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Franz Olah und sein „Stück Weges” in der SPÖ

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„Ich würde mir von der katholischen Kirche in Glaubens- und Grundsatzfragen mehr Festigkeit wünschen”, erklärte der ehemalige ÖGB-Chef, Nationalratspräsident und Innenminister, Franz Olah, anläßlich einer Diskussionsveranstaltung im Dr.-Karl- Kummer-Institut in Wien. Die Kirchenaustritte, so Olah, sollten zu denken geben, die Kirche sollte überhaupt auf den Staat als Exekutor für die Kirchensteuer verzichten. An die Adresse der derzeitigen Regierungsmehrheit gerichtet, meinte Olah, gewisse, die Weltanschauung tief berührende Dinge dürfe man nicht mit einem Mehrheitsverhältnis von 51:49 durchdrücken. Seinen eigenen Standort umriß Olah mit dem eines Sozialdemokraten, wobei er die Grenze dort sehe, wo christliche Ethik und katholischer Glaube ihren fixen Standort hätten. Als ernstes Problem für die Kirche selbst sieht Olah an, daß für die „Geschiedenen und Wiederverheirateten” nichts getan werde. Die FURCHE nimmt Olahs Auftritt im Kummer-Institut zum Anlaß, mit dem ehemals starken Mann der SPÖ und Broda-Intimfeind ein Gespräch über zeitgeschichtliche Zusammenhänge und die aktuelle Strafrechtsproblematik zu führen.

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„Ich würde mir von der katholischen Kirche in Glaubens- und Grundsatzfragen mehr Festigkeit wünschen”, erklärte der ehemalige ÖGB-Chef, Nationalratspräsident und Innenminister, Franz Olah, anläßlich einer Diskussionsveranstaltung im Dr.-Karl- Kummer-Institut in Wien. Die Kirchenaustritte, so Olah, sollten zu denken geben, die Kirche sollte überhaupt auf den Staat als Exekutor für die Kirchensteuer verzichten. An die Adresse der derzeitigen Regierungsmehrheit gerichtet, meinte Olah, gewisse, die Weltanschauung tief berührende Dinge dürfe man nicht mit einem Mehrheitsverhältnis von 51:49 durchdrücken. Seinen eigenen Standort umriß Olah mit dem eines Sozialdemokraten, wobei er die Grenze dort sehe, wo christliche Ethik und katholischer Glaube ihren fixen Standort hätten. Als ernstes Problem für die Kirche selbst sieht Olah an, daß für die „Geschiedenen und Wiederverheirateten” nichts getan werde. Die FURCHE nimmt Olahs Auftritt im Kummer-Institut zum Anlaß, mit dem ehemals starken Mann der SPÖ und Broda-Intimfeind ein Gespräch über zeitgeschichtliche Zusammenhänge und die aktuelle Strafrechtsproblematik zu führen.

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FURCHE: Herr Minister, welche Ursachen hatte der im Herbst 1950 angekündigte Generalstreik, aus dem um ein Haar ein kommunistischer Umsturzversuch wurde?

OLAH: Eine allgemeine Unzufriedenheit war ja vorhanden. Als Folge des Krieges und der fünfjährigen Besatzung. Der Lebensstandard und die Realeinkommen waren recht niedrig, die Menschen haben gefragt: Warum geht’s nicht schneller? Die Kommunisten haben diese Unzufriedenheit immer geschürt… und als sie nach den Wahlen 1949 gesehen haben, daß sie auf der parlamentarischen Ebene den Durchbruch nicht schaffen, haben sie . 1950 versucht, die Spannungen im Zusammenhang mit dem jährlichen Lohn- und Preisabkommen für sich zu nützen.

FURCHE: Wie kam es dazu, daß der Streik 1950 so wirksam ins kommunistische Fahrwasser geriet?

OLAH: Die KP hatte zuerst in Österreich den Innenminister, sie konnte mit Hilfe der russischen Besatzung sehr viele Polizeistellen besetzen, in Wien haben die Russen 1945 überall kommunistische Polizeichefs eingesetzt. Was den Streik betrifft, war es so, daß von Anfang an Kommunisten die Wortführer waren. Sie haben nur einige andere Betriebe mitgerissen.

FURCHE: In welcher Weise habendie russischen Besatzer den Streikenden Unterstützung gewährt? War es nur eine moralische Unterstützung?

OLAH: In jenen USIA-Betrieben zum Beispiel, wo die Arbeiter und Angestellten mehrheitlich nicht mitmachen wollten, wurde der Streik ganz einfach erzwungen …’ in einem Betrieb hat der russiche Generaldirektor sogar den Strom abschalten lassen. Und im Erdölgebiet hat sich überhaupt niemand rühren dürfen, der sich nicht der Meinung der Kommunisten anschloß. Freüich hat es auch in einigen Privatbetrieben Anhänger gegeben. Die Russen selbst haben die Gewalttaten, in deren Verlauf es auch zahlreiche Verletzte gab, insofern unterstützt, als die Polizei und die niederösterreichische Gendarmerie Befehl bekommen haben, nicht einzuschreiten. Den Kriminalbeamten wurden sogar offen Repressalien angedroht, wie Verhaftung oder Entlassung. In Wien ging die Unterstützung soweit, daß russische Soldaten, wie die Zeitungen damals berichteten, aus dem Schweizer Garten Bänke auf die Fahrbahn trugen, um Barrikaden zu errichten.

FURCHE: Wie ist es Ihnen als damaliger Vorsitzender der Bau- und Holzarbeiter-Gewerkschaft gelungen, so wirksame Aktionen gegen die Kommunisten durchzuführen? Waren die Bauarbeiter bewaffnet? Wieviele hatten Sie zur Verfügung?

