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Fördert der Staat die Ledigen und Kinderlosen?

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Bei der Diskussion um das Familieneinkommen wird leider allgemein vergessen, daß Familie „teilen“ bedeutet. In diesem Falle das Aufteilen des Einkommens auf die Familienmitglieder: Dafür gibt es mehrere Methoden. Unter anderem das Peller-Schema oder die „Altersfaktoren des statistischen Zentralamtes“.

Für die folgende Untersuchung wurde der „IFES-Sozialschicht-In-dex“ verwendet, den das „Institut für empirische Sozialforscliung“ im Jahre 1971 für eine Untersuchung der Salzburger Arbeiterkammer mit dem Titel „Das Gesicht der Armut“ angewendet hat. Dieser „IFES-Sozial-schicht-Index“ teilt der ersten Person im Haushalt das Gewicht 1,0, den weiteren erwachsenen Personen im Haushalt das Gewicht 0,8, größeren Kindern (10 bis 14 Jahre) das Gewicht 0,6 und kleineren Kindern (bis 10 Jahre) das Gewicht 0,4 zu.

Da bei einer Steuer die differenzierte Berücksichtigung des Alters schwierig ist, wurde für die nachstehende Untersuchung für ein Kind ein Durchschnittsgewicht von 0,6 genommen, das ist der Durchschnitt von 0 bis 24 Jahren.

Wenn man nun unter Anwendung der „Gewichtung“ das Nettoeinkommen einer Familie auf die Familienmitglieder aufteilt, so erhält man für den ersten Erwachsenen das „gewichtete Pro-Kopf-Einkommen“ dieser Familie und kann dann dadurch den Lebensstandard dieser Familie mit dem eines Alleinstehenden gut vergleichen. Besteht etwa eine Familie aus dem Elternpaar, für das das Gewicht 1,0 + 0,8 = 1,8 einzusetzen ist und drei Kinder ä 0,6 = 1,8, so ist die Summe der Gewichte 3,6. Ist nun ein Nettoeinkommen von 10.000 Schilling auf diese Familie aufzuteilen, so ergibt 10.000 : 3,6 = 2778. Dieser Betrag ist somit das „gewichtete Pro-Kopf-Einkommen“ dieser Familie.

Dabei ist noch eine Feststellung in der bereits angeführten Broschüre „Das Gesicht der Armut“ interessant. Die Verfasser, IFES und Salzburger Arbeiterkammer, behaupten, daß ein Pensionist, der eine Ausgleichszulage bekommt, sie deswegen bekommt, weil er so wenig Pension erhalten würde, daß die Gemeinschaft sich genötigt fühlt, ihm etwas dazuzugeben, damit er ein halbwegs menschliches Leben führen kann. Der Ausgleichszulagen-Richtsatz für den Alleinstehenden bedeutet also nach Ansicht der Verfasser der Broschüre die „Armutsgrenze“.

Der Ausgleichszulagen-Richtsatz beträgt derzeit für den Alleinstehenden 3092 Schilling. Netto erhält der Ausgleichszulagenempfänger somit ungefähr 3030 Schilling monatlich. Dieser Betrag bedeutet also derzeit die „Armutsgrenze“, und die Familie mit drei Kindern und einem gewichteten Pro-Kopf-Einkommen von 2778 Schilling liegt somit unter der Armutsgrenze.

Wie ist es nun mit der Steuer? Bei der Untersuchung dieses Problems wurde vom „gewichteten Pro-Kopf-Einkommen“ ausgegangen und, sozusagen im Rückwärtsgang, Steuer und Steuerbemessungsgrundlage errechnet. Es wurden vier verschiedene Fälle gegenübergestellt, der Alleinstehende, das kinderlose, beiderseits erwerbstätige Ehepaar, eine Familie mit einem Kind und - um die Grenzen etwas abzustecken - eine Familie mit sechs Kindern.

