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Frau Thatchers schwerste Krise

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Die Bilanz einer Krise, so harmlos über die Sanierung einer mittelgroßen Helikopterfirma angelaufen, aber letztlich zur schwersten Erschütterung der Regierung Thatcher ausgeweitet, ist bestürzend: die erbitterte Rivalität zweier Minister führte zum Rücktritt des einen (Heseltine), zur erzwungenen Resignation des anderen (Brittan).

Die Premierministerin wußte nicht einmal, was tatsächlich vorging. Ihre Art, das Zepter zu führen, Alleinentscheidungen zu treffen, das Kabinett zu brüskieren und die vielgerühmte Kollektivverantwortung in den Wind zu schlagen, ohnedies nicht gerade unbekannt, wird im Laufe der Auseinandersetzung besonders klar und steht schließlich im Schußfeld der Kritik. Am Ende bricht die Regierungsmaschinerie zusammen, und die Lady läßt es einfach geschehen. •

Frau Thatcher rechtfertigt sich zweimal vor dem Parlament, vor allem entflicht sie die rätselhafte Manipulation eines den Ex-Verteidigungsminister belastenden Briefes.

Brittan hat das Schreiben ohne Wissen des Absenders, zweiter Kronanwalt Patrick Mahew, an die Öffentlichkeit durchsickern lassen, wobei das Büro der Dow-ningstreet eine „mißverständliche“ Rolle spielte. Erst später ins Bild gesetzt, approbiert die Premierministerin im nachhinein, bedauert aber den Affront gegen den Anwalt zutiefst.

Derlei Machenschaften, Dis harmonien und Mißhelligkeiten kommen in den besten Familien -sprich: Regierungen-vor, keinesfalls gleichwohl in so geballter Form. Ein anderer Regierungschef wäre sehr wohl über die Affäre gestolpert, an einen Rücktritt von Frau Thatcher ist nicht zu denken.

Zudem schließt der ehrgeizige Heseltine einen Notfrieden mit der Führerin, Brittan kriecht zu Kreuze und nimmt die gesamte Schuld auf sich. Die aufgescheuchten Tories im Parlament scharen sich mit einem Mal in selten gesehener Einmütigkeit um die Eiserne Lady. Mag sie sich auch nicht in jeder Hinsicht überzeugend reingewaschen haben, so steht sie doch wieder fest auf der Kommandobrücke.

Der politische Sturm dürfte abgeebbt, wenn nicht gar durchgestanden sein, auch wenn die Oppositionsparteien immer noch Böses gegen Thatcher im Schilde führen.

Labourführer Neil Kinnock hat seine Chance durch eine lahme Vorstellung bei der Dringlichkeitsdebatte vertan. David Owens meisterliche Attacke nützt ihm nicht viel, seine SDP ist noch zu klein. In der eigenen Partei ist die Eiserne Lady nach Heseltines Rücktritt ohne ernsten Rivalen. Bis zu den nächsten Wahlen in spätestens zwei Jahren dürfte Frau Thatcher die Scharte Westland wieder ausgewetzt haben.

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