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Frauen-Nachtarbeitsverbot wird fallen

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Wie wird sich der Beitritt zur Europäischen Gemeinschaft auf die weibliche Bevölkerung auswirken? Europa-Staatssekretärin Brigitte Ederer (SPÖ) im FUR-CHE-Gespräch über „gleichen Lohn für gleiche Arbeit" und über das Nachtarbeitsverbot für Frauen.

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Wie wird sich der Beitritt zur Europäischen Gemeinschaft auf die weibliche Bevölkerung auswirken? Europa-Staatssekretärin Brigitte Ederer (SPÖ) im FUR-CHE-Gespräch über „gleichen Lohn für gleiche Arbeit" und über das Nachtarbeitsverbot für Frauen.

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FURCHE: Frau Staatssekretärin, welche Änderungen wird die EG für Österreichs Frauen mit sich bringen ?

BRIGITTE EDERER: Die EG hat viel früher Regelungen punkto Gleichberechtigung getroffen als Österreich. Mit Inkrafttreten des Gleichbehand-lungspaketes per 1. Jänner 1993 haben wir nur nachgezogen und wichtige Grundsätze durchgesetzt, die in der EG bereits seit Jahren fixer Bestandteil sind. Was den unmittelbaren Bereich Gleichberechtigung im Beruf betrifft, wäre die EG sicherlich ein Vorteil. Neben den allgemeinen EG-Bildungsprogrammen gibt es spezifische Bildungs- und Ausbildungsprogramme für Frauen. Daran wird Österreich aber erst als EG-Mitglied teilnehmen können. Dieses Förderungsprogramm nennt sich NOW - New Op-portunities For Women -und hat die Chancengleichheit für Frauen zum Ziel. Gefördert werden dabei Unternehmungsgründungen von Frauen oder solche, die Arbeitsplätze für Frauen schaffen, aber auch Berufsberatung und Berufsvorbereitung für Frauen sowie Begleitmaßnahmen wie die Förderung von Kinderbetreuungseinrichtungen. Wenn wir uns die derzeitige Situation der Kinderbetreuungseinrichtungen in Österreich ansehen, liegen wir weit unter dem EG-Durchschnitt!

In der EG gibt es auch einen Beschluß des Europäischen Gerichtshofes, daß es zu keiner geschlechterspezifischen Trennung beim Nachtarbeitsverbot kommen darf. In Österreich gibt es ein Nachtarbeitsverbot für Frauen, das allerdings Ausnahmen vorsieht.

In der EG können wir dieses Verbot nicht aufrecht erhalten. Wir müssen also eine Regelung finden, die sich nicht geschlechterspezifisch auswirkt.

Zum Beispiel: Nachtarbeit ist für Menschen über fünfzig und für Menschen mit Kindern, die das dritte Lebensjahr noch nicht vollendet haben, verboten.

FURCHE: Die Gleichbehandlungs-politik der EG und die Doppelbelastung der Frauen - sind das nicht einander widersprechende Faktoren ?

EDERER: Es gibt für die Durchsetzung der Richtlinien keine großen Unterschiede von der EG zu Österreich oder zu irgendeinem anderen Land. Natürlich bedarf es auch weiterhin des Kampfes der Frauen. Den Frauen wird auch in der EG nichts geschenkt!

FURCHE: Wie sollten und wie werden Österreichs Frauen auf die EG vorbereitet werden?

EDERER: Frauenministerin Johan-

na Dohnal organisiert Symposien in ganz Österreich, die sehr gut besucht sind. Interessierte Frauen und vor allem auch Multiplikatorinnen - aus den verschiedensten Bereichen -werden eingeladen, um die Frage „Was bedeutet die Europäische Gemeinschaft für die Frauen" zu diskutieren. Anhand von Umfragen konnten wir feststellen, daß Frauen -speziell Hausfrauen-zu jenen Bevölkerungsgruppen gehören, die der EG am kritischsten gegenüberstehen. Frauen stehen Veränderungen wesentlich skeptischer gegenüber und haben von vornherein mehr Sorge, Verschlechterungen ausgesetzt zu werden.

FURCHE: Mit dem Beitritt zur EG sollten sich besonders im beruflichen Bereich für Frauen neue Wege öffnen. Wie soll dies im konkreten aussehen?

EDERER: Zunächst muß gesagt werden, daß mit 57,3 Prozent die Erwerbsquote der österreichischen Frauen in der Altersgruppe von fünfundzwanzig bis vierundvierzig Jahren knapp unter dem EG-Durchschnitt und damit hinter fast allen wirtschaftlich starken Staaten Westeuropas liegt. Spitzenreiter ist Dänemark, wo über 90 Prozent der Frauen dieser Altersgruppe zumindest einer Teilzeitarbeit nachgehen, dann folgen - mit Respektabstand - Großbritannien, Nie-

derlande, Frankreich, Belgien und Deutschland. Schlußlichter sind Griechenland, Luxemburg, Spanien und das konservative Irland.

Fest steht, daß sich Österreichs Frauen nach wie vor darum kümmern müssen, eine gewünschte Position zu erreichen. Als positiv begrüße ich den Umstand, daß in der EG das Thema Kinderbetreuungseinrichtungen einen anderen Stellenwert hat als hier bei uns. Ich persönlich halte es für entsetzlich, daß Frauen zwischen Kindererziehung auf der einen und Karriere auf der anderen Seite entscheiden müssen, wie es heute noch sehr oft der Fall ist. In der EG wird diese Entscheidung sicher leichter zu fällen sein, da

ist mit weiteren Verbesserungen zu rechnen.

Weiters werden Frauen durch den Beitritt zur Europäischen Gemeinschaft vermehrt die Möglichkeit haben, internationale Erfahrungen zu sammeln, die zur Zeit eher nur von Männern wahrgenommen werden können. Wir dürfen jedoch nicht vergessen, daß die Konkurrenz natürlich stärker wird. Das heißt, österreichische Unternehmungen werden sich nur dann behaupten und durchsetzen können, wenn die Qualität und die bestmögliche Ausbildung ihrer Mitarbeiter vorhanden sind. Ein wichtiger Faktor, der meines Erachtens noch zu wenig bedacht wird!

FURCHE: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit wird dann Realität?

EDERER: Auch diesen Punkt hat die EG in einer Richtlinie bereits beschlossen. Seit 1975 gilt es, gleichen Lohn für gleiche Arbeit zu erhalten.

FURCHE: Bleiben unsere Regelungen für Mutterschutz, Karenzurlaub und Karenzgeld sowie die Anrechnung von Erziehungszeiten und ähnliches auch bei einem EG-Beitritt in den bestehenden Formen erhalten? Werden diese Leistungen für Österreich auch als EG-Mitglied finanziell tragbar sein?

EDERER: Dies bleibt weiterhin nationales Recht, mit der Einschränkung, Österreich muß es sich leisten können. Aber diese Frage stellt sich meines Erachtens auch bei einem Nicht-Beitritt zur EG. Das Gespräch führte Doris Schleifer-Höderl.

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