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Freie Entfaltung paßt nicht in sozialistisches Konzept

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Am 30. November hat der Nationalrat oder besser die Mehrheitsfraktion der Regierungspartei neben der Gebührengesetznovelle mit einer exzessiven Erhöhung der festen Gebühren und der Einführung einer Kreditsteuer auch die Änderung des Vermögensteuergesetzes beschlossen. Da kurz vorher auch noch mehrere Tariferhöhungen im öffentlichen Dienstleistungsbereich angekündigt wurden, entstand vielfach der Eindruck, die Erhöhung der Vermögensteuer wäre nur eine Maßnahme unter vielen, der sich der Finanzminister im Augenblick bedient, um sich in seinen budge-tären Nöten eine kleine Atempause zu verschaffen. Wer die ständig steigende Staatsverschuldung und das von Jahr zu Jahr größer werdende Defizit im Staatshaushalt bewußt zur Kenntnis genommen hat, war vielleicht im ersten Augenblick nur von dem Ausmaß der neuen Belastungslawine betroffen.

Einfache, allerdings auch schon stark abgenützte Begründungen wurden geboten, um den unruhig werdenden Staatsbürgern diese neuen Lasten möglichst problemlos zu verkaufen. So mußte die Arbeitsplatzsicherung herhalten oder im Fall der Vermögensteuer das Argument, man benötige zusätzliche Mittel, um die ganz Armen in unserem Staat doch etwas besser zu stellen. Wie einfach ist doch der Gedankengang: „Wer Vermögen hat, ist reich, und wer reich ist, ist ein Kapitalist, und dem kann man schon zumuten, daß er etwas zur Beseitigung der Armut beiträgt.“

Die Realität der Vermögensteuererhöhung ist allerdings bei einiger Kenntnis der wirtschaftlichen Zusammenhänge und bei genauerem Lesen des beschlossenen Gesetzestextes nicht in dieser Primitivformel unterzubringen. Da ist einmal zu bedenken, daß die Vermögensteuer nicht nur das „sonstige“ Vermögen trifft, zu dem Wertpapiere, Spareinlagen oder Segeljachten gezählt werden, sondern auch das land- und forstwirtschaftliche Vermögen, das Grundvermögen und das Betriebsvermögen.

Laut Vermögensteuerstatistik 1971 betrug der Anteil des Betriebsvermögens am gesamten steuerpflichtigen Vermögen fast 90 v. H., so daß von der Vermögensteuererhöhung in erster Linie die betriebliche Substanz unserer Wirtschaft getroffen wird. Schon der bisherige steuerliche Eingriff in die betriebliche Substanz durch die Vermögensteuer, Gewerbekapitalsteuer und bei Kapitalgesellschaften zusätzlich noch durch das Erbschaftsteueräquivalent stellte ein sehr ernstes Hindernis dar, um die chronische Kapitalarmut österreichischer Unternehmen zu überwinden. Eine Satzerhöhung von 0,75 auf ein Prozent scheint im ersten Moment nicht besonders aufregend zu sein, doch drückt man die Erhöhung in Prozenten aus, so sind das 33 Prozent. Weiß man, daß die Vermögensteuer ertragsteuerlich nicht abzugsfähig ist, also aus den bereits versteuerten Gewinnen zu decken ist, so gewinnt die Erhöhung eine ganz andere Dimension, nämlich daß beachtliche zusätzliche

Gewinne erwirtschaftet werden müssen, um diese Steuererhöhung überhaupt bezahlen zu können.

Was geschieht aber, wenn keine Gewinnsteigerung möglich ist, wie dies bei vielen Unternehmen derzeit der Fall ist, oder gar keine Gewinne, sondern nur Verluste anfallen? Dann muß eben auf die Substanz selbst zurückgegriffen werden, ohne Rücksicht auf die ökonomische Zukunft der betreffenden Unternehmung, gleichwohl dies die wirtschaftliche Existenz des Unternehmers und seiner Mitarbeiter in Frage stellt.