Bei einem Pro-Kopf-Einkommen von 3000 Schilling, also bereits unter der Armutsgrenze, zahlt der unselbständige, also lohnsteuerpflichtige Alleinstehende überhaupt keine Steuer, ebenso das kinderlose, beiderseits erwerbstätige Ehepaar, von. dem angenommen wurde, daß beide Ehepartner gleich viel verdienen. Der Alleinverdiener mit einem Kind und einer Steuerbemessungsgrundlage von 7161 Schilling zahlt monatlich 871,30 Schilling Steuer, der Alleinverdiener mit sechs Kindern und einer Steuerbemessungsgrundlage von 13.203 Schilling zahlt monatlich 2773 Schilling. Man ersieht schon daraus, daß die Familien benachteiligt werden und das bei gleichem Lebensstandard; im „gewichteten Pro-Kopf-Einkommen“ wird die Familienbeihilfe bereits berücksichtigt.

Bei der Beurteilung der Größe der Benachteiligung kann man verschiedene Wege einschlagen, um einen Vergleich zu erzielen: Man kann etwa die von den verschiedenen Gruppen zu bezahlenden Lohnsteuerprozentsätze bei einem gleichen „gewichteten Pro-Kopf-Einkommen“ miteinander vergleichen. Bei einem „gewichteten Pro-Kopf-Einkommen“ von 4500 Schilling zahlt der Ledige 9,03 Prozent, der Familienerhalter mit sechs Kindern dagegen 33,84 Prozent seiner Lohnsteuerbemessungsgrundlage.

Wenn man den Gleichheitsgedanken konsequent anwendete, müßte das Familieneinkommen mit den gleichen Steuer-Prozentsätzen besteuert werden wie das des Ledigen

bei gleichem „gewichteten ProKopf-Einkommen.“ Das würde bei der Sechskinderfamilie und 3000 Schilling „gewichtetem Pro-Kopf-Einkommen“ bedeuten, daß sie keine Steuer zahlt, bei 4000 Schilling wäre die Steuerleistung 1523,40 Schilling statt wie bisher 6639,30 Schilling, bei 5000 Schilling 3866,82 statt 12.778,70, bei 6000 Schilling „gewichtetem Pro-Kopf-Einkommen“ 6778,85 statt wie bisher 19.641,79 monatlich.

Fazit: Die Steuerbelastung der Familien ist weitaus höher als die eines vergleichbaren Ledigen oder gar eines beiderseits erwerbstätigen, kinderlosen Ehepaares; das heißt, daß Ledige und Doppelverdiener gegenüber den alleinverdienenden Familienerhaltern stark gefördert werden. Mit steigendem „Pro-Kopf-Einkommen“ verringern sich die Unterschiede; das bringt eine asoziale Note in unser Steuersystem.

Das Ergebnis zeigt, daß eine grundlegende Reform des gesamten Einkommensteuersystems zugunsten der Familie notwendig ist; das Ergebnis der Untersuchung würde auf das Splitting-System hindeuten. Wie aber aus einer anderen Untersuchung des Verfassers hervorgeht, hat das Splitting-System keine ausgesprochene lastenausgleichende Wirkung. Daher müßte bei einer Reform der Einkommensteuer die Wirkung sehr genau überlegt werden. Zumindestens müßte aber sichergestellt werden, daß das Familien-Mindesteinkommen (=■ Ausgleichszulagen-Richtsatz mal Gewichtungsfaktor) steuerfrei bleibt.

Zur beabsichtigten Steuersenkung in der Form, daß der allgemeine Steuerabsetzbetrag von 4400 auf 4800 Schilling pro Jahr, der Arbeitnehmer-Absetzbetrag von 2400 auf 3000 Schilling und der Alleinverdiener-Absetzbetrag von 2400 auf3200 Schilling erhöht werden soll, muß festgestellt werden, daß die Wirkung auf das Familieneinkommen sehr gering ist. Der unselbständige Alleinverdiener könnte damit rechnen, daß er um 183,33 Schilling monatlich mehr bekommt; bei einer Sechskinderfamilie wäre das bei einem Gewichtungsfaktor von 5,4 ein monatlicher Mehrbetrag von 33,95 Schilling pro Kopf, während der Ledige mit einem Mehrbetrag von 116,66 Schilling rechnen kann.

(Der Autor ist Mitglied des Präsidiums des Katholischen Familienverbandes Österreichs)

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