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FPÖ konnte sich als dritte Kraft behaupten

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Soweit eine solche Bilanz die Opposition betrifft, springen sofort die Grenzen ins Auge, die dieser als einer parlamentarischen Minderheit von vornherein gezogen sind. Gibt es doch im Bereich konkreter politischer Sachforderungen für eine Oppositionspartei nichts, dessen Durchsetzung etwa am Beginn einer Gesetzgebungsperiode verbindlich zugesagt werden könnte. Da aber bloße Verwendungszusagen - und mehr kann, wer sich einer absoluten Regierungsmehrheit gegenübergestellt sieht, nicht geben - keiner Erfolgshaftung unterliegen, ist klar, daß für eine Oppositionspartei andere Bilanzkriterien zu gelten haben als für eine Regierungspartei.

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Soweit eine solche Bilanz die Opposition betrifft, springen sofort die Grenzen ins Auge, die dieser als einer parlamentarischen Minderheit von vornherein gezogen sind. Gibt es doch im Bereich konkreter politischer Sachforderungen für eine Oppositionspartei nichts, dessen Durchsetzung etwa am Beginn einer Gesetzgebungsperiode verbindlich zugesagt werden könnte. Da aber bloße Verwendungszusagen - und mehr kann, wer sich einer absoluten Regierungsmehrheit gegenübergestellt sieht, nicht geben - keiner Erfolgshaftung unterliegen, ist klar, daß für eine Oppositionspartei andere Bilanzkriterien zu gelten haben als für eine Regierungspartei.

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Der Raum, innerhalb dessen die Opposition alleinverantwortlich wirken und sich voll entfalten kann, ist mit der Aufzählung ihrer klassischen Aufgaben im wesentlichen abgesteckt: Kontrolle, Kritik und das Aufzeigen von Alternativen. In allererster Linie hier sind die Maßstäbe anzulegen, an denen Erfolg oder Mißerfolg einer Oppositionspartei abgelesen werden kann.

Gewiß spielt daneben auch der Bereich gesetzgeberischer Mitgestaltung eine nicht zu unterschätzende Rolle. Immer wieder gelingt es ja den beiden Oppositionsfraktionen, im Zuge der Ausschußberatungen auf den Inhalt von Gesetzen Einfluß zu nehmen und somit auch eigene Vorstellungen zu verwirklichen. Doch die Regierungspartei bleibt dabei stets der Wirt, ohne den die Rechnung nicht gemacht werden kann - und der, wie die Erfahrung zeigt, auch den Erfolg, den die Opposition da oder dort erzielen konnte’, nur allzu gerne auf sein eigenes Konto bucht.

In welchem Umfang bzw. mit welchem Engagement die freiheitliche Oppositionsfraktion die sozialistische Bundesregierung kontrolliert und deren Politik, wo immer dies angebracht schien, kritisiert hat, darüber gibt die Statistik manchen interessanten Aufschluß: Von den 1261 Debattenreden, die in der ersten Halbzeit der XIV. Gesetzgebungsperiode des Nationalrates gehalten wurden, entfallen auf die SPÖ 421 (33,4 Prozent), auf die ÖVP 590 (46,8 Prozent) und auf die FPÖ 250 (19,8 Prozent). Im Durchschnitt entfal-

len daher auf einen Abgeordneten der SPÖ 4,5, der ÖVP 7,4 und der FPÖ 25,0 Wortmeldungen.

Von den 1368 Schriftlichen Anfragen, die im selben Zeitraum eingebracht wurden, entfallen auf die SPÖ 108 (7,9 Prozent), auf die ÖVP 939 (68,6 Prozent) und auf die FPÖ 321 (23,5 Prozent). Im Durchschnitt entfallen daher auf einen Abgeordneten der SPÖ 1,2, der ÖVP 1,1,7 und der FPÖ 32,1 Schriftliche Anfragen.

Von den in 37 Fragestunden des Nationalrates zum Aufruf gelangten 282 Mündlichen Anfragen entfallen auf die SPÖ 99 (35,1 Prozent), auf die ÖVP 128 (45,4 Prozent) und auf die FPÖ 55 (19,5 Prozent). Im Durchschnitt entfallen daher auf einen Abgeordneten der SPÖ 1,1, der ÖVP 1,6 und der FPÖ 5,5 Mündliche Anfragen.

