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Föderalismus für eine bürgernahe Verwaltung

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Ein entscheidendes Anliegen der politischen Arbeit der Vorarlberger Landesregierung ist die Stärkung des Föderalismus und damit einer bürgernahen Verwaltung. Dies schlägt sich nicht nur in einem durch eine Volksabstimmung bestätigten 10-Punkte-Programm des Vorarlberger Landtages zur Stärkung der Rechte der Länder und Gemeinden nieder, sondern auch in einer vorgesehenen Novelle der Vorarlberger Landesverfassung, die derzeit eingehend beraten wird und möglichst bald im Landtag beschlossen werden soll.

Auch das Forderungsprogramm der Bundesländer, das von allen Landeshauptmännern beschlossen wurde und unterstützt wird, also von Landeshauptmännern der österreichisehen Volkspartei genauso wie von Landeshauptmännern der Sozialistischen Partei, ist selbstverständlich ein besonders vorrangiges Anliegen Vorarlbergs.

Eine besondere Verpflichtung erwächst der Landesregierung im Zusammenhang mit der heute ja schon sehr umfassend geführten Föderalismusdiskussion dadurch, daß das Forderungsprogramm des Landtages, das auf eine landesweite Bürgerinitiative zurückgeht, am 15. Juni 1980 von fast 70 Prozent der Stimmbürger des Landes unterstützt wurde. Jene bürgernahen und demokratischen, im Einklang mit der Bundesverfassung stehenden Vorstellungen, die in diesem 10-Punkte-Katalog vom Landtag entwickelt und vom Landesvolk gutgeheißen wurden, sollen auch in der Landesverfassung, stärker als bisher schon, berücksichtigt werden.

Die Verhandlungen der letzten Zeit beweisen leider, daß die Bundesregierung nicht die gebotene Bereitschaft zeigt, beim Forderungsprogramm der Bundesländer und bei den in der Volksabstimmung in Vorarlberg erhobenen Forderungen nach mehr Bundesstaat Fortschritte zu erzielen.

Eine weitgehende Einigung über eine Reihe von Punkten des Forderungsprogramms der Bundesländer, die den ernsthaften Willen der Bundesregierung demonstriert hätte, wurde Ende des vergangenen Jahres im letzten Augenblick unmöglich gemacht, weil der Bund die Kompetenz über das Landarbeiterrecht verlangte. Damals wäre zum Beispiel auch verfassungsrechtlich eine Aufwertung der Länderkammer, des Bundesrates, die von vielen Seiten immer wieder dringend gefordert wird, möglich gewesen.

Leider ist wiederum nichts daraus geworden. Es muß festgestellt werden, daß Gegenforderungen des Bundes in diesen Verhandlungen unberechtigt sind, da es ja dabei um die Abwehr eines bereits überwuchernden Zentralismus geht, der sich in den vergangenen Jahrzehnten durch Hunderte Einzelmaßnahmen, vor allem auch durch Verfassungsbestimmungen im Wege der einfachen Gesetzgebung, zu Lasten der Länder entwickelt hat und der die im Vergleich zu anderen Bundesstaaten sehr wenig föderalistische Verfassungsordnung unseres gemeinsamen Bundesstaates sozusagen auf Schleichwegen immer mehr auf eine Zentralbürokratie hin ausrichtet.

Beim Länderforderungsprogramm und bei den Bemühungen Vorarlbergs um mehr Bundesstaat geht es nicht um ein Tauschgeschäft, sondern um den schrittweisen Abbau des Zentralismus. Dieses Bemühen ist mehr als legitim, zumal die Bürger zunehmend erkennen, daß die allseits geforderte Demokratisierung, die Verbesserung der demokratischen Kontrolle und Mitwirkung bei politischen Entscheidungen, eine stärkere bundesstaatliche Ausrichtung unserer Verfassung zwingend verlangt. Ich kann mir keine Landesregierung vorstellen, die sich über ein so überwältigendes Volksvotum hinwegsetzen könnte wie die Bundesregierung nach dem Volksbegehren gegen das Konferenzzentrum, dem bisher größten in Österreich.

Wenn man heute etwa an die Regionalisierungsbemühungen in Frankreich und Spanien denkt, früher zwei klassische zentralisti-sche Staaten, oder an die immer mehr erkannte gesellschaftspolitische Bedeutung der Subsidiarität in den Ländern der freien Welt, dann wird man erkennen, daß in einer Zeit, in der sich die Bürger in Staat und Gesellschaft fast ohne Einflußmöglichkeit immer mächtiger werdenden anonymen Apparaten gegenübersehen, im Interesse der persönlichen Freiheit auch bei uns in Österreich Konsequenzen notwendig sind. Eigenverantwortung und Eigeninitiative machen viele wertvolle Kräfte im Interesse des Gemeinwohls frei. Das Subsidia-ritätsprinzip ist nicht von ungefähr Leitlinie der Vorarlberger Landespolitik!

