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Digital In Arbeit

FÖDERATIV, DEMOKRATISCH, NATIONAL

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FURCHE: Was sind die aktuellen Probleme Ihrer Partei?

BELA BUGÄR: Unsere Bewegung hat auf ihrem VI. Parteilandeskongreß Ende November 1992 ihre bisherigen Aktivitäten analysiert. Die letzte Periode hat gezeigt, daß man die Tätigkeit vor allem in den Basisorganisationen und in einigen Regionen verstärken muß. Der Kongreß hat dem Antrag zugestimmt, in einzelnen Regionen Sekretäre einzustellen, die die strukturelle Organisation der Bewegung übernehmen sollen. Ein dauerndes und aktuelles Problem der Bewegung ist die Verbesserung der Arbeit in der parlamentarischen Opposition.

JAN CÄRNOGURSKY: Die KDH ist nach den Wahlen im Juni 1992 von der Regierung in die Opposition gegangen. Wir haben uns an der Regierung in der schwierigen Epoche nach den Wahlen 1990 und vor allem nach dem Zerfall der damaligen siegreichen Bewegung „Öffentlichkeit gegen Gewalt” (VPN) beteiligt, aber wir waren schon in der Regierung gleich nach dem Entstehen unserer Bewegung im Februar 1990 und sind jetzt eigentlich zum ersten Mal in der Opposition.

In der öffentlichen Meinung entstand der Eindruck, als ob unsere Bewegung für die schwierige Wirtschaftssituation verantwortlich wäre, in die die Slowakei wie auch andere postkommunistische Länder geraten sind. In den Verhandlungen mit der tschechischen Seite vor den Wahlen über die innere Struktur der Tsche-cho-Slowakei ist es uns nicht gelungen, unseren Standpunkt der inneren Wandlung der Tschecho-Slowakei nach dem Muster der Europäischen Gemeinschaft durchzusetzen.

Dieser Mißerfolg hat sehr viel zu unserem Mißerfolg bei den Wahlen beigetragen und zum späteren Zerfall der Tschecho-Slowakei geführt. Die gegenwärtige, noch schwierigere Wirtschaftslage, wie auch die Teilung der Tschecho-Slowakei überzeugen einerseits viele in der Slowakei, daß unser politisches, wirtschaftliches und staatsrechtliches Programm realistisch war. Auf der anderen Seite führt die siegreiche regierende Bewegung autoritative Elemente ins öffentliche Leben und in die Staatsverwaltung ein. Die KHD stellt sich dagegen - und unsere Mitglieder werden zum Objekt der Diskriminierung seitens der Staatsverwaltung. Da wir die einzige konsequente parlamentarische Oppositionspartei sind, entwickeln wir uns zum Koordinator der Aktivitäten für die Verteidigung der demokratischen Werte.

JAN KLEPAC: Die Probleme unserer Partei sind dieselben wie die der ganzen Slowakei. Seit 1. Jänner 1993 ist die Slowakei nicht mehr eine Region in Mitteleuropa. Die Slowaken sind nicht mehr nur eine ethnische Gruppe in ihr. Die Slowakei ist ein souveräner Staat der slowakischen Nation. Wir betrachten das als eine Herausforderung, als eine große Gelegenheit, die nicht verpaßt werden darf. Trotz der Schwierigkeiten und schlechteren Ausgangspositionen glaube ich, daß wir es schaffen. Denn endlich wird der slowakische Mensch auf seinem Eigentum und für sich arbeiten können. So wie die Slowakei um ihr Image in der Familie der europäischen Nationen kämpfen muß, so muß sich auch die Christlich-Soziale Union im slowakischen politischen Spektrum durchsetzen. Wir sind eine junge Partei und deshalb müssen wir die Leute nicht nur mit unserem Programm, sondern auch mit dem Angebot besserer alternativer Lösungen auf politischem, wirtschaftlichem, sozialem und geistig-kulturellem Gebiet ansprechen.

FURCHE: Welchen Platz nimmt Ihre Partei im Parteienspektrum und in der Gesellschaft der Slowakei ein, welche Werte bietet sie an?

BUGÄR: Es ist kein Geheimnis, daß unsere Bewegung für eine funktionierende Föderation eintrat. Die Entstehung der selbständigen Slo wakischen Republik nehmen wir als eine politische Realität an. Nach unserer Meinung war und ist die Slowakei auf die Selbständigkeit nicht genügend vorbereitet. Diese Meinung haben wir auch im Parlament mehrmals betont, doch ohne Effekt. Obwohl ich ein geborener Optimist bin, weiß ich nicht, wie sich die Slowakei mit den ökonomischen und sozialen Problemen auseinandersetzen wird. Als eine Minderheitsbewegung werden wir selbstverständlich wie bisher die Rechte der ungarischen Minderheit verteidigen. Zusammen mit unserem Koalitionspartner haben wir einen Gesetzesentwurf ausgearbeitet, wie die Problematik der Minderheiten zu lösen wäre. Nach unserer Ansicht ist das nur verfassungsmäßig möglich.

