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Frauen — umworben und vermarktet

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Provoziert fühlen sich viele Frauen durch verstärkte Tendenzen der Werbung, die Frau und ihren Korper zum Blickfang zu machen. Ist dies Folge eines schärferen Kampfes um den Markt? Einer tabuloseren Einstellung zur Sexualität? Oder gar der Emanzipation der Frauen?

Vorweg: Alles hat seinen — gesellschaftlichen — Preis. In einer explizit auf größtmöglichen Konsum und Wettbewerb angelegten Wirtschaftsform ist der Zwang zu effizienter Vermarktung aller Produkte und Leistungen weitgehend problemlos akzeptiert, ja verinnerlicht. Der hin und wieder ausbrechende Unmut über die demütigende und mißbräuchliche Verwendung von Frauen als Blickfang in der Werbung stellt so gesehen lediglich einen Störfall

dar in der allgemein bereitwilligen Akzeptanz von Wettbewerbsformen und Wettbewerbsbedingungen.

Nur einen Störfall deshalb, weil die Gruppe derer, die offen Anstoß nimmt, quantitativ immer noch bequem zu vernachlässigen ist, weil Kritik zudem sinnvollerweise nur dann anzubringen ist, wenn die ungenierte Berechnung hinter bestimmten Werbestrategien allzu augenscheinlich und damit breiten Kreisen bewußt wird. Tatsache ist aber, daß dieser Umgang mit Frauen als Geschlecht durchaus der Schamlosigkeit entspricht, mit dem spektakuläres wie alltägliches menschliches Unglück — zur Erhöhung von Auflagen- und Einschaltziffern — medial vermarktet wird.

Dieser Umgang mit der Frau als Blickfang entspricht aber auch in seiner Schamlosigkeit der Art und Weise, wie aus kindlichen Träumen und unbestimmten Wunschvorstellungen mit Hilfe der Werbung konkrete Konsumbedürfnisse erzeugt werden. Endprodukt ist dann jener von Kindesbeinen an gleichgeschaltete Konsument, der jeweils das zu wünschen glaubt, was der Markt gerade bietet.

Spezifisch am Einsatz von Frauen und/oder ihrem Körper in der Werbung ist jedoch deren zweifelhafte „Multifunktionali-tät“: sie helfen, ein Produkt zu verkaufen, sind häufig selbst die

Käuferinnen dieses Produktes und werden bei dieser Gelegenheit auch gleich selbst als Ware mitverkauft. Es ist wahrscheinlich kaum zu klären, inwieweit Werbestrategen sich ganz bewußt bestimmte gesellschaftliche Sachverhalte zunutze machen.

Gewiß ist ihnen aber nicht ein gut entwickelter Spürsinn für Schwachstellen oder Brüche in unser aller Einstellungs- und Verhaltensweisen abzusprechen — von einer unbefangen-positiven Einstellung zur Sexualität kann nämlich auch in unserer heute angeblich immer freizügigeren Gesellschaft tatsächlich kaum die Rede sein. Es sei denn, man mißt den Grad der Freizügigkeit an der Zahl der an den Kiosken angebotenen pornographischen Zeitungen.

Ebenso wie diese Zeitschriften (und natürlich die entsprechenden Filme und Videos) deckt auch die Präsentation von weiblicher Sexualität in der Werbung — in wesentlich dezenterer und ästhetischerer Form — ein offenkundig vorhandenes Bedürfnis. Sie vermittelt den Eindruck, vieles sei ohnehin schon längst selbstverständlich und erlaubt, ohne dabei die Spannung zwischen den angeblich allgemeinen Standards an sexueller Freizügigkeit und an persönlichem Wollen oder Dürfen auflösen zu können — oder es überhaupt nur zu versuchen.

Gerade aus dieser Spannung bezieht aber eine auf die Vermarktung weiblicher Sexualität abzielende Werbung ja ihre Wirksamkeit. Je mehr verdrängte sexuelle Wünsche und Bedürfnisse vorhanden sind, umso bereitwilliger werden geschickte Signale in dieser Richtung aufgenommen.

