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Frau, Bibel, Priesteramt

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Das Schreiben Papst Johannes Pauls II. über die Würde der Frau stellt sicher in vielen Punkten eine ungeheure Bereicherung in der Diskussion um die Stellung der Frau in Kirche und Gesellschaft dar und sei Frauen wie Männern als Lektüre eindringlich empfohlen. Auch in der biblischen Argumentation ist vieles befreiend, etwa die Feststellung, daß die Schöpfungserzählungen die Schuld an der ersten Verfehlung nicht einseitig der Frau zuweisen, sondern vielmehr Mann und Frau gleichermaßen gesündigt hätten (Nr. 9).

Umso mehr verwundert die (meinem Ermessen nach) biblisch unzureichende und problematische Begründung der Nichtzulassung von Frauen zum priesterlichen Amt. Sie lautet: „Wenn Christus nur Männer zu seinen Aposteln berief, tat er das völlig frei und unabhängig. Er tat es mit derselben Freiheit, mit der er in seinem Gesamtverhalten die Würde und Berufung der Frau betonte, ohne sich nach den herrschenden Sitten und nach der auch von der Gesetzgebung der Zeit gebilligten Tradition zu richten. Daher entspricht die Hypothese, er habe Männer zu Aposteln berufen, indem er der damals verbreiteten Mentalität folgte, ganz und gar nicht der Handlungsweise Christi... Wenn Christus nun die Eucharistie bei ihrer Einsetzung so ausdrücklich mit dem priesterlichen Dienst der Apostel verbunden hat, darf man annehmen, daß er auf diese Weise die gottgewollte Beziehung zwischen Mann und Frau, zwischen dem .Fraulichen' und dem .Männlichen', sowohl im Schöpfungsgeheimnis wie im Geheimnis der Erlösung ausdrücken wollte.“ (Nr. 26)

Man kann bereits damit zu fragen beginnen, inwiefern die biblischen Texte in der exklusiven Tischgemeinschaft mit den Zwölf eine „Ausdrücklichkeit“ aussprechen wollten. Wir finden an vielen anderen Stellen der Evangelien die Zwölf mit Jesus allein (Mt 20,17; Mk 10,32; 11,11; Lk 9,12 und andere) ohne daß jemand auf die Idee käme, in diesen Texten männliche Exklusivität angesprochen zu sehen. Wie könnte weiters bei konsequenter Weiterführung der päpstlichen Argumentation dem Schluß begegnet werden, Frauen seien zur Eucharistiefeier überhaupt nicht zuzulassen, da Jesus sich ja „ausdrücklich“ beim Abendmahl mit zwölf Männern zu Tisch gesetzt hätte?

Auch das Argument bezüglich der Freiheit Jesu gegenüber den damaligen Sitten und Traditionen ist problematisch. Hätte Jesus demnach nicht gleich — wie Paulus später — die Freiheit von der Befolgung der Thora festlegen können, sodaß sich spätere Konflikte und Diskussionen in der jungen Kirche erübrigt hätten? Es scheint doch vielmehr so gelaufen zu sein, daß vieles, das im Handeln Jesu durchaus einen Ansatzpunkt hatte, erst später mit allen Konsequenzen schrittweise und bedingt durch äußere Umstände verwirklicht wurde. Dies ließe sich etwa auch an der Haltung der Christen zur Sklaverei feststellen.

Der Grund, weshalb Jesus das Kollegium der Zwölf einsetzte, dürfte ebenfalls nicht ausreichend bedacht worden sein. Nach Lk 22,30 beispielsweise hat die Einsetzung der Zwölf etwas mit der Anzahl der Stämme Israels zu tun. So kann die Auswahl der Zwölf als zeichenhafte Handlung Jesu verstanden werden, die seine Sendung zu den „verlorenen Schafen Israels“ (Mt 10,6) darstellt. Da es sich bei den Stammesvätern Israels bekanntlich um Männer handelte (Gen 49), wäre dieses Zeichen kaum verstanden worden, hätte Jesus auch nur eine einzige Frau in diesen Kreis einbezogen.

Das größte Problem in der Argumentation des Schreibens bietet jedoch bibeltheologisch die implizit ausgesprochene Gleichsetzung der Einsetzung der Eucharistie mit der Stiftung des priesterlichen Amtes, wie es uns heute in der Kirche begegnet.

In den Abendmahlstexten selbst ist von einem spezifischen Dienst bei der Eucharistiefeier überhaupt keine Rede. Der Auftrag Jesu, dies zum Gedächtnis zu tun, bezieht sich nicht etwa auf den Vorsitz bei diesem Tun, sondern allgemein auf die gesamte ständige Fortführung seines Handelns. Abgesehen vom Schweigen der Texte über die Einsetzung eines Amtes müßte man auch annehmen, Jesus hätte den anwesenden Judas trotz des Wissens um dessen Vorhaben als priesterlichen Amtsträger eingesetzt, zumindest wenn man der Darstellung des Lukas folgt (22,21-23).

Bibeltheologisch kann auch das Apostelamt nicht ohne weiteres mit dem Dienst der Bischöfe und Priester identifiziert werden. Hatten doch die Apostel (die übrigens nach Paulus nicht einfach mit den Zwölf identisch waren -(vergleiche 1 Kor 15,4-7 und andere) die einmalige Aufgabe, unmittelbare Zeugen des Lebens und dann vor allem der Auferstehung Jesu zu sein (Apg l,21f.), so daß auch in den neugegründeten Gemeinden niemals ein Vorsteher mit dem Titel „Apostel“ bestellt wurde.

Die späteren Amtsträger in den Gemeinden waren insoferne „Nachfolger“ der Apostel, als sie von bestehenden kirchlichen Autoritäten eingesetzt wurden und -wie die Apostel — sowohl die Leitung wie die autoritative Verkündigung in den Gemeinden innehatten. Die Sakramentenspen-dung seitens der Amtsträger ist zwar als Konsequenz aus diesen Aufgaben durchaus als gegeben anzunehmen, in der Bibel werden jedoch Presbyter beziehungsweise Episkopen auch außerhalb der Abendmahlstexte niemals vorrangig als Sakramentenspender eingesetzt.

Aus dem Gesamtbefund der Bibel wird es generell schwer möglich sein, aus ihr eine eindeutige Antwort auf die Frage nach der Zulassung der Frau zum priesterlichen Amt zu erhalten. Letztlich sind wir wohl auf das bereitwillige Hinhören auf den Heiligen Geist, der in der Kirche auch heute noch wirken will, verwiesen.

Der Autor ist Pfarrer in Wien (Am Schöpfwerk).

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