Wie aber schaut die bundespolitische Praxis aus? In den Verhandlungen über das Forderungsprogramm der Bundeslän-

„Mehr Rechte für die Länder bedeuten mehr Möglichkeiten zu sachgerechten Problemlösungen, wobei auch die Kontrollmöglichkeit im überschaubaren Bereich zu beachten ist.” der wurde jedes kleinste Zugeständnis der Bundesregierung von der Erfüllung von Gegenforderungen der Bundesseite abhängig gemacht. Das war und ist nicht der Sinn des einstimmig verabschiedeten Forderungsprogramms aller neun Bundesländer!

Mehr Rechte für die Länder bedeuten mehr Möglichkeiten zu sachgerechten Problemlösungen, wobei auch die bessere Kontrollmöglichkeit im überschaubaren Bereich zu beachten ist. Der Wissenschafter Leopold Kohr hat es grundsätzlich gesagt: Die Probleme in allen Lebensbereichen entstehen oft erst dort und werden oft dort unlösbar, wo das menschliche Maß und die Uberschaubar-keit verlorengegangen sind. Große und teure zentralistische Apparate können wegen der mangelnden Ubersicht nie so gut informiert sein und gleich volksnah regieren wie kleinere und dezentralisierte. Daß zum Beispiel das Wohnungsproblem und die Wohnbauförderung nach den örtlichen Erfordernissen besser gelöst und geregelt werden können als nach einem bundeseinheitlichen Schema, wird heute angesichts der Gegebenheiten von niemandem mehr ernsthaft bestritten. Diese Erkenntnis wäre auch in vielen anderen Bereichen wünschenswert! Mehr Konsequenzen wären zu ziehen!

Gesunde, lebenskräftige Glieder ergeben ein gesundes, leistungsfähiges Ganzes. Es wäre daher hoch an der Zeit, die jahrelangen Diskussionen über die Länderforderungen durch konkrete Verhandlungsergebnisse im Interesse einer sachgerechten, bürgernahen und zukunftsweisenden Politik positiv abzuschließen und das Macht- und Prestigedenken endlich zu überwinden.

Eines kann gesagt werden: Das Streben nach mehr Demokratie ist in Vorarlberg nicht nur eine Forderung an andere. Das Schwergewicht der Landtagsarbeit in der kommenden Zeit wird einer Novelle der Landesverfassung gelten, die neben einer Verankerung von Grundrechten, etwa hinsichtlich des Schutzes und der Förderung der Familie, vor allem auch die Bürgerrechte und die Kontrolle der Verwaltung durch den Landtag stärken soll. Die sicher bisher schon für manche Länder vorbildlichen Möglichkeiten der direkten Demokratie in Vorarlberg sollen weiter verbessert werden.

Bereits 5.000 Bürger oder zehn Gemeinden sollen das Recht erhalten, eine Volksbefragung zu verlangen. Volksbegehren, die von 25 Prozent der Stimmberechtigten unterstützt wurden, sollen, wie es auch der Bundespräsident angeregt hat, zwingend einer nachfolgenden rechtswirksamen Volksabstimmung unterzogen werden. Dabei soll auch eine briefliche Stimmabgabe möglich sein.

Die Kontrolle der Landesregierung wird insofern verstärkt werden, als die Kontrollabteilung im Amt der Landesregierung auch von einer bescheidenen Minderheit des Landtages in Anspruch genommen werden kann, die übrigens auch die Möglichkeit erhält, neue Landesgesetze durch den Verfassungsgerichtshof überprüfen zu lassen.

Neben einem neu vorgesehenen Untersuchungsrecht des Landtages erhält ebenfalls bereits eine Minderheit das Recht, den Rechnungshof zu konkreten Anlässen ins Land zu holen. Außerdem ist, ebenfalls im Sinne der Bürgernähe und der Kontrollmöglichkeit,

„Unsere Initiativen haben die Aufgabe, der Gefahr einer Verkrustung unserer staatlichen demokratischen Ordnung zu begegnen.” beabsichtigt, eine Landes-Volksanwaltschaft, die der Bundesgesetzgeber rechtlich ermöglicht hat, einzurichten.

Diese Initiativen haben die Aufgabe, der Gefahr einer Verkrustung unserer staatlichen demokratischen Ordnung zu begegnen. Sie sind dazu bestimmt, der oft zitierten Politik- oder gar Demokratiemüdigkeit entgegenzuwirken, da sie das politische Geschehen aktivieren und dem Bürger neue Chancen der Mitbestimmung in seinen unmittelbaren Lebensbereichen eröffnen.

Möge dieses Bemühen auch einen positiven Einfluß auf das derzeit gespannte Verhältnis Bund-Länder haben, mehr Verständnis bewirken für die bundesstaatlichen Anliegen des Gliedstaates, des Bundeslandes Vorarlberg.

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