6929155-1982_22_17.jpg
Digital In Arbeit

Flötenuhr und Porträts

Werbung
Werbung
Werbung

Die Faszination der „runden” Jahreszahlen schließt in den meisten Fällen die Uberprüfung des gegenwärtigen Standpunktes zum Objekt des Anlasses ein. In bezug auf Haydn scheint dieser kritische Rückblick umso nötiger, als im Verlauf der Zeit manche schiefe Betrachtungsweise den vor 250 Jahren geborenen Meister im Sinne einer ganz bestimmten Perspektive menschlich und künstlerisch mißverstand.

Grundlage der notwendigen Korrektur kann nur die Dokumentation sein. Sie wird in der Ausstellung „Joseph Haydn in seiner Zeit” in Eisenstadt in einer Vollständigkeit und mit einem Aufwand geliefert, die sogar große Vorbilder, wie etwa die Wiener Beethoven- und Schubert-Ausstellungen, in den Schatten stellen.

Für die wissenschaftliche Leitung der Ausstellung zeichnet Gerda Mraz vom Institut für österreichische Kulturgeschichte verantwortlich, Otto Biba, der Archivar der Wiener Gesellschaft der Musikfreunde, stand ihr zur Seite, ein Exponent jener Musikwissenschaft, die das Verständnis einer Komposition nur in engstem Zusammenhang mit den Lebensumständen des Komponisten sehen kann.

Zentrale Bedeutung hat dabei natürlich die Dokumentation, die sich direkt auf den Komponisten bezieht. Der Haydn-Kenner wird dabei mit Überraschung registrieren, welche sonst weit verstreute Kostbarkeiten in der Eisenstädter Haydngasse Nr. 1 vereint sind.

Um nur einige zu nennen: Die aus England herbeigeschafften Haydn-Porträts von John Hopp-ner und Thomas Hardy (von letzterem auch das Porträt Peter Sa-lomons), das prachtvolle Seehas-Porträt aus Schwerin, das weniger attraktive, aber sicher lebensnahe Porträt von Neugass sowie andere, sonst verschlossene Bilder, darunter eine bisher unbekannte Kopie des Rösler-Por-träts. Dazu natürlich zahlreiche Autographe, Noten wie Schriftzüge.

Von der Person Haydns ausgehend sind nahezu alle Gestalten bildlich erfaßt, die in seinen Gesichtskreis traten, etwa der Kaiser Franz (auf einem bisher unbekannten Gemälde aus dem Konventmuseum der Barmherzigen Brüder), Maria Hermenegilde Esterhazy in einer aus Vaduz im-portiertenDarstellung. durch Angelika Kauf f mann, zwei ebenfalls kaum bekannte Porträts des Fürstenpaares Nikolaus (I.) und Maria Elisabeth Esterhazy aus Privatbesitz, ein unvollendetes, aber hervorragend gemaltes Porträt des Fürsten Schwarzenberg, das herrliche Nelson-Porträt von Füger; unmöglich, alles aufzuzählen.

Offenkundig haben alle Leihgeber in loyalster Art kooperiert, neben den englischen auch die ungarischen, von den österreichischen ganz zu schweigen. Offenkundig tritt auch das Bestreben der Organisatoren zutage, den Beleg durch schon bekannte Objekte zu vermeiden und dafür im besten Sinne Extravagantes herbeizuschaffen.

Dazu gehört auch die Flötenuhr, für die Haydn komponierte, ja sogar eine „Lira organizzata”, jenes sonderbare Instrument, für das der König von Neapel Kompositionen in Auftrag gab.

Man wird gut daran tun, einen ganzen Tag für die Besichtigung der beiden Stockwerke zu reservieren, zumals durch Tafeln und gute Beschriftungen lesenswerte Information mitvermittelt wird.

Zuhause wird man dann in Ruhe den umfangreichen Katalog studieren können, in dem außerordentlich Fundiertes zu „Joseph Haydn in seiner Zeit” gesagt wird.

Der Autor ist Chefredakteur der „Osterreichischen Musik-Zeitschrift”.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung