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Frankreichs Erbe

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China behauptet, seine Truppen nach Vollendung der Strafexpedition aus Vietnam zurückgezogen zu haben. Vietnam behauptet, noch seien 30 Positionen auf seinem Territorium nicht geräumt, die Chinesen würden an strategisch wichtigen Punkten sogar feste Stellungen errichten. China behauptet, dem Nachbarn die deutliche Lehre erteilt zu haben, es dulde an seiner südlichen Grenze keine Expansionsgelüste. Vietnam behauptet, den Invasionstruppen eine vernichtende Niederlage zugefügt zu haben, und so fort.

Aus den widersprüchlichen Meldungen lassen sich doch bereits einige Folgerungen ziehen. Zunächst: Ein chinesischer Blitzkrieg fand nicht statt. In dem gebirgigen Gelände kamen die Invasoren nur langsam und unter großen Verlusten vorwärts. Der chinesischen Armee fehlt es an Kampferfahrung und moderner Ausrüstung.

Mit der Eroberung der strategischen Stadt Lang Son hatten sich die Chinesen den Zugang zur Reisebene mit der Hauptstadt Hanoi geöffnet, ohne aber die in einem Ring um Hanoi konzentrierten regulären Divisionen Vietnams zum Kampf stellen zu können.

Die Vietnamesen zeigten erneut, daß ihre in 30 Jahren Krieg gehärteten Soldaten heute wohl die beste Infanterie der Welt sind. Sie taten dem Angreifer nicht einmal den Gefallen, an der Grenze Elitedivisionen für eine Vernichtungsschlacht aufzustellen, sondern wohlgerüstete Miliz-und Grenzwachen hielten dem Angriff stand.

Für Vietnam ist der Krieg mit dem

Rückzug der Chinesen jedoch nicht zu Ende. Es verfügte vielmehr die Mobilisierung aller Streitkräfte. Außerdem geht aus den Analysen der Nachrichtendienste hervor, daß die Vietnamesen gegenwärtig drei Divisionen aus Kambodscha, zwei aus Laos und zwei aus Südvietnam in das nördliche Grenzgebiet verlegen, um den schwer angeschlagenen Grenzschutz abzulösen. Sie werden auf absehbare Zeit ihre Nordgrenze mit starken Kräften schützen müssen.

In Kambodscha kämpfen die Knabensoldaten Pol Pots weiter, von chinesischem Nachschub unterstützt. In Laos bereitet sich unterdessen eine neue Front vor. Im Norden hatten sich die Chinesen ein Protek-

„Mindestens vier vietnamesische Divisionen ... führen einen Vernichtungskrieg gegen die aufständischen Bergstämme in Laos“ torat geschaffen, indem sie seit mehr als einem Jahrzehnt in das kaum erschlossene Gebiet strategische Straßen bauten. Doch geriet das Regime in Vientiane immer stärker in Abhängigkeit von Vietnam. Premier Kaysong ist nichts weiter als ein Statthalter Hanois. Wie mit Kambodscha schloß Vietnam auch mit Laos einen 25jährigen Freundschaftsvertrag und befestigte damit die „Indochinesische Föderation“, das heißt, die Wiederherstellung des französischen Kolonialreiches unter der Fuchtel Hanois.

Mindestens vier vietnamesische Divisionen besetzten die Hauptzentren von Laos und führen einen Vernichtungskrieg gegen die aufständischen Bergstämme in Laos. Als Folge dieser Besetzung wurden im Herbst bereits 200.000 Mann der chinesischen bewaffneten Arbeitsbataillone zum Abzug aufgefordert. Auch wurden drei chinesische Konsulate in diesem Gebiet geschlossen. In den letzten Wochen mußten, laut Radio Vientiane, auch die letzten 5000 Chinesen das Gebiet räumen. Seither melden Hanoi und Vientiane starke chinesische Truppenkonzentrationen und Angriffe auf laotisches Gebiet.

Peking will offenbar im Grenzgebiet der drei Länder auf lange Sicht einen Kriegszustand auf Sparflamme unterhalten, um Vietnam militärisch und wirtschaftlich zu schwächen, und so die Expansionsgelüste Hanois zu zügeln. Damit ist der Druck auf die fünf ASEAN-Staaten (Indonesien, Malaysia, Philippinen, Singapur, Thailand) erheblich reduziert, vor allem dürfte Thailand aufatmen. Sodann will Peking Hanois Ansprüche auf die Spratley- und Paracel-Inseln im Chinesischen Meer, unter denen reiche Ölvorkommen vermutet werden, ausschalten.

Schließlich stellt es die mächtige Sowjetunion als „Papiertiger“ dar, der nichts zum Schutz seines Verbündeten unternahm. Erleichtert wurde diese bemerkenswerte Zurückhaltung der Sowjetunion freilich durch den Umstand, daß Vietnam durchaus in der Lage war, sich aus eigener Kraft zu verteidigen.

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