6938755-1983_19_04.jpg
Digital In Arbeit

Frauen haben die Wahl entschieden

Werbung
Werbung
Werbung

Selbst die Wahlforschung nimmt von der Existenz weiblicher Wähler nur flüchtig Notiz. Im Gegensatz zu Politikėm und Parteien, die das Thema „Frauen und Politik” in einer Mischung von Hilflosigkeit und Überheblichkeit verdrängen, hat die geringe Prominenz dieses Themas bei den Wahlforschern statistische Ursachen.

Während Indikatoren wie Agraranteil, Industrialisierung oder Anzahl der Beschäftigten im Dienstleistungsbereich regionale Unterschiede im Wahlverhalten zumindest tendenziell erklären können, sind geschlechtsspezifische Unterschiede im Wahlverhalten mit den herkömmlichen statistischen Methoden nicht auszumachen.

Aber auch die Wahlsoziologie trägt wenig zur Erklärung des

Wahl Verhaltens der Frauen bei. Der „Wechselwähler” ist zumindest sprachlich immer ein Mann. Versucht man, „den” Wechselwähler zu charakterisieren, denkt man an einen mittleren bis leitenden Angestellten im Dienstleistungsbereich, der eine überdurchschnittliche Schul- und Fachausbildung besitzt, an Politik überdurchschnittlich interessiert ist und am politischen Geschehen regen Anteil nimmt. Der typische Wechselwähler ist immer ein Mann, während Frauen — in der öffentlichen Einschätzung — ohnehin so wählen wie der Ehegatte.

So das patriarchalische Bild, nach dem der Mann selbst in der Wahlzelle den Ton anzugeben scheint. Ein Bild aber, das mit der Wirklichkeit unserer Gesellschaft längst nicht mehr im Einklang steht.

1. Bereits 55 Prozent der Wahlberechtigten sind Frauen; das „starke” Geschlecht ist in der österreichischen Wählerschaft nur mehr mit 45 Prozent vertreten.

2. Das Vorurteil, nach dem Frauen am politischen Geschehen wenig bis gar nicht interessiert sind, während die Männer mitten im politischen Leben stehen, geht an der Wirklichkeit vorbei. Den Nationalratswahlkampf 1983 haben nach eigenen Angaben

Aus diesen Daten ein politisches Desinteresse der Frauen abzuleiten, wäre unrichtig und unhaltbar.

3. Ebenso unhaltbar ist die landläufige Meinung, daß Frauen in ihrem Wahlverhalten weniger mobil und wechselbereit sind als Männer. Bei den Nationalratswahlen 1983 haben nach eigenen Angaben eine andere Partei als 1979 gewählt (Wechselwähler):

Männer 10 Prozent

Frauen 13 Prozent

Auch bei den Wechselwählern stellen die Frauen in Österreich mittlerweile die Mehrheit.

4. Ebenso unhaltbar ist das Vorurteil, nachdem sich Frauen eher aus emotionellen Gründen für eine bestimmte Partei ent scheiden, während die Männer ihre Wahlentscheidung nach kühlen und sachlichen Kriterien treffen. Bei den Nationalratswahlen am 24. April 1983 haben sich nach eigenen Angaben für eine bestimmte Partei entschieden:

• weil diese Partei die wirtschaftlichen Probleme besser lösen kann:

Männer 68 Prozent

Frauen 66 Prozent

• weil sich diese Partei für mehr Sparsamkeit einsetzt:

Männer 62 Prozent

Frauen 66 Prozent

• weil diese Partei einen guten Spitzenkandidaten hat:

Männer 66 Prozent

Frauen 62 Prozent

• weil diese Partei am ehesten die Arbeitsplätze sichern kann:

Männer 57 Prozent

Frauen 61 Prozent

• weil diese Partei mehr für den Umweltschutz machen wird:

Männer 47 Prozent

Frauen 47 Prozent

So sollte daher auch das Vorurteil politischer Werbespezialisten, nach dem man Männer mit Sachargumenten, die Frauen dagegen am besten mit Hochglanzfotos und Sujets aus der Zauberküche der Waschmittelwerbung ansprechen müsse, dringend revidiert werden.

Was dagegen die Vorurteile mit Sicherheit überdauern wird, ist die Tatsache, daß die Frauen auch im neuen Nationalrat (FURCHE 18/1983) nur mit 17 Abgeordneten vertreten sein werden — obwohl sie die Wahl entschieden haben.

Der Autor ist Sozialforscher und Leiter der Grundlagenforschung in der Bundesparteileitung der OVP. ,

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung