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Föderalismus - so nicht!

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„Taten sind nun gefragt”, schrieb Univ.-Prof. Siegbert Morscher, Staats- und Verwaltungsrechtler an der Universität Innsbruck, in der FURCHE(Nr. 28) zum Thema Föderalismus. Sein Beitrag veranlaßte Ernst Winder, den Klubobmann der sozialistischen Vorarlberger Landtagsfraktion, zur Formulierung einer Gegenposition, die wir nebenstehend in die Diskussion einbringen.

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„Taten sind nun gefragt”, schrieb Univ.-Prof. Siegbert Morscher, Staats- und Verwaltungsrechtler an der Universität Innsbruck, in der FURCHE(Nr. 28) zum Thema Föderalismus. Sein Beitrag veranlaßte Ernst Winder, den Klubobmann der sozialistischen Vorarlberger Landtagsfraktion, zur Formulierung einer Gegenposition, die wir nebenstehend in die Diskussion einbringen.

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Der in Innsbruck tätige Universitätsprofessor Siegbert Morscher stellt sich die Frage, wie es mit dem Föderalismus in Österreich weitergehen solle. Er meint, es gebe zwei Möglichkeiten: entweder den Ländern und Gemeinden möglichst schnell einige wenige Zugeständnisse zu machen oder eine „große Lösung” anzustreben.

Wie diese große Lösung ausschauen sollte, darüber schweigt sich der Autor aus. Vor einem knappen Jahr war er noch deutlicher, als es nämlich um „Pro Vorarlberg” ging. Da schrieb er im September 1979, diese Initiative könne als Vorstoß auch für die anderen Bundesländer gelten, die sich für mehr Föderalismus aussprechen. Er sehe in „Pro Vorarlberg” keine separatistische Bewegung, sondern eine begründete Vermehrung der Länderrechte.

Wohlgemerkt: Prof. Morscher schrieb das nicht zu dem späteren 10-Punkte-Programm, das der Volksabstimmung zugrundelag, sondern über „Pro Vorarlberg”, das dem Vorarlberger Landtag per Petition mitteilte, wenn seine Forderungen nicht beachtet würden, dann „wäre es wohl denkbar, daß das Vorarlberger Volk neuerlich das Selbstbestimmungsrecht diskutiert”.

Ich lese, Prof. Morscher hält das Surrogat aus „Pro Vorarlberg”, das als 10-Punkte-Programm von der Landtagsmehrheit in einem Eilverfahren durchgeboxt wurde, für ein „durchaus ausgewogenes Forderungspaket”.

In der Schweiz will man auch eine neue Bundesverfassung. Dort haben 45 Experten 13 Jahre lang beraten, bis das Ergebnis zur öffentlichen Diskussion freigegeben wurde. In Vorarlberg geht das viel einfacher. Da genügt es völlig, wenn ein pensionierter Landesamtsdirektor sich in einigen Wochen seine Aversionen gegen Wien vom Leibe schreibt. Die größte Zeitung des Landes unterstützt das, und der Vorarlberger Siegbert Morscher applaudiert aus Innsbruck.

Er schreibt, „Pro/or arlberg” sei von seinen Initiatoren keineswegs für oder gegen eine politische Partei gestartet worden. Wie erklärt sich Morscher dann, daß „Pro Vorarlberg” genau zum Auftakt des Landtagswahlkampfes 1979 auf den Plan trat? Und daß der Spiritus rector der ganzen Bewegung, der Chefredakteur der „Vorarlberger Nachrichten”, schon am nächsten Tag leitartikelte: Jetzt könne der Vorarlberger echt wählen!? Und daß der Sozialdemokratie gleich mit einem „2. Fußach” gedroht wurde!?

Prof. Morscher meint, Föderalismus könne nur durch das Zusammenwirken der beiden großen Parteien durchgesetzt werden. Warum hat er das nicht früher und in Vorarlberg gesagt? Er hätte die Möglichkeit gehabt. Er war eingeladen, vor dem Vorarlberger Landtag zu diesem Thema zu referieren. Warum hat er der Vorarlberger ÖVP nicht gesagt, daß es zu nichts führen könne, wenn man die Sozialdemokratie zur Seite stößt und statt dessen sich den „Pro-Vorarlbergern” in die Arme wirft?

Er hätte der Sache einen großen Dienst erwiesen. Denn auf Prof. Morscher hätte man vielleicht gehört, meine Warnungen wurden nur verspottet. Auch die Warnung des sozialistischen Klubobmannes Heinz Fischer, wenn man vor der Volksabstimmung das Einvernehmen in Vorarlberg nicht gesucht habe, werde man es nachher in Wien auch nicht finden, verhallte unbeachtet.

Mit der größten Tageszeitung im Rücken glaubte man, stark genug für einen Alleingang Vorarlbergs zu sein. Stark genug auch, um auf die Unterstützung durch die anderen Bundesländer verzichten zu können. Dabei waren die acht anderen Bundesländer ja genau so von der Initiative Vorarlbergs betroffen, ging es doch nach allgemeiner Ubereinstimmung um eine Gesamt-

änderung der österreichischen Bundesverfassung.

Auch der Bundeskanzler hatte schon im April auf diesen Umstand hingewiesen. Im Parlament erklärte er, bei aller Respektierung des Willens der Vorarlberger Bevölkerung könne er über mehr Länderrechte nur mit allen Landeshauptleuten gemeinsam verhandeln und nicht mit dem Vorarlberger Landeshauptmann allein.

Spätestens seit dieser Erklärung hätte Landeshauptmann Keßler wissen müssen, daß die erste Adresse für seine Wünsche nur die Landeshauptleute-Konferenz sein konnte. Und daß er nur in dem Maße Erfolg haben würde, als es ihm gelänge, auch die anderen acht Kollegen auf seine Seite zu bringen.

Trotzdem hat der Vorarlberger Landeshauptmann keinen Versuch unternommen, die Landeshauptleute-Konferenz dazu zu bringen, ihm ein Mandat für Verhandlungen mit dem Bund zu erteilen. Und so wird es nun kommen, wie es kommen mußte. Das Ergebnis der Vorarlberger Volksabstimmung wird zur Kenntnis genommen werden, von der Bundesregierung und vom Nationalrat, mehr nicht. Verhandlungen materieller Art wird es nicht geben können.

Das alles wäre für mich noch kein Grund gewesen, zur Feder zu greifen. Aber die Ausführungen Prof. Mor-schers sind ein Beweis dafür, daß auch hochintelligente Menschen noch nicht begriffen haben, daß „Pro Vorarlberg” vom Anfang bis zum Ende falsch gelaufen ist. Hätte es eines Lehrstückes bedurft, um zu demonstrieren, wie man die gute und richtige Idee des Föderalismus durch macht- und parteipolitische Aktion diskreditieren kann - mit „Pro Vorarlberg” wurde es geliefert.

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