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Flüchtlinge

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Was die Aufnahme von Flüchtlingen aus aller Welt und deren Betreuung betrifft, so hat unser Land einen guten Ruf zu verlieren.

Gerade deshalb müssen die Zustände, die in der letzten Zeit im Flüchtlingslager Traiskirchen geherrscht haben, als empörend bezeichnet werden. Aufnahmemöglichkeit für Asylwerber besteht täglich nur bis 15 Uhr, am Wochenende überhaupt nicht. Bis zu 100 Asylwerber, dazu viele Kleinkinder, müssen auf der Straße lagern, ohne Toiletten und sanitäre Einrichtungen benutzen zu können.

Am 16. September hat die niederösterreichische Superintendentenversammlung, in der alle evangelischen Pfarrgemeinden dieses Bundeslandes vertreten sind, in einer Protestresolution die in Traiskirchen herrschenden menschenunwürdigen Zustände angeprangert. Die zuständigen Stellen haben darauf sogar reagiert —für einen Tag wurden die Aufnahmezeiten verlängert! — und betreiben seitdem den Neubau' einer Aufnahmestation für Flüchtlinge etwas zügiger.

Im übrigen wurde „krisen-gipfelig“ festgestellt, daß zu wenig Geld da sei — der Innenminister war offensichtlich nicht so erfolgreich wie der Verteidigungsminister. Die Flüchtlinge werden sich also wohl bis auf weiteres — den Einheimischen gleich — auf ein langes Weekend einstellen müssen.

Die Evangelische Pfarrgemeinde Traiskirchen jedoch hat spontan geholfen. Sie nimmt nach 15 Uhr und über das Wochenende obdachlose Asylwerber in ihrer Kirche auf — übrigens mit personeller und finanzieller Unterstützung aller evangelischen Pfarrgemeinden in Niederösterreich. Natürlich entspricht die hier geleistete Hilfe einer der ältesten Christenpflichten. Aber in Traiskirchen wird nicht nur Hilfe gegeben. So hat die evangelische Pfarrerin von Traiskirchen, Christine Hubka, die Vision, daß Österreich von den Flüchtlingen, die bei uns bleiben wollen, letztlich etwas empfängt.

Die Geschichte zeigt es: Ehemalige Flüchtlinge werden zum Segen für das Land, das sie aufgenommen hat. Ostpreußen hat die vertriebenen Salzburger Protestanten aufgenommen, und das Land ist erblüht. Das gleiche hat Siebenbürgen mit den Landlern erlebt. Nach 1945 sind Siebenbürger zum Beispiel nach Rosenau gekommen und 1956 Ungarn nach Traiskirchen — heute sind sie längst gute Staatsbürger, und die Gemeinden, die sie aufgenommen haben, haben von ihnen profitiert.

Wann wird man endlich begreifen, daß Polen und Rumänen, die derzeit vor allem zu uns kommen, eher eine Chance für Österreich sind als eine Last?

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