CARNOGURSKY: Wir sind eine Partei anständiger Menschen. Unsere Mitglieder verfallen nicht der Demagogie. Sie sind redlich und stehen mit christlichen Werten in der Auseinandersetzung mit anderen - zum Beispiel nationalen - Werten. Die KHD ist die einzige Partei in der Slowakei, die Mitglied einer europäischen Organisation, konkret der Europäischen Demokratischen Union ist, das heißt, wir sind die einzige Partei, die ihren direkten Partner in Westeuropa hat.

Wir bieten die Verteidigung der Demokratie, die Ehrfurcht vor der Demokratie, das Christentum, nationale Traditionen und die Orientierung an Westeuropa an.

KLEPAC: Unsere Bewegung hat sich im Oktober 1992 in eine politische Partei umgewandelt und gab sich den Namen Christlich-Soziale Union. Ihr Ziel ist, eine relevante, christliche politische Kraft zu werden. Unser Programm stützt sich auf die christliche Weltanschauung, auf parlamentarische Demokratie und soziale Marktwirtschaft. Wir betonen Werte wie Familie, Nation, setzen auf Moral, individuelle Leistung und individuelle Verantwortung.

FURCHE: Mit welchen Schwierigkeiten rechnen Sie in Zukunft?

BUGÄR: Die siegreiche Bewegung für eine demokratische Slowakei (HZDS) von Vladimir Meciar hat bei den letzten Parlamentswahlen die Lösung der kardinalen Fragen der Gesellschaft zwar versprochen, sich aber nur staatspolitischen Fragen gewidmet. Jetzt wird sie sich nicht mehr ausreden können. Ab jetzt werden falsche Versprechungen nicht ausreichen, weil die Lösung der ökonomischen und sozialen Probleme nicht mehr verschoben werden kann.

CARNOGURSKY: Wir müssen mit Schwierigkeiten und Herausforderungen von zweierlei Art rechnen. Auf der einen Seite kann die siegreiche Bewegung HZDS unter der Last der Verantwortung, die sie durch die Teilung der Tschecho-Slowakei ohne Referendum auf sich genommen hat, zerfallen. In diesem Fall könnte sich die Situation des Jahres 1991 wiederholen, in dem die damals siegreiche Bewegung „Öffentlichkeit gegen Gewalt” zerfallen ist. Das Auseinanderbrechen der HZDS könnte ein Chaos in die politische Szene bringen, in eine unklare Periode der Kristallisation anderer politischer Parteien führen.

Auf der anderen Seite zeigt die HZDS mit Vladimir Meciar an der Spitze eine Tendenz zur Anwendung undemokratischer Methoden bei der Verwirklichung ihrer Ziele - und wir müssen ihnen entgegentreten. Und selbstverständlich ist die selbständige Republik mit wirtschaftlichen und politischen Schwierigkeiten konfrontiert. Die Teilung der Tschecho-Slowakei ist für uns ein unumkehrbares Faktum. Wir betrachten eine Wiedererneuerung der Tschecho-Slowakei für unannehmbar, weil sie das Ende der politischen Aspirationen der Slowakei bedeuten könnte. Also: auf der einen Seite müssen wir gegen die undemokratischen Manieren in der Politik der slowakischen Regierung Widerstand leisten. Auf der anderen wollen wir alle Möglichkeiten zur Unterstützung und Stabilisierung der selbständigen Slowakei ausnützen.

KLEPAC: Die nächste Probe unserer Stärke werden die Kommunalwahlen im nächsten Jahr sein. Wir sind die Partei der nationalen Rechten. Wir sprechen vor allem die Mittelklasse, die Intelligenz, Unternehmer und Landwirte an. Die Slowakei muß endlich die Wahrheit über sich sagen. Denn man wollte dieses Volk Jahrhunderte lang verheimlichen und in den letzten Jahrzehnten hat man seine Geschichte verfälscht. Endlich öffnet sich die Slowakei der Welt, die sich überzeugen sollte, daß hier ein reifes Kulturvolk lebt, das sich in der europäischen Konkurrenz bewähren wird. Das ist die wichtigste Aufgabe in der nächsten Zukunft.

Die Interviews führte Frantiäek Sykora in Bratislava.

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