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Fort vom Polsterl-Sozialismus

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Sozialistische Spitzenfunktionäre ahnen ÖVP-Obmann Josef Taus dort, wo Bayerns ■Franz Josef Strauß steht — im rechten Winkel des Konservativismus. So wünscht beispielsweise SP-Klubobmann Fischer der österreichischen Demokratie, daß Josef Taus sein Gastspiel in der heimischen Politik-Szene recht bald beenden möge.

Das Motiv für diese harte Sprache: Die Rede von Josef Taus vor dem CDU-Parteitag in Hannover; sein Vorwurf an Kreisky, im Jargon der zwanziger Jahre zu parlieren; seine Feststellung auch, daß Ider Sozialismus die ausgewogene, liberale und pluralistische Demokratie ablehne, sobald seine Repräsentanten verkünden, daß nur der {Sozialismus die Demokratie er- und ausfülle.

Dieser sozialistische Exklusivanspruch wird freilich tatsächlich gelegentlich vertreten; heute offener als noch zu Beginn der siebziger Jahre, als sich der österreichische Sozialismus bewußt und kalkuliert mit Liberalen und (Bürgerlichen umgab. Damals hieß es (von Bruno Kreisky bis Karl Czernetz), daß der österreichische Sozialismus kein Mandat zur grundlegenden Änderung der Gesellschaft erhalten habe. Die ersten Beiträge zur SP-Pro-grammdiskussion (auf einem außerordentlichen Parteitag soll 1977 das neue Parteiprogramm der SPÖ diskutiert und 1978 beschlossen werden) weisen neue Wege. Da wurde jüngst etwa in einer Veranstaltung des Renner-Instituts das „spätkapi-talistische Wirtschafts- und Gesellschaftssystem“ verdammt, „die Überwindung des derzeitigen Systems“ gefordert. Vor allem intellektuelle Sozialisten deuten immer öfter den Wählerauftrag dahin, die Gesellschaft und Wirtschaft sei von Grund auf zu ändern.

Hingegen hat schon in seiner Wahl-Parteitagsrede im Juni 1975 Josef Taus die Notwendigkeit der Reideologisierung der Volkspartei gepriesen. Man mochte das seinerzeit — immerhin herrschte Wahlkampf — als wenig aktuell empfunden haben. Inzwischen weiß man, wie richtig diese Forderung an sich ist.

Denn heute, nach sechs Regierungsjahren, fühlt sich die SPÖ verpflichtet, vom sogenannten „Pol-sterl“-Sozialismus wegzukommen, die Demokratie, so wie das Bruno Kreisky sehr offen aussprach, mit Sozialismus auszufüllen. Der Fehler der Jung-Sozialisten besteht aus der Sicht Kreiskys hingegen darin, dieses Versprechen ernst zu nehmen und an der Regierungspolitik zu messen. Derlei Seriosität brachte sie jüngst an den Rand des Parteiausschlusses.

Josef Taus' Reideologisierungs-Bemühungen beruhen auf einer konkreten Strategie. Es ist ihm heute vor allem darum zu tun, Wörter wie Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität zu politischen Schlüsselbegriffen seiner eigenen Partei zu machen. Aus der Sozialistischen Partei will er dagegen eine Gruppe machen, die nicht auf die Verwirklichung individueller Gestaltungsmöglichkeiten, sondern auf Unterordnung der Bürger ausgerichtet ist.

Allerdings macht es ihm die SPÖ leicht, diese Konzeption zu verdek-ken. Erst jüngst hat die Diskussion um die österreichische Marktordnung gezeigt, daß der österreichische Sozialismus recht doktrinäre Züge annehmen kann. Die Frage, ob das in seinem Wesen begründet liegt, müßte deshalb zur zentralen Frage der Reideologisierungs-Debatte werden. Diskutiert werden müßte aber auch die Frage, ob nicht die sogenannte „Demokratisierung“ von der Demokratie wegführt, ob der heutige Sozialismus nicht die „Demokratie“ als bloße Apparatur mißversteht. Auch dafür gibt es zahlreiche Anzeichen. So wurde jüngst in Wien der Beschluß auf Anhebung der Straßenbahntarife gefaßt, als die Straßenbahnkarten mit den neuen Preiser. bereits ausgedruckt waren. Das geschah unter Bürgermeister Leopold Gratz, der doch sonst so großen Wert darauf legt, als Muster-Demokrat zu gelten.

Es ist nun einmal so, daß es an der SPÖ und der' Bundesregierung liegt, wenn ihr der Begriff Sozialismus entgegengehalten werden kann. Diverse Praktiken entziehen ihr nun einmal gelegentlich die moralische (Glaubwürdigkeit und die demokratische Legitimation. Unter ihrer nun sechsjährigen Herrschaft gibt es — warum sollte man es leugnen? — zahlreiche Beispiele für seelische Verwahrlosung, sittliche Orientierungslosigkeit und Autoritätsverlust des Rechtsstaates. Man hat nun einmal nicht immer den Eindruck, daß in Österreich der Staat auch „humanitäre“ Inhalte vermittle. Darüber ist zu diskutieren und gerade eine so große und machtbewußte Partei wie die SPÖ sollte diese Diskussion nicht abblocken, indem sie alle zu verteufeln versucht, die offene, ernste und entscheidende Fragen beantwortet haben wollen, ehe sie ein weiteres Wegstück mit der SPÖ mitgehen. Mit ihrer derzeit zur Schau gestellten Wehleidigkeit leistet die SPÖ der Demokratie jedenfalls keinen guten Dienst. R. S.

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