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Frankreich: Eine Testwahl auch für Splittergruppen
Wird aus dem Europa der Grenzen ein Europa der Völker? Ein erster Schritt zu einem vereinten Europa wird zwischen dem 7. und dem 10. Juni jedenfalls getan, wenn die Wahlberechtigten aus den neun Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft aufgerufen sind, ein gemeinsames Parlament zu bestellen. In der Bundesrepublik Deutschland, Großbritannien und Nordirland, Frankreich, Italien, Luxemburg, Belgien, Dänemark, Irland und in den Niederlanden werden 180 Millionen Menschen an die Urnen gerufen. Grund genug zu fragen, wie es um die Europa-Stimmung in einzelnen EG-Staaten bestellt ist. FURCHE-Korresponden-ten berichten:
Frankreichs politische Kommentatoren bedauern, daß die Vorbereitungen für den Urnengang am 10. Juni in ihrem Land zu sehr von innenpolitischen Überlegungen gekennzeichnet seien. Nachdem sich die Massenmedien — vor allem das Fernsehen - massiv in den Wahlkampf eingeschaltet haben (eine Diskussion der Parteichefs Jacques Chirac [Gaullisten], Francois Mitterand [Sozialisten], Georges Marchais [Kommunisten] und der Listenführe-rin der Regierungspartei UDF für die Europawahlen, Simon Veil, wurde von etwa 18 Millionen Franzosen mitverfolgt), werden auch die breiten Massen mit internationalen Problemen vertraut gemacht.
Noch ist nicht sicher, ob es den Parteien gelingen wird, den Großteil der Wahlberechtigten zur Stimmabgabe zu mobilisieren. Die Regierung rechnet aber doch mit einer Wahlbeteiligung von rund 60 Prozent. Frankreich wird 81 Abgeordnete ins Europäische Parlament schicken.
Immer neue Listen werden präsentiert, und von der trotzkistischen Linken bis hin zur extremen Rechten wollen Splittergruppen testen, wie sie aufgrund des proportionalen Wahlsystems bei diesen Europawahlen in der Wählergunst abschneiden.
Europa feindlich Gesinnte gibt es in Frankreich freilich genug: Die kleine aber aggressive Gruppe der Gaullisten wird sicherlich dafür sorgen, daß möglichst wenig in dieser übernationalen Volksvertretung geschieht. Seltsamerweise befinden sie sich dabei in der Umgebung einer Partei, mit der sie sonst nicht viel gemeinsam haben. Denn die französischen Kommunisten werden von ähnlichen Überlegungen geleitet.
So wird es also voraussichtlich von den zwei stärksten Fraktionen, den Sozialisten und den Konservativen
abhängen, ob einige Schritte vorwärts gemacht werden können, um zumindest eine Konföderation europäischer Staaten zu schaffen. Glaubt man Sozialistenchef Mitterand, wird das zukünftige Europa aber eine Einbahnstraße werden. Seiner Version nach kann Europa nur existieren, wenn es sozialistisch sei.
Da es in Frankreich keine organisierte christlich-demokratische Partei gibt, ist dieses Land kaum in der Lage, den Christdemokraten Europas jene Schützenhilfe zu gewähren, wie es einzelne Politiker, besonders Senatspräsident Poher, gerne sehen würden. Und nachdem die europäischen Christdemokraten für die Integrierung Europas eintreten, wird auch eine Zusammenarbeit mit den Mannen Chiracs kaum in Frage kommen.
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