Nach der am 1. Oktober 1975 in Kraft getretenen neuen Geschäftsordnung des Nationalrates gilt bezüglich der Mündlichen Anfragen, daß neben den beiden Zusatzfragen, die der Anfragesteller selbst zu stellen berechtigt ist, sodann auch andere Abgeordnete, jedoch höchstens drei, sich mit je einer weiteren Zusatzfrage „anhängen“ können. Die bisherige Praxis der XIV. Gesetzgebungsperiode hat schon gezeigt, daß diese auf einen freiheitlichen Vorschlag zurückgehende Neuerung eine erfreuliche Belebung der Fragestunde bedeutet. Auch hier sind es die Abgeordneten der FPÖ, die den solchermaßen gewonnenen Spielraum besonders stark genützt haben. Von den 582 gestellten weiteren Zusatzfragen entfallen auf die SPÖ 176 (30,2

Prozent), auf die ÖVP 197 (33,8 Prozent) und auf die FPÖ 209 (35,9 Prozent). Im Durchschnitt entfallen daher auf einen Abgeordneten der SPÖ 1,9, der ÖVP 2,5 und der FPÖ 20,9 weitere Zusatzfragen.

Wenn auch Zahlen allein noch kein vollständiges Bild ergeben, so ist der Aussagewert dieser statistischen Übersicht dennoch ein beträchtlicher. Durchwegs zeigt sich, daß der Anteil der FPÖ an den parlamentarischen Aktivitäten - gemessen an der Ausgangsposition dieser Partei (10 von 183 Abgeordneten) bei weitem überpro- pörtional ist.

Eine weitere Handhabe parlamentarischer Kontrolle, die nach der neuen Geschäftsordnung des Nationalrates und somit seit Beginn der XIV. Gesetzgebungsperiode zur Verfügung steht, ist das Recht eines Drittels der

Mitglieder des Nationalrates, den Rechnungshof mit der Durchführung besonderer Akte der Gebarungsüberprüfung zu beauftragen. Es waren die freiheitlichen Abgeordneten, die - unterstützt von Abgeordneten der anderen Oppositionspartei - von diesem Minderheitsrecht erstmals Gebrauch gemacht haben. Der Gegenstand der hier veranlaßten Prüfung betraf den Budgetvollzug 1975, und das vom Rechnungshof zutage geförderte Ergebnis bestätigte dann auch die von der Opposition im Zusammenhang mit dem Konjunkturausgleichsbudget 1975 vermutenen Mängel.

Was die Inhalte der Kritik betrifft, die von freiheitlicher Seite in den abgelaufenen zwei Jahren an der Bundesregierung geübt wurde, so lassen sich diese im Rahmen eines solchen Beitrages nur sehr grob umreißen. Der Schwerpunkt lag hier zweifellos auf jenen gravierenden Unterlassungen, die für die Politik der sozialistischen Bundesregierung gerade in der XIV. Gesetzgebungsperiode so kennzeichnend sind und als deren Folge - auf der Passivseite der Regierungspartei - heute vor allem folgende ungelöste Probleme in Evidenz gehalten werden müssen:

Die überfällige Sanierung des - ungeachtet empfindlicher Steuer- und Gebührenerhöhungen - völlig desolaten Staatshaushaltes, die besorgniserregende Entwicklung dier Zahlungsbilanz, das immer wieder sichtbar werdende Manko an innerer Sicherheit, das im argen liegende Gesundheitswesen unter Einschluß der Spitälerfinan-

žierung, der ungeheure Nachholbedarf im Bereiche des Umweltschutzes und die drängenden Fragen der Energiepolitik (siehe den Regierungsbericht zur Kernenergie, in dessen Inhaltsverzeichnis zwar Schlußfolgerungen verheißen werden, die man im Bericht selbst dann aber vergebens sucht).

Als Beispiele dafür, daß die FPÖ, über Kontrolle und Kritik hinaus, auch echte Alternativen aufgezeigt hat, sind zu nennen: Der Initiativantrag der FPÖ betreffend ein modernes Ladenverkaufszeitengesetz als liberale Alternative zur starren Laden- schlußregelung* das freiheitliche Energiekonzept, der Initiativantrag betreffend Altölbeseitigung, die im Marktordnungs- bzw. Agrarbereich präsentierten Reformkonzepte, die Initiativen betreffend dis 5-Tage- Schulwoche und das freiheitliche Spitälersanierungskonzept.

