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Frauen als Folteropfer

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In mehr als 90 Staaten der Welt wird nach wie vor die Folter angewandt. Und wie die Gefangenenhilfeorga-nisation amnesty international in einem neuen Bericht feststellt, gehören auch gerade immer wieder Frauen zu den Opfern der Folterknechte.

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In mehr als 90 Staaten der Welt wird nach wie vor die Folter angewandt. Und wie die Gefangenenhilfeorga-nisation amnesty international in einem neuen Bericht feststellt, gehören auch gerade immer wieder Frauen zu den Opfern der Folterknechte.

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Eine buddhistische Nonne in Vietnam, eine Feministin in Guatemala und die Enkelin des gestürzten Herrschers von Äthiopien — diese drei Frauen haben eines gemeinsam: Jede von ihnen ist eine politische Gefangene.

Die vietnamesische Nonne Thchi nu Tri Hai wird seit ihrer

Festnahme im Mai dieses Jahres in Einzelhaft gehalten. Alaide Foppa aus Guatemala ist verschwunden, seit sie 1980 offenbar von Geheimpolizisten abgeholt wurde. Hirut Desta, ein Mitglied der ehemaligen Regierungsfamilie Äthiopiens, wird seit zehn Jahren ohne Anklage oder gerichtliche Verhandlung festgehalten.

Gefängnis, Haft ohne Verhandlung, „Verschwinden" und Folter — all diesen Qualen sind Tausende Frauen in aller Welt ausgesetzt. Politische Verfolgung kennt keinen Unterschied zwischen Mann und Frau, hat keine Grenzen - weder ideologische noch geographische.

Aus einer umfassenden Dokumentation von amnesty international über „Die Folter in den 80er Jahren" ist zu entnehmen, daß Frauen aus den verschiedensten Gründen politische Gefangene werden und aus den verschiedensten Gründen gefoltert werden.

Einige Frauen werden wegen ihres Glaubens festgehalten. Andere wieder, weil sie sich einer politischen Oppositionsbewegung

angeschlossen haben. Zahlreiche der verhafteten Frauen engagierten sich in der Gewerkschaftsbewegung ihres Landes oder versuchten Hilfe für die Armen in den städtischen Slumvierteln zu organisieren.

Sehr viele dieser Frauen haben ein Geständnis abgelegt. Unter Folter. Und nur zu viele mußten sexuelle Folterungen über sich ergehen lassen. Diese Art der Folter — ein Relikt aus alter Zeit — wird noch immer praktiziert. Praktiziert mit dem Hintergedanken und in der Absicht, die Opfer in den intimsten Bereichen ihrer Persönlichkeit zu treffen und damit auch das Selbstwertgefühl zu brechen. Es ist nicht verwunderlich, daß in vielen Fällen Frauen, die zum Beispiel Vergewaltigungen erdulden mußten, dies nach ihrer Freilassung verschweigen — aus Scham.

In Afghanistan wurde im Jahr 1981 die damals 22jährige Medizinstudentin Farida Hamadi eine Woche lang ununterbrochen verhört und mit Elektroschocks gefoltert. Während der insgesamt sechsmonatigen Haft bei der Staatssicherheitspolizei wurde sie gezwungen, Folterungen anderer Frauen mitanzusehen. Unter den Opfern waren auch Mädchen im Alter von unter sechzehn Jahren.

In Pakistan wiederum wurden und werden seit der Verhängung des Kriegsrechts im Jahr 1977 Hunderte Frauen verhaftet. Das Ziel und die Absicht der Behörden: Die Frauen als Druckmittel gegen die gleichfalls verhafteten Ehemänner zu verwenden, um so rascher „passende" Geständnisse erpressen zu können.

