkehrsbetriebe sind auch sonst mit diversen Abgaben stark belastet, nicht zuletzt für die in den letzten Jahren großzügig vorangetriebene Seenreinhaltung. Auch die recht üppigen Lohnerhöhungen für das gastgewerbliche Personal werden natürlich an den Gast weitergegeben. Der sucht sein Heil in der Flucht oder in geringerer Konsumation. Ist ęr einer der vielen mobilen Campingurlauber, sucht er bei schlechtem Wetter ohnehin schleunigst das Weite. Besitzt er eine Ferienwohnung, nimmt er, was nur möglich ist, an Konserven und haltbaren Lebensmitteln von daheim mit. Wohnt er in einem gastgewerblichen Betrieb, stellt er seine Mahlzeiten möglichst aus selbst Eingekauftem zusammen.

Im Vorjahr waren 76,4 Prozent der ausländischen Gäste Bürger der Bundesrepublik Deutschland. Auf den deutschen Gast ist man auch von Kopf bis Fuß eingestellt, mit „Eisbein“, „Kasseler Rippchen“ und „Käsesahnetorte“ auf vielen Speisenkarten. Natürlich schlägt die Rezession in Deutschland nun in der Fremdenverkehrsbilanz besonders durch. Aber auf Urlauber aus anderen Ländern kann oder will man sich nicht zu sehr umstellen. „Dazu kann unser Personal in der Regel zu wenig Fremdsprachen“, flüstert ein Fremdenverkehrsexperte hinter vorgehaltener Hand, hofft aber gleichzeitig auf baldige Besserung dieser Situation.

Heuer ist kaum noch etwas zu retten. Zweifellos sind in den letzten Jahren Fehler begangen worden. Man betrieb eine wundersame Bettenvermehrung - vor allem in Privatquartieren -, man bekam die Preisentwicklung nicht in den Griff, und die Qualität des Gebotenen ließ oft zu wünschen übrig. Trotzdem ist Österreich nach wie vor - nach Pro-Kopf-Einkommen gerechnet - das Fremdenverkehrsland Nummer 1 der Welt und wird es sicher noch eine Weile bleiben. Stari- bachers Pläne, mit den deutschen Reiseagenturen wieder ins Geschäft zu kommen und Schlechtwetterangebote in den Urlaubsorten zu fördern, können dazu sicher beitragen.

Die fettesten Jahre dürften freilich vorüber sein. Trotzdem gibt es Möglichkeiten, sich zu behaupten, etwa im Städtetourismus (siehe Wien), beim billigen, einfachen Urlaub (siehe Burgenland), sogar bei teuren, aber qualitativ hochstehenden Angeboten (siehe Vorarlberg). Staribacher betonte, daß Fremdenverkehr heute überall ein sehr hartes Geschäft sei. Das mag stimmen, aber vielleicht läßt man diese Tatsache den Gast manchmal zu sehr fühlen?

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