Ganz allgemein sind Widersprüchlichkeiten offenkundig jener Nährboden, auf dem Konsumbedürfnisse erzeugt werden. Es gibt wohl kaum einen Abschnitt menschlicher Geschichte,

in dem die persönliche wie die familiäre Intimsphäre so nachdrücklich — beinahe als notwendige Selbstverteidigung — betont werden wie heute.

Gleichzeitig aber gibt es keine Lebensäußerung, keinen Lebensbereich und keine Körperfunktion mehr, der nicht eine bestimmte Produktwerbung entspräche. Lange bevor wir also von einer tatsächlichen Enttabuisie-rung im sexuellen Bereich sprechen könnten, scheint eine Entta-buisierung banalster Alltagsbereiche — aus ökonomischen Gründen — längst vollzogen. „Es gibt nichts, wofür es kein Produkt gäbe, über Produkte kann man sprechen, daher gibt es auch nichts, worüber man * nicht sprechen könnte“, scheint das Motto zu sein.

Zudem zeichnet sich jede Zeit durch eine für sie jeweils spezifische Doppelmoral aus. War es im 19. Jahrhundert das schließlich allgemein verbindliche Leitbild der bürgerlichen Familie mit seiner strikten Sexualmoral, das in der praktischen Konsequenz letztlich nur für die Frauen galt, Männern hingegen gesellschaft-

lich akzeptierte sexuelle Freiräume zugestand, so existieren heute, was die Freizügigkeit der Darstellung und der vermittelten Botschaften betrifft, durchaus unterschiedliche Normen für gleichermaßen öffentliche Bereiche.

Während etwa die Form der Sexualaufklärung durch die Schule einen politisch-ideologischen Dauerbrenner darstellt, bei dem schon winzige Details heftigst diskutiert werden — auch hinsichtlich dessen, was Kindern zumutbar erscheint -, werden bei den auch und vor allem für Kinder allgegenwärtigen Plakatwänden oder der medialen Dauerberieselung solche Aspekte nicht gesehen. Werbung scheint der Diskussion über die Zulässigkeit ihrer Aussagen, ihrer Bilder, ihrer Klischees oder gar ihrer geschmacklichen Grenzen völlig entzogen.

Abgesehen von der Einschränkung unlauterer Wettbe wer b sme-thoden handelt es sich bei der Werbung um einen weitgehend kontrollfreien Raum. Solange Verkaufserfolge auf verstärktem Kaufinteresse auch infolge sexi-stischer Werbeinhalte basieren.

dürfen sich Werbestrategen bei der Wahl ihrer Methoden frei von allen sonst stets erhobenen Bedenken fühlen.

Die zutiefst ideologische Funktion der Werbung ist unbestritten. Ebenso wie sie das Konsumverhalten über die Erzeugung von Bedürfnissen marktgerecht steuert, „erzieht“ sie über klar definierte- und daher notwendig klischeehafte — Rollenbilder den jeweils idealen, das heißt berechenbaren Konsument(inn)entyp. Wenn potentielle Konsumentinnen häufig mit Attributen wie die „neue“, die „moderne“, die „freie“, die „selbstbewußte“ Frau angesprochen werden, soll der Eindruck der freiwilligen Identifikation mit dem Frauenbild der Werbung vermittelt werden.

Die darin Frauen zugeschriebenen Einstellungen und Verhaltensweisen sind tatsächlich aber höchst konservativ. Selbstbewußtsein ist den dargestellten Inhalten nach nur über männliche Anerkennung, Attraktivität ausschließlich durch Unterwerfung unter modische und geschmackliche Normen erzielbar. Insbesondere weibliche Sexualität wird in einer Form vermittelt, als hätte es nie eine Debatte über die Möglichkeit selbstbestimmten, autonomen Verhaltens gegeben.

Die Strategien der Werbung erzeugen bei Frauen einen doppelten Abhängigkeitseffekt: Abhängigkeit vom Produkt und die Bestätigung ihrer von vornherein vorausgesetzten gesellschaftlichen Abhängigkeit. Verantwortliche der Werbebranche können zudem zu ihrer Entlastung noch auf jene Frauen verweisen, die sich sogar für eindeutig diskriminierende Darstellungen zur Verfügung stellen. Da sie „nichts dabei finden“, ist Kritik dann folgerichtig nur der Protest einer frustrierten Minderheit.

Die Autorin ist Dozentin am Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Universität Wien.

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