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Flug in die Sackgasse ?

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Direktstrahlende Rundfunksatelliten waren zu Beginn der achtziger Jahre Anlaß zu Euohorie. Jetzt kommen sie - mit Verspätung -, aber die Freude ist gedämpft.

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Direktstrahlende Rundfunksatelliten waren zu Beginn der achtziger Jahre Anlaß zu Euohorie. Jetzt kommen sie - mit Verspätung -, aber die Freude ist gedämpft.

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Sogar Experten laufen Gefahr, nicht immer am laufenden zu bleiben oder in der Fülle der Informationen unterzugehen. Die Satellitentechnologie — genauer gesagt, die der Rundfunksatelliten - sorgt für Verunsicherung.

Schon vor Jahren war die neue Dimension des Fernsehens und Radiohörens als unmittelbar bevorstehend angekündigt worden, die es jedermann ermöglichen sollte, mit seiner eigenen Vielzahl von Programmen direkt aus dem Weltall zu empfangen.

Dann war für lange Zeit Funkstille.

Das soll sich aber heuer ändern. Nachdem der Start des deutschen direktstrahlenden Rundfunksatelliten ebenso wie seines französischen Zwillings vorerst einmal für Frühjahr 1986 angekündigt wurde, soll es jetzt im August bzw. November soweit sein.

Ab 1987 könnte dann für alle Fernsehhaushalte, die nicht schon jetzt mittels Kabel-TV ihre Unabhängigkeit von den terrestrisch ausgestrahlten nationalen Rundfunkprogrammen erkaufen konnten, das neue Zeitalter beginnen. Das gilt zumindest für jene mittel- und westeuropäischen Länder, die von den deutsch/französischen Satellitenzwillingen bestrahlt werden.

Doch welche Programme dann via Rundfunksatellit angeboten werden, das ist derzeit noch nicht gänzlich geklärt. Insbesondere der deutsche „TV-Sat“ ist noch Gegenstand politischer Zwistig-keiten zwischen den Unionsparteien CDU/CSU und der SPD.

Da in der Bundesrepublik Deutschland die Rundfunkhoheit bei den Ländern liegt, tut sich Bundeskanzler Helmut Kohl schwer, die Satellitenpläne seiner Partei durchzusetzen. Falls sich die Länder nicht einigen, welche Programme über den TV-Sat verteilt werden dürfen, dann könnte der TV-Sat zwar technisch betriebsbereit sein, aber politisch zum Schweigen verurteilt bleiben;

Wesentlich anders sieht die Sache bei dem französischen Satelliten aus, bei dem, baugleich mit dem deutschen, von den vier verfügbaren Kanälen drei bereits fix vergeben sind. Der TDF1 wird ein englischsprachiges kommerzielles Programm ausstrahlen, weiters ein kommerzielles Programm französisch/italienischer Provenienz unter Mitwirkung des inzwischen in Frankreich rundfunkpolitisch umstrittenen italienischen „Fernsehzaren“ Silvio Berlusconi.

Den dritten Kanal füllt ein von den öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten Frankreichs gestaltetes Kulturprogramm. Wer den vierten Kanal auf dem Satelliten bekommt, ist noch offen, da das luxemburgische Rundfunkunternehmen CLT, das in Deutschland mit „RTL plus“ erfolgreich an der Neuverteilung des Zuschauerkuchens mitnascht, noch zögert und nach politischen Differenzen mit der Regierung Francois Mitterrand über die Präsenz der Luxemburger in der französischen Medienszene überlegt, eigene Wege zu gehen.

Für 1987 sind noch zwei weitere Satellitenstarts geplant: „Tele-X“, mit dem die. skandinavischen Länder zwei Programme anbieten wollen, und „Olympus“, der ein Programm der italienischen Rundfunkanstalt RAI und „Europa TV“, ein europäisches Rundfunkprogramm unter der Schirmherrschaft der Europäischen Rundfunkunion, abstrahlen soll.

Damit konnen voraussichtlich ab 1987 in Österreich zunächst einmal die Programme des TV-Sat und des TDF-1 direkt empfangen werden. Allerdings mit unterschiedlichem Antennenaufwand.

