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Flugmaschinen, Kaktusmenschen, Stachelhände…

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Er versucht zu verwirklichen, wovon seit Daidalos und Ikaros viele träumten: Vom Fliegen des Menschen, vom Fliegen mit Flügeln und Muskelkraft. Panamarenko ist aber nun nicht irgendein Konstrukteur, der sich einfach ein Flugzeug gebaut hätte. Für ihn bewegt sich das Problem auf einer künstlerisch-spekulativen Ebene, der Reiz des Projektierens ist mindestens so groß wie der Reiz der Objekte, die er nach seinen Skizzen ausführt. Und so zeigt die Wiener Galerie Gras (Grünangergasse 6) eine bemerkenswerte Schau hervorragender Blätter, Skizzen zu Energie- und Flugproblemen,

die Phantasie im besten Sinne beflügelnde Entwürfe, die eigentlich durchwegs viel aparter sind als die gebauten Beispiele. Ich denke nur an Panama- renkos „Cybister“, der für den „Supersommer ‘76“ entstand, nie recht flügge wurde, weil das Ding völlig ver- konstruiert war, dann am Naschmarkt einem weinseligen Wiener im Weg stand und nun im Museum des 20. Jahrhunderts den Traum vom Fliegen träumt,..

Der Belgier Panamarenko ist ein be-

Gonzales-Figur: „Humanisierung des Eisens“.

Sonders subtiler Zeichner: Mit feinem Linienspiel stellt er Kräfte- und Energiezonen dar, legt er Konstruktionen bloß, versieht diese Detailskizzen mit schriftlichen Anmerkungen, die zu den Bauplänen als graphische Reizelemente dazugehören, so daß Objektskizze und Schiftbild eins werden. *

Ebenfalls „Konstrukteur“ war auch Julio Gonzalez, der Mit-Vater moderner Plastik, dem die Galerie „Ulysses“ (Opernring 21) eine ihrer wichtigsten Ausstellungen widmet: Der 1876 in Barcelona geborene Gonzalez, der jahrelang mit Picasso im Gedanken- und Arbeitsaustausch stand, wurde unzweifelhaft von dessen Bildern auch zum Gestus mancher seiner Plastiken angeregt. Picasso selbst hat erzählt, daß er eines Tages Figuren aus Stangen und Scheiben malte und Gonzalez gegenüber meinte: „Die Figuren habe ich gemalt, weil niemand sie mich machen läßt.“ Gonzalez zeigte ihm, wie man mit Metall umgeht, es schmiedet, verschweißt. In der Folge arbeiteten die beiden viel zusammen, vor allem auf Picassos Anwesen Boisgeloup. Und Gonzales versuchte sich eines Tages in ähnlichen Figuren, wie Picasso sie gemalt hatte. Allerdings in Eisen.

Als Fünfziger entwickelt er dann seinen Stil, der ihn weltberühmt macht. Seltsam schwungvolle, klar rhythmisierte, raumgreifende Figuren, in denen Scheiben und Gestänge in- und auseinanderwachsen. Skurrile Fingerzeiger, Kaktusmenschen, Stachelhände, Köpfe und Masken, die alle wie eine „Humanisierung des Eisens“ wirken. Wobei Picasso selbst die Leichtigkeit bewunderte, mit der Göiizalez diese Figuren formte (Picasso: „Du arbeitest das Material wie einen Klumpen Butter“).

Die Ausstellung zeigt zwar fast durchwegs Bronzen nach den Eisenoriginalen, das heißt, das für Gonzalez typische Materialempfinden fehlt. Aber man muß diese Figuren in ihrer eigenartigen Dynamik und auch Gonzalez’ Entwürfe gesehen haben, um zu wissen, woher vieles in der modernen Plastik kommt. Zusammenhänge finden sich auf Picassos Guernica-Büd, auf dessen Verwandtschaft mit Gonzalez’ Zeichnungen Heinz Fuchs hingewiesen hat; Hinweise auf manche langhalsigen Wesen, die die Strände in Picassos Bildern überrennen; auf Eluard, Tanguy und Dali, durch die man wohl viele seiner in den Raum wachsenden Wesen wie die „Kaktusmenschen“ erst versteht.

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