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Fragen an Robert Hochner

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Nun, da der künftige Kopf der neuen Neuen AZ feststeht, ist es an der Zeit, sich auch über die Linie des Blattes Gedanken zu machen und Robert Hochner, der als Chefredakteur für die Richtung, die die Zeitung einschlägt, verantwortlichsein wird, einige Fragen mit auf den bevorstehenden Weg zu geben; Fragen, die er nicht mir, dem Norbert Leser, wohl aber den künftigen, erst zu erobernden Lesern des neuen Produktes beantworten muß, und zwar nicht in Form von Absichtserklärungen, sondern durch Taten und den Einfluß, den er auf die Redaktionspolitik nimmt.

Die Gretchenfrage, die sich Hochner stellen muß, lautet meines Erachtens wie folgt: Soll die Neue AZ nach erfolgter Richtungsänderung ein linksliberales oder eher linkes bis links-radikales Blatt sein? Denn wenn die bisherigen parteitreuen Leser der Neuen AZ eine linke bis links-radikale Schreibweise, wenn auch ohne Begeisterung, hingenommen haben, so werden die erst zu überzeugenden Leser, die sie ersetzen oder ihnen an die Seite treten sollen, eine solche Gesinnung und Diktion wohl kaum goutieren.

Beispiele gefällig?Die von der Neuen AZ wesentlich mitgetragene Kampagne gegen den amtierenden Bundespräsidenten war nicht nur unfair, sondern auch kontraproduktiv, da sie die Wahl Waldheims nicht nur nicht verhinderte, sondern ihm Wähler der Kriegsgeneration in Scharen zuführte und in weiterer Folge auch nicht seinen Rücktritt zu erzwingen vermochte.

Ein weiteres Beispiel für eine verunglückte Haltung war die Schreibweise anläßlich des Begräbnisses der letzten österreichischen Kaiserin, die sich durch Hohn und Spott hervortat und die Gefühle vieler Menschen beleidigte. Auch die Art, in der sich die Neue AZ über Religion und Kirche äußert, zeichnet sich durch Spott und Herablassung negativ aus. Dagegen legte die Neue AZ triefendes Verständnis für die verurteilte deutsche Terroristin Irmgard Strobl und die ihr zugeordnete Szene an den Tag.

Ist dies alles nicht viel eher links-radikal als links-liberal? Denn zu einer liberalen Haltung gehört Verständnis und Toleranz gegenüber den Gefühlen anderer, jedenfalls nicht die Neigung, auf diesen Gefühlen herumzutrampeln und Salz in Wunden zu streuen.

Sollte es dem neuen Chefredakteur nicht gelingen, die Schreibweise einiger Mitglieder der bisherigen Redaktion einzubrennen, wäre die angekündigte Richtungsänderung ein Etikettenschwindel und die Neue AZ wäre dann wahrscheinlich eine Totgeburt, die sich zwischen „Standard“ und „ Volksstimme“ auf die Dauer keinen Platz in der Sonne der Lesergunst sichern könnte.

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