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Forsche Franzosen

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Daß die seit dem Vorjahr amtierende sozialistische Regierung in Frankreich sich Österreich zum Modell genommen habe, ist zumindest auf dem Gebiet der Forschungspolitik ein leeres Gerücht. Denn während in Frankreich das Ressort für Forschung und Technologie auf die Uberholspur drängt, gibt sich Österreichs Wissenschaftsministerium mit Stagnation zufrieden.

Vor Mitgliedern der Europäischen Union der Wissenschaftsjournalisten erläuterten Frankreichs Forschungsverantwortli-' che — angeführt vom zuständigen Minister, Jean-Pierre Chevene-ment — ihr Konzept: Frankreichs Ausgaben für Forschung und Entwicklung sollen von 1,8 Prozent des Bruttoinlandsproduktes im Jahr 1980 (Weltspitze: USA mit

2.4 Prozent) bis zum Jahr 1985 auf

2.5 Prozent gesteigert werden.

Daneben haben die patriotischen Vertreter der „grande nati-on” eine Studie in Auftrag gegeben, wie Französisch zur Wissenschaftssprache Nummer eins gemacht werden könne. Ihr Argument: Wer in der Wissenschaft international seine Muttersprache verwenden könne, habe einen unschätzbaren Vorteil.

Von 1980 auf 1981 wurden die französischen Aufwendungen für Forschung und Entwicklung von umgerechnet etwa 136 auf 157 Milliarden Schilling erhöht. Betrug 1980 der Anteil der Wirtschaft 43 und jener des Staates 57 Prozent, so wurden 1981 für die öffentliche Forschung 62, für die private Forschung aber nur mehr 38 Prozent ausgewiesen, wobei aber in jedem Fall das Gros dieser Mittel (1980: 60 Prozent) in die Unternehmen fließt

Österreich fällt im Vergleich dazu deutlich ab. Hier werden 1982 für Forschung und Entwicklung rund 16,4 Milliarden Schilling (1,46 Prozent des Bruttoinlandsproduktes) ausgegeben. Hauptmäzen der Forschung und Entwicklung ist die Wirtschaft (51,1 Prozent), gefolgt vom Bund (34,8 Prozent), den Ländern (12,9 Prozent) und sonstigen Einrichtungen (1,2 Prozent).

Während der Anteil der Wirtschaft und der Bundesländer in den letzten Jahren zugenommen hat, hat sich jener des Bundes kontinuierlich verringert, weshalb nun die Ausgaben der öffentlichen Hand insgesamt hinter jenen der Wirtschaft zurückgeblieben sind (siehe Graphik).

In erster Linie haben dies die Grundlagenforschung und der dafür eingerichtete, zu fast 100 Prozent aus Bundesmitteln finanzierte Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF) zu spüren bekommen. Die Vollmacht für die FWF-Verantwortlichen durch das Kuratorium, einen Vorgriff auf ein ganzes Jahresbudget (176 Millionen Schilling) zu machen, spricht Bände (siehe FURCHE 6/1982).

Man darf bei Betrachten der geringen Dotierung des FWF gar nicht an Frankreich denken. Dort erhält die zentrale Stelle für wissenschaftliche Grundlagenforschung CNRS (Centre national de la recherche scientifique) 1982 ein Budget von etwa 16,2 Milliarden Schilling und kann damit in mehr als 1200 eigenen Labors und Forschungseinrichtungen 23.320 Mitarbeiter beschäftigen. Man darf die Räumlichkeiten des FWF in der Wiener Garnisongasse auch nicht mit dem Schlößchen des CNRS in Gif-sur-Yvette südlich von Paris vergleichen. (Übrigens: Frankreich hat etwa siebenmal so viele Einwohner wie Österreich.)

Aber auch im Vergleich mit durchaus vergleichbaren ausländischen Institutionen schnitt Österreichs FWF 1980 (damaliger Bundeszuschuß rund 161 Millionen Schilling) nicht gut ab, denn so viel erhielten ähnliche ausländische Einrichtungen: in Belgien rund 180 Millionen Schilling, in den Niederlanden etwa 1,4 Milliarden Schilling (!), in Schweden 950 Millionen Schilling und in der Schweiz rund 1,2 Milliarden Schilling (!).

Traurig ist dabei, daß die finanziellen Nöte des FWF sowohl aussichtsreiche wissenschaftliche Projekte als auch Arbeitsplätze für junge Wissenschaftler gefährden. Gemessen am österreichischen Gesamtaufwand für Forschung und Entwicklung fallen die Ausgaben für den FWF quantitativ kaum ins Gewicht, qualitativ ist sein Beitrag zur österreichischen Forschung gar nicht hoch genug einzuschätzen.

Noch etwas größere Sprünge kann der Forschungsförderungs-fonds für die gewerbliche Wirtschaft (FFF) machen, dem 1981 immerhin 487 Millionen Schilling für 352 Projekte der sogenannten „angewandten” Forschung zur Verfügung standen. Der FFF war 1971 mit einer Bundeszuwendung von 85 Millionen Schilling noch keineswegs so deutlich vor dem FWF (1971: Bundeszuwendung von 74 Millionen Schilling) gelegen.

Der FWF hat — so dessen Generalsekretär Raoul Kneucker — eine Umfrage unter Hochschulangehörigen gestartet, auf welchen Gebieten in den nächsten Jahren besonders geforscht werden soll, welche Projekte sogar von nationalem Forschungsinteresse sein müßten.

Von nationalem Interesse müßte es zweifellos sein, die Forschung mehr zu fördern und sie nicht am Hungertuch nagen zu lassen. FFF-Geschäftsführer Konrad Ratz weist darauf hin, daß erhoben wurde, ein einziger Forschungsschilling erbringe in fünf bis sechs Jahren rund 20 Umsatzschillinge. Mit einer Million Schilling, die in die Forschung investiert wird, läßt sich ein halbes Dutzend Arbeitsplätze auf Jahre hinaus sichern.

Das Forschungsdefizit Österreichs beträgt gegenüber vergleichbaren Ländern noch immer an die 40 Prozent, erscheint den Fachleuten bei beiden Fonds aber aufholbar. Dazu wird es freilich energischer Anstrengungen sowohl der Wirtschaft als auch der öffentlichen Hand bedürfen.

Ob der Erfolg von Forschung nur vom Kapitalzufluß abhängt, scheint freilich manchen Leuten fraglich. Der Blick nach Frankreich könnte — so oder so — lehrreich werden.

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