OLAH; Es waren einige tausend Bauarbeiter, die wegen des Streiks bei uns in den Gewerkschaftslokalen saßen und von der Gewerkschaft verpflegt wurden. Wir hatten auch Lkw von den einzelnen Baufirmen. Waffen hat’s keine gegeben, nur Holzknüppel.

Im übrigen waren das sicher nicht nur Sozialisten. Ich hab’ ja keine Parteibücher geprüft, daher waren auch sicher ÖVPler dabei.

FURCHE: Uber wieviele Tage haben sich die Einsätze” erstreckt, sind Sie da auch selbst mitgefahren?

OLAH: Genau weiß ich das nicht mehr, aber es hat wohl fünf Tage gedauert, vielleicht eine ganze Woche. Da sind die Leute nicht einmal aus den Kleidern gekommen … sie sind immer gleich losgefahren, wenn sie gerufen wurden. Ich selbst war nur bei einzelnen Aktionen dabei, wenn’s brenzlig wurde, oder wenn es um die russische Zone ging. Ich konnte nicht immer dabei sein, ich mußte ja erreichbar sein.

FURCHE: In der Oktober-Nummer des „Neuen Forum” wird der 1950 abgewehrte Umsturzversuch als „Niederlage der österreichischen Arbeiterbewegung” gewertet. Ein harmloser Streik sei niedergeschlagen und damit der „bösen” Sozialpartnerschaft Tür und Tor geöffnet worden. Was sagen Sie dazu?

OLAH: Zu so einem Blödsinn kann man nichts sagen … Ein paar Schwachsinnige schreiben da irgendetwas … ich les’ diese Zeitung gar nicht mehr. Das war früher eine gute Zeitung. Der Skandal liegt eigentlich darin, daß solche Zeitungen vom Staat noch subventioniert werden.

FURCHE: Kann man sagen, daß Österreichs Bemühungen um einen Staatsvertrag bei einem Erfolg der Kommunisten 1950 gescheitert wären?

OLAH: Man kann sagen, es wäre nicht sicher gewesen, daß wir dann auf dem Weg zum Staatsvertrag so bald und in dem Umfang Erfolg gehabt haften.

FURCHE: Wie haben Ihre Erlebnisse in Dachau für Ihr politisches Leben bestimmend gewirkt? Sind darin Ursachen für Ihr Verhältnis zur Sozialpartnerschaft zu sehen?

OLAH: Meine Eiristellung auf diesem Gebiet hat sich an sich durch die politische Zusammenarbeit nach 1945 ergeben, wobei dies sicher durch gemeinsame Erlebnisse im KZ erleichtert wurde. Diese Erfahrungen haben auf alle eingewirkt. Aber die Frageder Sozialpartnerschaft war auch eine Lebensfrage. In einer Zeit, in der es nichts zu verteilen gibt, braucht man auch nicht zu streiten …

FURCHE: Zum Abschluß ein paar aktuelle Fragen: Hat die SPÖ ein gestörtes Verhältnis zur Kirche?

OLAH: Die SPÖ vielleicht nicht, aber einzelne Leute, die der Kirche und der Religion durchaus ablehnend oder feindlich gegenüberstehen.

FURCHE: Wie sehen Sie die Strafrechtsreform, im speziellen die Fristenlösung?

OLAH: Die Wortführer der Strafrechtsreform haben von Anfang an auf die Fristenlösung hingearbeitet. Die, die die Reform ausgearbeitet haben, deren Zielrichtung war von Anfang an die Fristenlösung. Warum hat die ÖVP, als sie an der Regierung war, nicht selbst eine Strafrechtsreform durchgeführt? Warum hat sie das den Radikalen überlassen, jenen Kräften, die die Gesellschaft in Wirklichkeit nur auflösen wollen? Wenn auf diese Art alle Bande der Ordnung und des moralischen Zusammenlebens gelöst werden, dann ist das die Zertrümmerung der Gesellschaft, an deren Ende bestimmt eine neue Autorität steht, die nicht mehr demokratisch ist … Und das bürgerliche Lager unterschreibt auch noch seinen Untergang … nicht nur das bürgerliche Lager… aber das tägliche politische BlaBla geht an allen diesen wesentlichen Fragen vorbei.

FURCHE: Was sagen Sie zu Brodas Überlegungen, ob in Zukunft nicht etwas besseres als Gefängnisse gefunden werden könnte? Ist das noch Humanisierung des Strafrechtsvollzugs?

OLAH: Wenn wir sagen, daß wir keine Gefängnisse mehr brauchen, wozu soll sich jemand dann überhaupt noch an die Gesetze halten? Übrigens geht ja die Entwicklung in die entgegengesetzte Richtung als von den „Reformern” behauptet: Die Gewalttaten’ werden mehr und brutaler, nicht weniger! Im übrigen ist diese Forderung nach totaler Liberalisierung des Strafrechts ja gar kein sozialdemokratisches Gedankengut. Humanisierung: Ja! Der Verbrecher ist aber nicht zu behandeln wie ein Patient im Sanatorium. Ich möchte das so formulieren: Alles dafür, daß man versucht, denjenigen, der einmal etwas angestellt hat, wieder auf den geraden Weg zurückzubringen. Aber alles dagegen, daß Gewaltverbrecher sieben- bis zehnmal vorbestrafte Täter gehätschelt werden, wie Wickelkinder, für die, man meistens viel weniger übrig hat!

Das Gespräch mit Franz Olah führte Alfred Grinschgl.

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