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Forschung oder Talmud

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Die gesellschaftliche Relevanz der „Wissenschaft des Judentums" und in der Folge der Judaistik mag subjektiv verschieden hoch bewertet werden. Die politische Entwicklung verstärkt das Interesse.

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Die gesellschaftliche Relevanz der „Wissenschaft des Judentums" und in der Folge der Judaistik mag subjektiv verschieden hoch bewertet werden. Die politische Entwicklung verstärkt das Interesse.

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Es wäre sicher reizvoll, die wissenschaftstheoretischen Aspekte der Lehr- und Forschungsaktivitäten noch lange vor einer Grundlegung der Judaistik als Wissenschaft darzulegen. So gesehen ist ja bereits die rabbi-nische Aufarbeitung der biblischen Traditionen ein Bereich ju-daistischer Forschung.

Es ist unübersehbar, daß die Entstehung der „Wissenschaft des Judentums" sowohl eine wis-

senschaftstheoretische wie auch eine gesellschaftliche Komponente zeigt, die insofern in einer Wechselbeziehung stehen, als die Erreichung der gesellschaftlichen Ziele nur dann möglich schien, wenn auf wissenschaftlicher Ebene sozusagen ein gesellschaftsfähiger Status erreicht war. Es ist sicher berechtigt zu sagen, daß das auslösende Moment für die verschiedenen Aktivitäten das gesellschaftliche war.

Das entscheidende gesellschaftliche Anliegen formulierte Immanuel Wolf im Jahre 1822: „Die wissenschaftliche Kunde des Judenthums muß über den Werth oder Unwerth der Juden, über ihre Fähigkeit oder Unfähigkeit, anderen Bürgern gleich geachtet, gleich gestellt zu werden, entscheiden."

Die Worte Ruboschof f s aus dem Jahre 1918 erhalten volle Gültigkeit: „Uber den Ideengehalt und das Schicksal dieser geistigen Strömung nachzudenken, ist aber Aufgabe und Pflicht nicht des Historikers allein. Vielmehr ist es denjenigen jungen jüdischen Intellektuellen Lebensbedürfnis, die sich selbst in einer nichtjüdischen Kultur verwurzelt fühlen, sich nach einer jüdischen Entscheidung sehnen und selbst vor einer ähnlichen Prüfung zu stehen glauben."

Hinsichtlich des Umfanges der Judaistik gab bereits Immanuel Wolf eine Definition: „Wenn von einer Wissenschaft des Judenthums die Rede ist, so versteht es sich von selbst, daß hier das Wort Judenthum in seiner umfassendsten Bedeutung genommen wird, als Inbegriff der gesammten Verhältnisse, Eigenthümlichkeiten und Leistungen der Juden, in Beziehung auf Religion, Philosophie, Geschichte, Rechtswesen, Literatur überhaupt, Bürgerleben und alle menschlichen Angelegenheiten; - nicht aber in jenem beschränkteren Sinne, in welchem es nur die Religion der Juden bedeutet."

Die sowohl im Hinblick auf Methode, Umfang und Wissenschaftszweck ausgewogenste Definition der .jüdischen Wissenschaft", in der auch bereits der Wandel zur „Judaistik" erkennbar ist, stammt von L. Wallach und ist einer im Jahre 1937 von der Hochschule für die Wissenschaft des Judentums in Berlin preisgekrönten Arbeit entnommen: „Wissenschaft des Judentums ist in ihrem Kern eine Geisteswissenschaft, deren Methodologie durch ihren Zusammenhang mit den allgemeinen Wissenschaften gegeben ist. Ihre Objekte sind durch den Begriff „Judentum’ bestimmt. Sie hat ein ihr eigenes Problem — das jüdische schlechthin — als Stoff, und ein letztes Prinzip, nach dem dieser zu be^ treiben ist - die religiöse jüdische Idee."

Das Verhältnis von Judaistik zur Wissenschaft des Judentums hat in seiner Polarität Analogien zum Verhältnis von Religionswissenschaft und Theologie.

Als unmittelbare Konsequenz ergibt sich daraus, daß die Judaistik eine Methode vermittelt hat, die es erlaubt, durch das Dickicht der interessengebundenen Deutungen zu den Quellen selbst vorzudringen und ihre Vielschichtigkeit zu erkennen.

Eine formale Beschreibung des Umfanges des Gebietes, die bereits der Tatsache Rechnung trägt, daß sich die Wissenschaft des Judentums zur Judaistik gewandelt hat, gab im Jahre 1901 Martin Buber. Für ihn gibt es nur einen jüdischen Wissenschaftskomplex, der durch Herauslösung

Gegenstand der Judaistik

der das Judentum betreffenden Abschnitte aus den verschiedenen Disziplinen und die Angliederung an die philologisch aufgefaßte Judaistik herzustellen ist.

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