Ein Gefangener aus dem Iran beschreibt die Zustände im Frauenblock des Teheraner Evin-Ge-f ängnisses so: „Viele der dort einsitzenden jüngeren Frauen wurden gemeinsam mit ihren Kin-

dern verhaftet. Eine dieser Mütter schrie, sie wäre bereit zu gestehen, weil sie die Mißhandlungen an ihrer dreijährigen Tochter nicht länger ertragen konnte."

Tausende Kilometer entfernt in den Polizeistationen Paraguays wird ebenfalls gefoltert. Männer ebenso wie Frauen. Margarita Baez etwa verlor ihr Kind im vierten Schwangerschaftsmonat als Folge von Folterungen. Andere Frauen und Mädchen — viele davon minderjährig - wurden von Angehörigen der Sicherheitskräfte vergewaltigt, mit dem Ergebnis, daß zahlreiche von ihnen schwanger wurden.

Folter in den 80er Jahren ist ein amnesty-Bericht, der aufwühlt; ein Bericht, der ein unüberhörba-rer Aufschrei ist, gegen die Folter in mehr als 90 Staaten der Welt sofort aktiv zu werden.

Der amnesty-Bericht gibt aber auch Hoffnung. Denn seit diese neue ai-Kampagne begonnen

wurde, hat es zwei Ereignisse gegeben, die Mut machen. Erstens hat die griechische Regierung als erste Regierung der Welt ein Gesetz verabschiedet, mit dem Folter oder auch nur das verheimlichte Wissen um Folter geahndet wird.

Das zweifellos noch weitaus bedeutsamere Ereignis fand Anfang des Monats, knapp vor dem 10. Dezember — dem Tag der Menschenrechte — statt. Der für die Menschenrechte zuständige Arbeitsausschuß der UNO-General-versammlung nahm die seit sieben (!) Jahren vorbereitete Konvention gegen die Folter an. Damit wurde das internationale Recht wesentlich erweitert und einem zehn Jahre alten Wunsch von amnesty international entsprochen.

Die „Konvention gegen die Folter und andere grausame unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung" verpflichtet die Staaten, Folter in jeder Form zu

unterbinden und unter Strafe zu stellen. Das Dokument tritt in Kraft, sobald es von zwanzig Mitgliedsländern unterzeichnet ist. Ein eigenes „Komitee gegen Folter", dessen zehn Mitglieder noch zu bestimmen sind, soll die Einhaltung der Konvention überwachen.

Solche Ereignisse geben vor allem den politischen Gefangenen Hoffnung - gerade auch j enen, die gefoltert werden. Sich allein auf die Wirksamkeit dieser so wichtigen Konvention zu verlassen, wäre aber sträflicher Leichtsinn. Denn die gewaltfreien Gewissenshäftlinge brauchen unsere Hilfe jetzt..

Schon ein Brief an einen politischen Gefangenen, der etwa das Recht auf Religionsausübung für sich in Anspruch nahm, kann helfen. Briefe und Aussagen von freigelassenen Gewissensgefangenen bestätigen das. Etwa jene von Yulia Vosnesenskaya, einer ehemaligen sowjetischen Gewissensgefangenen, die an die amne-sty-Gruppe, die sie über fünf Jahre lang betreute, schrieb:

„Einmal waren die Lagerleiter und Wachen besonders freundlich zu mir und vermieden auch die Mißhandlung anderer weiblicher Gefangener in meiner Gegenwart. Ich vermutete, daß sie von irgend jemandem verwarnt worden waren. Später fand ich durch Zufall heraus, daß ein Brief aus dem Ausland gekommen war, der die Änderung in ihrem Benehmen bewirkt hatte."

Und weiter schreibt die Poetin, die heute in Paris im Exil lebt: „Sogar wenn Du entmutigt wirst, weil Du keine unmittelbaren Ergebnisse Deiner Bemühungen siehst — wenn Du politischen Gefangenen schreibst, ändert sich etwas. Wir — die Dissidenten — können nicht leben und kämpfen ohne die Hilfe der demokratischen Länder."

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