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Forschungsarbeit für den Bürger

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Wenn Bund, Länder und Gemeinden den „Finanzkuchen” teilen, gibt es oft Streit. Ein Projekt der Österreichischen Forschungsgemeinschaft peilt eine wissenschaftliche Lösung an.

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Wenn Bund, Länder und Gemeinden den „Finanzkuchen” teilen, gibt es oft Streit. Ein Projekt der Österreichischen Forschungsgemeinschaft peilt eine wissenschaftliche Lösung an.

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Alle paar Jahre werden die finanziellen Mittel aufgrund der Finanzausgleichsverhandlungen zwischen den Gebietskörperschaften Bund, Ländern und Gemeinden verteilt. Unzufriedenheit auf allen Seiten ist meist das Resultat, da viele Betroffene meinen, ein zu kleines Stück vom großen „Finanzkuchen” ergattert zu haben. Doch auch die Experten sind seit langem der Ansicht: Das System der Verteilung ist nicht grundlegend falsch, aber zumindest nicht ausreichend und dadurch zurzeit ungerecht.

Die Arbeitsgemeinschaft für Kommunalwissenschaften der österreichischen Forschungsgemeinschaft (siehe Kasten) möchte dies mit ihrem neuesten Forschungsprojekt ändern. Eine umfassende wissenschaftliche Studie zum Thema Finanzausgleich, bei der Fachwissenschaftler und Praktiker zusammenarbeiten werden, soll für die nächste Periode, die 1989 beginnt, bereits Konzepte bieten können, die das Verteilungssystem gerechter machen.

Diese Studie ist das zweite Projekt der 1983 gegründeten Arbeitsgemeinschaft. „Ihr Ziel ist, kontinuierliche Forschungsarbeit auf Fachgebieten zu leisten, die in der heutigen Situation unseres Staates von besonderem öffentlichem Interesse sind. Anliegen und Probleme der Länder und Gemeinden sollen dabei besonders berücksichtigt werden”, umreißt Reinhard Rack, Professor für Verfassungs- und Verwaltungsrecht an der Universität Graz und Leiter der Arbeitsgemeinschaft, die Aufgaben.

Daß eine Reform des Finanzausgleichssystems notwendig ist, zeigte schon die „Geburt” der Idee für das laufende Projekt: Der Wunsch nach einem neuen Konzept kam praktisch von allen betroffenen Stellen.

Um die jetzige Situation, in der jeder unzufrieden ist und dafür auch gute Gründe hat”, so Reinhard Rack, zu ändern, widmen sich die Wissenschaftler zwei Hauptfragen:

• Einerseits ist es ein strukturelles Problem, das auf verfassungsrechtlicher Ebene klargestellt werden müßte. Zurzeit hat nämlich der Bund das alleinige Sagen, wieviel an finanziellen Mitteln den Ländern und Gemeinden zur Verfügung gestellt wird. Eine Reform sollte dazu führen, daß die drei Gebietskörperschaften Bund, Länder und Gemeinden in den Verhandlungen als gleichberechtigte Partner auftreten.

• Andererseits werden die finanziellen Mittel derzeit überwiegend nach dem sogenannten abgestuften Bevölkerungsschlüssel verteilt. Das bedeutet, daß beispielsweise Großstädte pro Bürger mehr als doppelt soviel erhalten wie Kleingemeinden.

Nicht die Abschaffung dieses Systems, sondern seine Ergänzung durch andere Verteilungsmechanismen wird als Lösungsvorschlag für die Zukunft gesehen. Die Zahl der Bevölkerung ist ein zu „primitiver Indikator”, vielmehr müssen die tatsächlichen Aufgaben der Gemeinden, die sinnvolle Aufgabenverteilung, konkrete Finanzierungstechniken genau unter die Lupe genommen werden. Soll nämlich der finanzielle Bedarf an den Aufgaben gemessen werden, muß man diesen Bereich genau durchforsten.

„Baukastensystem”

Es muß beispielsweise in vielen Fällen geklärt werden, ob alle den einzelnen Gemeinden anvertrauten Aufgaben im selben Ausmaß weitererfüllt werden sollten. Bei der Errichtung von großen Zentralkrankenhäusern oder der Planung von überdimensionierten Freizeiteinrichtungen wird sicher häufiger der Rechenstift angesetzt werden müssen, um Mehrgleisigkeiten zu vermeiden und Defizite zu verringern.

In der Praxis kommt es auch immer wieder vor, daß den Gemeinden vom Bund oder den Ländern neue Aufgaben zugewisen werden, ohne daß die Finanzierung gesichert ist. Oder daß im Rahmen der Steuerreform bestimmte Steuern (zum Beispiel Gewerbesteuern oder Lohnsummensteuer), deren Ertrag den Gemeinden zugute kommt, abgeschafft werden, ohne daß ein Ersatz dafür geleistet wird. An den

Ergebnissen dieses im „Baukastensystem” durchzuführenden Projektes — das heißt, einzelne Teilbereiche werden von kompetenten Fachwissenschaftlern untersucht — werden, so hoffen die Initiatoren, die politischen Instanzen nicht vorbeigehen können.

Einen Erfolg konnte die Arbeitsgemeinschaft für Kommunalwissenschaften bereits mit ihrer ersten Aktivität im Herbst 1984 verbuchen. Im Rahmen eines Symposions über das Thema „Die Zukunft der Gemeinde - Gemeinde der Zukunft?” redeten Gemeindepolitiker aus ganz Österreich mit Kommunalwissenschaftlern aus dem In- und Ausland über Probleme und Entwicklungstendenzen in den Gemeinden.

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