Kommt man in Westösterreich für den Empfang des TV-Sat mit einer Satellitenantenne aus, die nur 60 cm Durchmesser hat, so sind im Osten Österreichs 90 cm erforderlich. Beim TDF-1 kommt man im besten Fall mit 90 cm aus, im Osten Österreichs benötigt man bereits Antennen mit 120 cmt. Durchmesser.

Die Kosten für die Programmvielfalt via Direktsatelliten sind dabei nicht zu unterschätzen. Zwar fallen keine Gebühren an, dafür aber sind die Investitionen —zumindest derzeit noch—so teuer, daß es mehr als fraglich ist, ob sich diese neue Empfangstechnik rasch durchsetzen wird.

Es fallen nicht nur die Kosten für die Antenne in der Größenordnung von etwa 15.000,- bis 20.000,- Schilling an, sondern zusätzlich die Montagekosten und die Kosten für den Fernsehadapter, ohne den die Satellitensignale nicht empfangen werden können.

Diesen hohen Kosten für den einzelnen Haushalt stehen hohe Investitionen der Satellitenbetreiber und hohe Mieten für die einzelnen Kanäle gegenüber. So wird etwa die Nutzungsgebühr für den TV-Sat doppelt so hoch liegen wie die eines Fernmeldesatelliten.

Auf der einen Seite stehen Fernmeldesatelliten zur Verfügung, mit denen kostengünstig Programme in die Kabelnetze eingespeist werden können. In dichtverbauten Gebieten ist der Direktsatellit immer weniger eine Alternative zum Kabelanschluß, je weiter der Ausbau der Kabelnetze vorangetrieben wird.

Auf der anderen Seite überholt die technische Entwicklung die Annahmen, die bei der Konstruktion der Direktsatelliten getroffen wurde. Strahlt der Direktsatellit seine Signale mit bis zu 250 Watt ab - ein Fernmeldesatellit hat eine Sendeleistung von nur 20 Watt -, so stellt die Entwicklung immer leistungsfähigerer Empfangsantennen die Notwendigkeit so hoher Sendeleistungen in Frage.

Die Zukunft gehört den Medi-um-power-Satelliten, ist immer häufiger zu hören. Und tatsächlich hat die in Luxemburg gegründete „Societe Europeene des

Satellites“ (SES), eine Gesellschaft, in der westeuropäische Banken und Finanzgruppen vertreten sind, bereits einen Medi-um-power-Satelliten in Auftrag gegeben und will ihn bereits 1987 starten.

Statt fünf Kanälen stehen 16 Fernsehkanäle zur Verfügung, die mit jeweils 50 Watt Sendeleistung arbeiten und durch die Verbesserung der Antennentechnologie mit Parabolantennen von 90 bis 120 cm Durchmesser in ganz West-und Mitteleuropa empfangbar sein sollen.

Mit Augenzwinkern wurde immer darauf verwiesen, daß der unvermeidliche „Spillover“, d. h. die nicht verhinderbare Mitversorgung angrenzender Länder mit zunehmender technischer Entwicklung immer umfassender werden würde, sodaß sich die Abstrahlbeschränkungen nicht sehr hinderlich auswirken würden.

Die Medium-power-Satelliten sind somit die eigentliche Alternative zu den Fernmeldesatelliten, die bis heute die vielfältigsten Programme via Kabelunternehmer an den Endverbraucher bringen. Der Nachteil der Fernmeldesatelliten, die rundfunkrechtliche Beschränkbarkeit der empfangbaren Programme durch politische Behörden der einzelnen Länder, würde an Gewicht verlieren, weil die Möglichkeit des Direktempfangs jede Beschränkung unterlaufbar macht.

Damit wäre kostengünstiger als mit Satelliten ä la TV-Sat ein Ziel erreicht, nämlich die großflächige Ausstrahlung von Programmen unter Umgehung von Landesund Politinteressen. Kabelunternehmen gleichermaßen wie Haushalte in nicht verkabelten Regionen könnten ihre Wünsche nach Programmvielfalt gleichermaßen befriedigen—weitergehend, als es die direktabstrahlenden Rundfunksatelliten je ermöglichen würden.

Wenn die Zukunft des direktabstrahlenden Rundfunksatelliten endlich begonnen hat, könnte ihr Ende auch schon wieder in Sicht sein.

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