Zu noch größeren Bedenken gibt allerdings die drastische Erhöhung der Mindestbesteuerungsgrenzen für Kapitalgesellschaften um das Zehnfache in der frischgebackenen Vermögensteuergesetznovelle Anlaß. Unabhängig von dem handelsrechtlich vorgeschriebenen oder tatsächlich vorhandenen Betriebsvermögen wird in Hinkunft die Vermögensteuer bei Gesellschaften mit beschränkter Haftung von einem Mindestvermögen von 1 Million Schilling und bei Aktiengesellschaften gar von 10 Millionen Schilling erhoben werden. Damit ist der Weg frei, bei den Kleinkapitalgesellschaften, die oft nur zur Gestaltung der fa-milienhaften Zusammenarbeit in der mittelständischen Wirtschaft gegründet wurden, ein gar nicht vorhandenes Betriebsvermögen zu besteuern, wohl ein einzigartiger Schritt weg von der Steuergerechtigkeit in der österreichischen Steuergeschichte. Weder der Hinweis auf verfassungsrechtliche Bedenken einer solchen Vorgangs weise, noch der Umstand, daß viele Familienbetriebe durch die Sistierung des einkommensteuerlichen Absetzbetrages für demnittäti-gen Ehegatten zur Wahl der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft bewogen wurden, konnte die Regierungspartei dazu bewegen, wenigstens diese Härte fallen zu lassen. Ganz besondere Aufmerksamkeit verdient hiebei auch der Umstand, daß der Artikel II des Strukturverbesserungsgesetzes schon vorher nicht mehr verlängert wurde und den betroffenen Unternehmen damit auch der Ausweg einer Steuer- und gebührenfreien Rück-wandlung in eine Personengesellschaft oder Einzelfirma versperrt wurde.

Betroffen von der Erhöhung der Vermögensteuer werden jedoch auch jene Personen, denen es durch Fleiß und jahrelange Arbeit gelungen ist, sich ein Vermögen zu schaffen und die den öffentlichen Appellen zum Wertpapier-, Konten-, Bau- und Versiche-rungssparen gefolgt sind. Sie werden nun zur Kasse gebeten und müssen zur Kenntnis nehmen, daß, nachdem vorher ihre Leistungsfähigkeit durch die progressive Einkommen- und Lohnbesteuerung erfaßt wurde, das Verbliebene noch einmal vermindert wird. Die Angleichung der persönlichen Freibeträge von 100.000 auf 150.000 S an die Inflationsrate - von einer Erhöhung kann man hier ohne Selbsttäuschung wohl nicht sprechen - wird den Eigentümern von Einfamilienhäusern oder Eigentumswohnungen kaum helfen, da auch die Einheitswerte dem Geldwertschwund angepaßt werden.

Zurück zu der schon einmal abgeklungenen Frage: Geschieht das wirklich nur, um die Löcher in unserem Staatshaushalt kurzfristig zu stopfen, wo doch damit die verfehlte Budgetpolitik keineswegs saniert werden kann? Die Erläuterungen zum Gesetzentwurf geben klare Auskunft, indem ausgeführt wird, „der einheitliche Vermögensteuersatz von 1 v. H. trage den derzeitigen gesellschaftspolitischen Verhältnissen am ehesten Rechnung“. Gemeint ist dabei, daß Eigenkapital in der Wirtschaft oder Privatvermögen reduziert werden soll -nicht aus fiskalischen, sondern aus gesellschaftspolitischen Motiven heraus. Vermögen sichert Unabhängigkeit, freie Entfaltung von Ideen und gestattet den Luxus der Kritik, was offensichtlich nicht in das Konzept eines sozialistischen Gemeinwesens paßt. Mit Armenfürsorge hat die Änderung des Vermögensteuergesetzes auf gar keinen Fall etwas zu tun.

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