7071381-1993_02_07.jpg
Digital In Arbeit

Frau Hell! und das Ausländer-Volksbegehren

Werbung
Werbung
Werbung

Frau Helli, Badefrau in einem Pensionistenheim, wird das Ausländer-Volksbegehren entgegen früherer Absicht nun doch nicht unterschreiben. Diese Entscheidung hat sie getroffen, ohne sich von den Regierungsparteien beeinflussen zu lassen.

Auch die kirchliche Autorität, die das Volksbegehren ebenfalls vehement bekämpft, läßt sie kalt. Und daß Herr Pilz von den Grünen die Befürworter der FPÖ-Initiative pauschal als menschenverachtender Bodensatz diffamiert und in die Nähe des Nationalsozialismus rückt, findet sie dumm. Mit den 1.000 Prominenten, die Andre Heller um sich geschart hat, weiß sie schon gar nichts anzufangen. Ein Hermann Nitsch ist ihr unbekannt - Gott sei's gedankt, denn seine Werke würde sie abscheulich finden.

Das trifft auch auf Elfriede Jelinek zu, die nach dem Grundsatz „Hasse Deinen Nächsten wie Dich selbst” Österreich bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit mit Pauschalanschuldigungen beflegelt. Den Journalisten aber, denen der marxistische Fundamentalismus abhanden gekommen ist und die jetzt unter der Flagge eines scheinbaren Liberalismus neue ewige Wahrheiten apodiktisch verkünden, traut sie schon gar nicht über den Weg. Auch findet sie es für komisch, wenn Prominente aus der Wirtschaft in einem neuen Wochenmagazin zu der diffizilen Ausländerfrage Stellung beziehen.

Frau Helli meint, daß diese Herren über die Problematik nicht ausreichend informiert sein können, da sie in den letzten zwanzig Jahren keine Straßenbahn mehr von innen gesehen haben und den Wohnbezirk der Badefrau bestenfalls nur besuchen, wenn sie dort Filialen eröffnen.

Das Schlüsselerlebnis, das eher unerwartet zu Frau Hellis plötzlichem Meinungsumschwung führte, fand an einem Freitag Nachmittag auf der Heimfahrt von der Arbeit in der Tram der Linie 26 auf der Donaufelderstraße statt. Dort beflegelte ein im Bezirk bestens bekannter, von der Notstandshilfe und vom Pfusch lebender Österreicher in offensichtlich betrunkenem Zustand einen ägyptischen Zeitungsverkäufer und beschimpfte ihn mit nicht wiederzugebenden Worten.

Niemand kam zu Hilfe

Niemand schritt ein, sodaß der verschreckte Ausländer das Weite suchen mußte. Da wurde der klugen Helli bewußt, daß es trotz aller immer wieder hautnah erlebten Schwierigkeiten im Zusammenleben mit Fremden unklug ist, das ohnedies schon gespannte Klima durch eine Volksabstimmung weiter anzuheizen.

Frau Helli hat schwere Vorbehalte gegen Leute, die nicht arbeiten, obwohl sie arbeiten könnten, gleichzeitig aber bestens wissen, wie Wohlfahrtseinrichtungen des Staates auf Kosten der Steuerzahler zu mißbrauchen sind. Dabei ist es ihr völlig gleichgültig, ob es sich um Ausländer oder Österreicher handelt.

Sie hat aber, da sie Zeit ihres Lebens selbst hart arbeiten mußte, um nach dem frühen Tod ihre? Mannes vier Kinder zu versorgen, große Sympathien für Menschen, die einer ordentlichen Beschäftigung nachgehen. Auch dabei ist es ihr völlig gleichgültig, ob es sich um Ausländer oder Österreicher handelt.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung