6893062-1980_01_04.jpg
Digital In Arbeit

Fleischmarkt-Klinik wird nun überprüft

Werbung
Werbung
Werbung

Unter Hinweis auf die FURCHE nahm ÖVP-Gesundheitssprecher Günther Wiesinger knapp vor den Feiertagen in einer parlamentarischen Fragestunde Gesundheitsminister Herbert Salcher in die Zange: Der Neuling auf der Regierungsbank überraschte dabei in zweifacher Hinsicht.

Erstens: Die Abtreibklinik am Wiener Fleischmarkt wird nun unter die Lupe genommen. „Ich habe", berichtete Salcher wörtlich, „mit Herrn Stadtrat Dr. Stacher gesprochen, er wird eine Uberprüfung durchführen und dann berichten." •

Wobei freilich dabei die Gefahr besteht, daß die von Alois Stacher versprochene Uberprüfung im Sande verläuft. Denn der Wiener Gesund-heitsstadrat, der jetzt nachforschen soll, hat zuvor - in Kenntnis des bisherigen Fleischmarkt-Betriebes in der Ordination Silvia Schneider und in Besitz der unzweideutigen Betriebsunterlagen aus der Feder des Vorstandes der Semmelweis-Klinik, Alfred Rockenschaub - für die Errichtungsbewilligung gestimmt.

Der „Tiroler auf der Regierungsbank" (Salcher-Eigendarstellung) überraschte zweitens aber auch durch Verwässerung seines Standpunktes in dieser Frage, wobei sein Gespräch mit Staatssekretärin Johanna Dohnal, Fristenlösungs-Verfechterin in vorderster Front, am 8. Dezember des Vorjahres eine un-überhörbare Zäsur darstellt.

Vor dieser Aussprache vertrat Salcher zum Thema Abtreibkliniken den Standpunkt: „Wenn in solchen Ambulatorien oder Krankenanstalten Abtreibungen durchgeführt werden, so darf das keinesfalls der

Hauptzweck sein. Und ganz besonders wird man sich zu befassen haben mit jenen Leuten, die heute noch Geschäfte mit der Abtreibung machen und dafür sogar in der Öffentlichkeit werben."

„Wenn es solche Einrichtungen gibt", versprach Salcher zudem vor Monatsfrist, „dann werde ich die notwendigen Veranlassungen zu treffen haben. ... Ich warte nur darauf, daß ich jene Kliniken genannt bekomme, die angeblich Abtreibungskliniken sind, um behördlich einschreiten zu können."

So groß dürfte der frische ministerielle Tatendrang allerdings nie gewesen sein. Denn der Zeitungsleser Salcher hätte längst einschlägige Narrten und Adressen wissen müssen: über die Ordination Schneider und die nunmehrige Fleischmarkt-Klinik, über das MAIRO-Institut in der Wiener Taborstraße, über die Ordination Mihaela Radauer und über die Tätigkeit der Privatgeschäftsvermittler „Libera" und Rustwurm in Wien hat die FURCHE im Herbst laufend Daten und Taten zusammengetragen und veröffentlicht.

Nach der Salcher-Dohnal-Aus-sprache hat der Gesundheitsminister seine Aussagen in entscheidenden Nuancen verändert. Zwar betont er nach wie vor, daß Abtreibkliniken nach den einschlägigen Bestimmungen des Krankenanstaltengesetzes nicht erlaubt und daher ungesetzlich wären, doch in der Definition ist er deutlich von seiner Uberzeugung in das Dohnal-Fahrwasser abgetrieben worden: Durften zuvor Abtreibungen in einer Krankenanstalt „keinesfalls der Hauptzweck sein", so versteht er jetzt darunter „nur Einrichtungen, die zum ausschließlichen Zweck der Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen bewilligt werden".

Von diesen - für ihn neuen - Maßstäben ausgehend, erteilte er dem wißbegierigen ÖVP-Gesundheitssprecher im Parlament eine Abfuhr: „Nach meinen Ermittlungen wurde in keinem österreichischen Bundesland eine derartige Bewilligung erteilt. Eine gegenteilige Behauptung käme dem Vorwurf einer gesetzwidrigen Vorgangsweise von Landesregierungen gleich, einen solchen Vorwurf müßte ich", betonte Salcher ausdrücklich, „als unbegründet zurückweisen."

Wiesinger zur FURCHE: „Das ist Vogel-Strauß-Haltung vor der eigenen Überzeugung."

Salchers Maßstäbe haben in diesem Fall nicht gerade europäisches Format. Die gesetzlichen Bestimmungen zum Schwangerschaftsabbruch in Frankreich sehen sogar eine

Bestrafung vor, „wenn ein Spital die festgelegte Quote von höchstens 25 Prozent Abtreibungen im Verhältnis zu anderen chirurgischen Eingriffen überschreitet". Eine solche Uber-schreitung wird mit der Schließung des Spitals für ein Jahr bestraft.

Aber nicht nur in der Beurteilung, was als Abtreibklinik zu definieren und wie dagegen einzuschreiten ist, sondern auch was die Geschäftema-cherei mit der Abtreibung betrifft, könnte Frankreich Salcher als Vorbild dienen. Dort wird auch Jede Art von Werbung oder Anstiftung direkter oder indirekter Art zur Abtreibung" bestraft.

Wiesingers parlamentarische Zusatzfrage an den Gesundheitsminister, ob er bereit sei, diese französischen Maßstäbe zu akzeptieren, war Salcher sichtlich unangenehm. „Selbst wenn von mir aus eine Bereitschaft bestünde", bog er eine weitere Diskussion darüber rasch ab, „würden die österreichischen Gesetze eine solche Vorgangsweise nicht zulassen." Die Möglichkeit, die österreichischen Gesetze in diesem

Sinn zu verbessern, hat der Gesundheitsminister erst überhaupt nicht in Betracht gezogen.

Trotzdem wird die Diskussion weitergehen. Derzeit wird erhoben, in welchen öffentlichen Krankenanstalten in den einzelnen Bundesländern Schwangerschaftsabbrüche durchgeführt werden. Während Salcher dieses Material vorerst nur dem parlamentarischen Gesundheitsausschuß vorlegen will, wird die von ihm versprochene Motivenuntersuchung dem Nationalrat insgesamt als Bericht zugeleitet.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung