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Frankreich im Glück

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Pablo Picassos 90. Geburtstag wurde in aller Welt gefeiert. Im selben Jahr - 1971 - erklärte der damalige französische Präsident Georges Pompidou: „Ich bin bereit, die Gründung eines Picasso-Museums in Frankreich zu unterstützen, doch womit soll es gefüllt werden? Ich erwarte Beiträge von großzügigen Spendern..Den Franzosen, die der Meinung waren, daß Picasso Frankreich viel verdanke, brannte dieses Problem sozusagen unter den Nägeln. Als der Künstler 1970 dem 1963 eröffneten, nach ihm benannten Museum in Barcelona den Hauptteil der vor seiner Niederlassung in Frankreich entstandenen Werke schenkte, hatte man dies fast beleidigt registriert und verfolgte erbittert' jede weitere Schenkung an Spanien. Frankreich hätte die Frage „Ist Picasso ein Spanier oder ein Franzose?“ gern zu seinen Gunsten entschieden.

Denn was die Franzosen interes- •siert, war weniger das Schicksal der diversen Schlösser und anderen Besitzungen Picassos als seine legendären Privatsammlungen, deren Umfang noch nie enträtselt worden war. Die apokalyptische Unordnung seiner Ateliers und Lagerräume, die Andeutungen und gelegentlich gezeigten „Kostproben“ nährten kühnste Spekulationen: hunderte, ja tausende von Gemälden, die allein die Säle eines Museums füllen könnten, würde man eines Tages entdecken. Es war bekannt, daß Picasso nur einen Teil seiner Werke dem Handel überließ und daß er Bilder aus frühen Epochen zurückkaufte.

Picasso war verschiedentlich gedrängt worden, noch bei Lebzeiten die Aufteilung seines Erbes vorzunehmen - vergeblich, wie sich nach seinem Tod am 8. 4.197 hera umstellte. Der größte Nutznießer dieses Versäumnisses sollte - ob vpm Künstler gewollt oder nicht - der französische Staat werden.

Der Erbschaftssteuerregelung gin

gen Prozesse und immer wieder umgestürzte Entscheidungen über die Zahl der Erbberechtigten voraus.

Was der französische Staat zu einem Drittel mit den 6 Erben zu teilen hatte, belief sich auf die Summe von 1,5 Milliarden Francs, die nach jahrelanger Inventar- und Bewertungsar-

Foto: Exposition Picasso 1979 Grand Palais

beit für Picassos künstlerische Hinterlassenschaft von 1855 Gemälden, 7089 Zeichnungen, rund 30.000 Grafiken, lß55 Plastiken und'2880 Keramiken angesetzt wurde. Mit dem Euiverständnis der Erben, bediente sich der Staat als erster und sicherte sich 228 Gemälde, 149 Plastiken, 1485 Zeichnungen, 1622 Grafiken, dazu

die Privatarchive und Originaldokumente aus Picassos Besitz.

Die Auswahlkommission ist allseitig zu ihren Entscheidungen beglückwünscht worden. Die Besuchermassen, die zu den seit Mitte Oktober im Grand Palais ausgestellten insgesamt 800 Exponaten strömen, wären wohl weniger gewaltig, wenn sich nicht herumgesprochen hätte, daß hier „erste Qualität“ gezeigt wird. Aus den meisterhaften Bruchstük- ken aus allen Schaffensperioden läßt sich ein Lebenswerk zusammenfügen, das alle Superlative rechtfertigt. Ausnahmen sind lediglich die weniger überzeugenden Werke aus den siebziger Jahren. Auf sie träfe Picassos Geständnis zu: „Eine ganze Menge von dem, was ich gemalt habe, ist nichts als Dekoration.“

Die Picasso-Forschung wird einen neuen Anlauf nehmen müssen, um dieses Malerleben mit allen seinen Facetten - Picassos Selbstironie, seine Furcht, sich zu kopieren, seine Interpretationen von Bildern alter Meister - unter neuartigen Aspekten zu begreifen. Mehr als bisher wird sie dank der nun zugänglichen Werke Picassos eigene Welt als Inspirationsquelle und einen Großteil seiner Kunst als ein Abreagieren auf zahllose häusliche Querelen (wie zur Bestätigung von Cocteaus Bonmot, Picassos Werk sei ein einziger gewaltiger Ehekrach) berücksichtigen. Erst jetzt wird deutlich, in welchem Maß Picassos Schaffen in der Wirklichkeit seines unruhigen Privatlebens wurzelt.

Was im Grand Palais noch bis zum 7. Jänner 1980 zu sehen ist, wird ab Herbst 1981 den Hauptbestand eines PariserPicasso-Museums bilden. Bis dahin, also zu Picassos 100. Geburtstag, soll die 20 Milhonen Francs teure .Restaurierung des Adelspalastes Hotel Salė im Marais-Viertel beendet .$,ęip, Seipę un,d,dje Picasso-Bestände .der übrigen staatlichen Museen machen Frankreich zum Picasso-reichsten Land der Welt.

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