Auch in dem eingangs an vierter Stelle genannten Bereich, nämlich dem konkreter gesetzgeberischer Mitgestaltung der Opposition, mögen nur einige Beispiele verdeutlichen, daß die Freiheitlichen doch einen wesentlichen Beitrag zu leisten vermochten: Zunächst gilt dies für die maßgebliche Mitwirkung der FPÖ an der Konzipierung und Gesetzwerdung der Volksanwaltschaft, die - allen seinerzeitigen Unkenrufen zum Trotz - ihre erste Bewährungsprobe bereits ausgezeichnet bestanden hat. Ein weiterer Bereich, in welchem die inhaltliche Einflußnahme der FPÖ auf Gesetzesreformen (in letzter Zeit vor allem auf die Familienrechtsreform) zu Buche schlägt, ist die Justiz, wo es - auf Grund wesentlicher Konzessionen von seiten des Ressortchefs - immer wieder gelingt, den Konsens zu finden.

Von diesem breiten Konsens bleibt freilich die Frage des Schwangerschaftsabbruches ausgeklammert, in der sich die Freiheitlichen mit ihren eigenen Vorstellungen („Konfliktlösung“) allerdings sowohl von der Regierungspartei als auch von der ÖVP bzw. von den Initiatoren des diesbezüglichen Volksbegehrens abgegrenzt haben. Ferner seien als Beispiele für freiheitliche Mitgestaltung noch das Volksgruppenrecht, das Bundesgesetz zur Verbesserung der Nahversorgung und des Wettbewerbs und die Wehrgesetznovelle 1977 genannt.

Zur Abrundung dieser Bilanz noch ein Blick auf die Mehrheitsbildungen: Von den 184 Gesetzesbeschlüssen, die der Nationalrat in der abgelaufenen Halbzeit gefaßt hat, kamen 147 (79,9 Prozent) mit den Stimmen aller drei Fraktionen, 19 (10,3 Prozent) nur mit den Stimmen der SPÖ, 16 (8,7 Prozent) mit den Stimmen von SPÖ und ÖVP und 2 (1,1 Prozent) mit den Stimmen von SPÖ und FPÖ zustande.

Der hohe Prozentsatz einstimmig beschlossener Gesetze (fast 80 Prozent) und der Umstand, daß nur rund 10 Prozent silier Gesetzesbeschlüsse allein mit den Stimmen der Sozialisten zustandegekommen sind, könnten dazu verleiten, den - sicherlich vielfach vorhandenen - Konsens in seinem tatsächlichen Ausmaß doch bei weitem zu überschätzen. Diese verzerrte Optik wird aber sogleich korrigiert, wenn man sich den materiellen Gehalt eben jener 19 Gesetze vergegenwärtigt, die nur mit SPÖ-Mehrheit verabschiedet wurden: Neben zahlreichen Steuer- und Gebührenerhöhungen (mit denen der Bevölkerung schwere Belastungen zugemutet wurden, ohne daß man dadurch der Sanierung des Staatshaushaltes auch nur einen Schritt näher gekommen wäre) vor allem die Budgets für 1976 und 1977, deren grundlegende politische Bedeutung wohl nicht näher betont zu werden braucht. Nur eine Handvoll Gesetze also, die aber im Sinne entscheidender Weichenstellungen riesige Bereiche, wie den der Finanz- und Budgetpolitik und auch der Wirtschaftspolitik, unmittelbar betreffen.

Alles’in allem erscheint mit diesem Rückblick auf die letzten zwei Jahre wohl hinreichend belegt, daß die Halbzeitbilanz der XIV. Gesetzgebungsperiode des Nationalrates, soweit sie die Freiheitlichen betrifft, eine durchaus aktive ist. Das Resümee, das hier gezogen werden darf, lautet dahin, daß sich die FPÖ mit den von ihr entwickelten parlamentarischen Aktivitäten sowohl in quantitativer als auch in qualitativer Hinsicht neben SPÖ und ÖVP als dritte Kraft zu behaupten vermochte.

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